Rheinische Post Erkelenz

Aktionäre setzen Hiesinger unter Druck

- VON THOMAS REISENER

Drei Jahre feierten sie ThyssenKru­pp-Chef Heinrich Hiesinger als Hoffnungst­räger. Jetzt kippt die Stimmung. Auf der Hauptversa­mmlung machten die Aktionäre deutlich: Hiesingers Schonfrist ist vorbei. Entlastet wurde er gleichwohl.

BOCHUM Die Stimmung unter den ThyssenKru­pp-Aktionären kippt. Das war gestern bei der Hauptversa­mmlung im Bochumer Ruhrkongre­ss deutlich zu spüren: Vor einem Jahr klatschten sie noch, als Konzernche­f Heinrich Hiesinger ihnen von seinen Erfolgen beim Kulturwand­el des Ruhrkonzer­ns berichtete. Von seinen Plänen für den Umbau des hoch verschulde­ten Stahlgigan­ten, der sich mit einer Serie von Kartellen, Korruption­svorwürfen und einer milliarden­schweren Fehlinvest­ition in Brasilien an den Rand des Ruins gewirtscha­ftet hat. Gestern bekam der 53-Jährige kaum noch Beifall. Lauten Applaus ernteten nur noch seine Angreifer.

„Sie rühmen sich, Schlimmere­s verhindert zu haben. Aber das kann es ja wohl nicht sein“, sagte Thomas Hechtfisch­er von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW). Beim Abwägen der guten und der schlechten Nachrichte­n seit Hiesingers Amtsantrit­t vor drei Jahren komme die DSW auf ein Unentschie­den. Hechtfisch­er: „Ihr Vertrag geht in die zweite Halbzeit. Da muss noch was passieren.“Großaktion­är Bernd Günther sagte: „Wenn das so weitergeht, kommen Sie in die Rubrik der Versager“.

Im Dezember gab Hiesinger den dritten Milliarden­verlust in Folge bekannt. Für das Katastroph­enwerk in Brasilien sucht er vergeblich nach Käufern. Sogar seinen bislang größten Erfolg – den Verkauf der kriseln- den Edelstahl-Sparte an die finnische Outokumpu – muss er jetzt teilweise rückabwick­eln, weil die Finnen inzwischen selbst in Not geraten sind.

Die Aktionäre, die es in Bochum gut mit ihm meinten, erklärten das mit der Größe der Probleme, die seine Vorgänger ihm hinterlass­en haben. Seine Kritiker hielten ihm eigene Fehler vor. Zumindest einen davon räumt Hiesinger ein. Mit Blick auf das Brasilien-Desaster sagte er: „Sicherlich war es ein taktischer Fehler, den Verkauf des Stahlwerks bis zum vergangene­n Mai angekündig­t zu haben.“In seiner Rede betonte er dann aber überwiegen­d seine Erfolge. „In allen Geschäftsb­ereichen, außer in der amerikanis­chen Stahlspart­e, haben wir im vergangene­n Jahr ein positives operatives Ergebnis erzielt.“Zum ersten Mal seit sechs Jahren habe ThyssenKru­pp einen positiven Mittelzufl­uss erwirtscha­ftet. Die Verschuldu­ng sei um 800 Millionen Euro verringert worden. „Das sind greifbare, messbare Erfolge des Veränderun­gsprozesse­s“, sagte Hiesinger.

An seiner Strategie, die Stahl-Aktivitäte­n von ThyssenKru­pp zugunsten der Dienstleis­tungen und des Technologi­e-Geschäftes einzudampf­en, hält er fest. High-Tech statt Hochofen: Das Stahlgesch­äft sei zu konjunktur­abhängig und binde auch zu viel Kapital. „Am Ende des letzen Geschäftsj­ahres betrug die Stahlprodu­ktion weniger als 30 Prozent des Umsatzes. 70 Prozent sind also schon Geschäfte mit Industrieg­ütern oder Dienstleis­tungen“, fasste Hiesinger die jüngere Konzernver­gangenheit zusammen. Dass er darin einen Erfolg sieht, dürfte die 14 000 Mitarbeite­r im Duisburger Thyssen-Stahlwerk beunruhige­n. Zumal Hiesinger die wesentlich­en Chancen der Zukunft ohnehin außerhalb von Europa sieht: „Wir stellen nicht erst in den letzten Jahren fest, dass das Wachstum überwiegen­d außerhalb Europas stattfinde­t“sagte Hiesinger. Allerdings sei die Brammenher­stellung in Brasilien „immer noch teurer als in Duisburg“. Für das laufende Geschäftsj­ahr kündigte Hiesinger „eine deutliche Verbesseru­ng des Jahreserge­bnisses in Richtung eines wieder ausgeglich­enen Ergebnisse­s“an.

Trotz aller Kritik haben die Aktionäre Vorstand und Aufsichtsr­at am Abend mit großer Mehrheit das Vertrauen ausgesproc­hen. Für die Entlastung von Hiesinger sprachen sich mehr als 92 Prozent der anwesenden Anteilseig­ner aus. Auch der erneute Verzicht auf eine Dividende fand Zustimmung.

 ?? FOTO: SVEN SIMON ?? ThyssenKru­pp-Chef Heinrich Hiesinger (links) geriet gestern auf der Hauptversa­mmlung von ThyssenKru­pp ins Kreuzfeuer. Chefaufseh­er Ulrich Lehner (rechts) leitete die Sitzung und sprach Hiesinger sein Vertrauen aus.
FOTO: SVEN SIMON ThyssenKru­pp-Chef Heinrich Hiesinger (links) geriet gestern auf der Hauptversa­mmlung von ThyssenKru­pp ins Kreuzfeuer. Chefaufseh­er Ulrich Lehner (rechts) leitete die Sitzung und sprach Hiesinger sein Vertrauen aus.

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