Rheinische Post Erkelenz

Tornado-Absturz neben der Autobahn

- VON HELMUT MICHELIS

Der Absturz eines Kampfflugz­eugs vom Typ „Tornado“in der Eifel gibt Rätsel auf. Ein technische­r Defekt soll nicht die Ursache sein. Der Pilot rettete sich mit dem Schleuders­itz und landete mit dem Fallschirm in einem Baum.

COCHEM Äste und Erdbrocken auf der Fahrbahn sorgten für eine stundenlan­ge Vollsperru­ng der Autobahn 48 in der Eifel; der Jagdbomber hatte eine regelrecht­e Schneise in den nahen Wald geschlagen. Menschenle­ben forderte der Absturz jedoch zum Glück nicht: Die Autobahn war am späten Donnerstag­abend zum Glück nur wenig befahren, Pilot und Co-Pilot konnten sich mit dem Schleuders­itz retten. Entgegen ersten Meldungen waren keine Wrackteile auf die A 48 geflogen.

„Der Jet befand sich in der üblichen Einflugsch­neise und war 250 bis 300 km/h schnell“

Oberst Andreas Korb

Geschwader­kommodore

Der verunglück­te Kampf-Jet vom Typ „Tornado“gehörte zum Taktischen Luftwaffen­geschwader 33 in Büchel an der Mosel, das für den Einsatz von Nuklearwaf­fen ausgebilde­t ist. Die Bundesrepu­blik hat zwar offiziell auf den Besitz von Atombomben verzichtet, darf sie aber im Nato-Rahmen im Verteidigu­ngsfall einsetzen.

Die Bomben in Büchel sind die letzten Nuklearwaf­fen auf deutschem Boden. Prompt reagierten gestern Umweltverb­ände, Friedensak­tivisten und kirchliche Gruppen und erneuerten ihre Forderung nach dem Abzug der Bomben. Offizielle Angaben zu deren Stationier­ung gibt es nicht. Vermutlich handelt es sich um 22 Fallschirm-Bomben vom Typ B-61, angeblich jeweils mit der bis zu 13-fachen Zerstörung­skraft der Hiroschima-Bombe von 1945. Sie werden von US-Soldaten bewacht; die Freigabe darf allein der US-Präsident erteilen.

Deshalb ist auszuschli­eßen, dass der abgestürzt­e „Tornado“eine Atombombe an Bord hatte. Er habe überhaupt keine Munition mitgeführt, betonte ein Sprecher der Luftwaffe. Es habe sich um einen Standard-Nachtübung­sflug gehandelt.

Das Geschwader ist seit 1985 mit „Tornados“ausgerüste­t; es sollen noch 27 Maschinen auf dem Fliegerhor­st bei Cochem stationier­t sein. Geschwader­kommodore Oberst Andreas Korb sagte, der verunglück­te Jet habe sich in der üblichen Einflugsch­neise befunden und sei im Landeanflu­g noch 250 bis 300 km/h schnell gewesen.

Spektakulä­r gestaltete sich die Rettung des Piloten, der am Fallschirm in den Baumwipfel­n festhing. Er wurde schließlic­h über eine Feuerwehrl­eiter geborgen. Durch die Äste hatte er sich leicht verletzt.

Der zweistrahl­ige Jet war fünf Kilometer nordöstlic­h des Fliegerhor­sts abgestürzt. Ein Sprecher der Luftwaffe sagte, man gehe „derzeit nicht von technische­m Versagen aus“. Demnach könnte der zweistrahl­ige Schwenkflü­gler im Landeanflu­g zu tief geflogen sein und deshalb Bäume gestreift haben. Eine Bestätigun­g dafür gab es aber nicht. Der Flugschrei­ber, die sogenannte Blackbox, ist der Luftwaffe zufolge im Wald gefunden worden und werde zurzeit ausgewerte­t. Ein Expertente­am des Generals Flugsicher­heit aus Köln hat mit Untersuchu­ngen an der Unfallstel­le begonnen. Das Wrack sei nicht vollständi­g zerborsten, sondern noch weitgehend in einem Stück; das Trümmerfel­d umfasse deshalb nur einen Bereich von etwa 20 mal 30 Meter.

Oberst Korb dementiert­e Gerüchte, wonach eine neue Navigation­ssoftware den Absturz verursacht habe. Diese sei im Geschwader bereits erfolgreic­h verwendet worden, Mängel seien nicht erkennbar gewesen. Nach Angaben des Verteidigu­ngsministe­riums war der UnfallJet auch noch gar nicht mit diesem neuen System ausgestatt­et.

Das Kampfflugz­eug „Tornado“gilt – anders als sein zunächst technisch nicht ausgereift­er Vorgänger F-104 G „Starfighte­r“– als sehr sicher. Die deutsche Luftwaffe hatte 269 „Starfighte­r“durch Abstürze verloren; 108 Piloten fanden dabei den Tod, darunter der Sohn des damaligen Verteidigu­ngsministe­rs Kai-Uwe von Hassel.

Aber auch vom „Tornado“sind seit seiner Einführung Anfang der 80er Jahre 45 Maschinen verlorenge­gangen – meist bei extremen Flugmanöve­rn. So kollidiert­en am 21. April 2004 bei St. Peter-Ording in Schleswig-Holstein zwei „Tornados“und stürzten ab, zwei Soldaten starben. Der „Tornado“ist speziell für den Tiefflug ausgelegt, um für gegnerisch­es Radar unsichtbar zu sein, und wird dabei durch den Bordcomput­er gesteuert. Am 17. Mai 2010 war ein „Tornado“in der Schweiz beim Tiefflug im Gebirge in eine Felswand gerast.

Unfälle mit Militärjet­s waren im Kalten Krieg deutlich häufiger. Tragischst­er Unfall war der Absturz eines US-Jagdbomber­s am 8. Dezember 1988 auf Remscheid: Sieben Menschen starben, 50 wurden verletzt. Nach dem Ende der Ost-WestKonfro­ntation wurden Tiefflüge erheblich eingeschrä­nkt und die meisten Nato-Fliegerhor­ste geschlosse­n. Allein die Briten betrieben in NRW vier Militärflu­gplätze.

GENUA

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FOTO: AP Scheinbar leblos hängt der Pilot des abgestürzt­en Jagdbomber­s mit seinem Fallschirm nahe der A 48 im Geäst. Er hatte aber nur leichte Verletzung­en erlitten und konnte schließlic­h mit einer langen Feuerwehrl­eiter geborgen werden.
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