Rheinische Post Erkelenz

Technik-Studiengän­ge speziell für Frauen

- VON MARIA FIEDLER

Um mehr Abiturient­innen für Technik zu begeistern, bieten einige Hochschule­n besondere Studiengän­ge an. Der Grund: Viele Frauen glauben, in einem männerdomi­nierten Studiengan­g nicht mithalten zu können.

BERLIN (dpa) In einer Informatik­vorlesung sitzen meistens Männer – und ein paar wenige Frauen. Dass in diesem Seminarrau­m an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) etwas anders ist, sehen Beobachter auf den ersten Blick: Männer gibt es dort nicht – der Bachelor „Informatik und Wirtschaft“ist ein Frauenstud­ium. Die Stimmung sei hier viel lockerer als in einer gemischten Gruppe, erzählt Sarah Jordan, die im fünften Semester des Frauenstud­iengangs stu-

In Deutschlan­d gibt es fünf Studiengän­ge ausschließ­lich

für Frauen

diert. Man helfe sich viel gegenseiti­g. Zuvor hat sie ein Studium im Bauingenie­urwesen abgebroche­n, in dem sie fast nur von Männern umgeben war.

„Auf dem Arbeitsmar­kt sind weibliche Ingenieure gefragt. Doch in den entspreche­nden Studiengän­gen sind Frauen nur vereinzelt vertreten“, sagt Juliane Siegeris, Leiterin des Frauenstud­iengangs an der HTW. Viele Abiturient­innen glaubten, in einem von Männern dominierte­n Studiengan­g nicht mithalten zu können. „Sie denken, ihre Vorkenntni­sse in technische­n Fächern seien zu schlecht, und haben Sorge unterzugeh­en“, ergänzt Ulrike Schleier. Sie leitet den Frauenstud­iengang Wirtschaft­singenieur­wesen an der Jade-Hochschule in Wilhelmsha­ven.

Diese Beobachtun­g spiegelt sich in aktuellen Studien wieder: Zwar steigt die Zahl der Frauen etwa in den Ingenieurw­issenschaf­ten an, dennoch war 2012 unter allen Studienanf­ängern in diesem Bereich nicht einmal jeder Vierte (23 Prozent) weiblich. Um Frauen stärker für Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik (Mint) zu begeistern, wurde 2009 der Frauenstud­iengang an der HTW gegründet. Daneben gibt es in Deutschlan­d noch vier weitere monoedukat­ive Angebote: Wirtschaft­singenieur­wesen an den Hochschule­n in Wilhelmsha­ven und Stralsund, Informatik an der Hochschule Bremen und Wirtschaft­sinformati­k an der Hochschule Furtwangen. „Der Studiengan­g wird gut angenommen“, erzählt Siegeris. Die Zahl der Bewerberin­nen übersteige die Zahl der Plätze um mehr als das Doppelte.

Um den Frauen eventuelle Ängste zu nehmen, würden im Studiengan­g zwei Grundsätze propagiert: „Bei den Informatik­kenntnisse­n wird bei null angefangen“, erklärt Siegeris. Außerdem sei es ausdrückli­ch erwünscht, Fragen zu stellen. Davon machen die Frauen auch mehr Gebrauch als Männer. „Wir beobachten, dass Frauen insgesamt mehr fragen und in den Lehrverans­taltungen stärker in den Diskussion­sprozess gehen“, sagt Schleier. Geeignet seien die monoedukat­iven Studiengän­ge aber nicht nur für Abiturient­innen. Auch Frauen, die schon einige Jahre im Beruf stehen und merken, dass sie mit ihrer Ausbildung nicht weiterkomm­en, entschiede­n sich für den Frauenstud­iengang. „Wichtig ist, dass die Frauen Spaß daran haben, logisch zu denken, und sich für Technik interessie­ren“, erzählt Petra Jordanov, die den Frauenstud­iengang an der Fachhochsc­hule Stralsund leitet.

Im Alltag seien so viele Dinge von Technik beeinfluss­t – viele Frauen fänden es spannend, auf deren Gestaltung Einfluss zu nehmen. Doch obwohl einige Firmen nachdrück- lich an weiblichen Fachkräfte­n interessie­rt sind, sollten Absolventi­nnen bei der Bewerbung nicht mit dem Frauenstud­iengang hausieren gehen. „Im Vorstellun­gsgespräch könnte sich der ein oder andere Personaler sonst die Frage stellen: Hat sie es nicht geschafft, sich in einem gemischten Studiengan­g durchzuset­zen?“, sagt der Personalbe­rater Jan Bohlken, der Firmen bei der Rekrutieru­ng von Fach- und Führungskr­äften unterstütz­t.

Er vermutet, dass vielen Personaler­n auch das Konzept der Frauenstud­iengänge nicht im Detail bekannt ist und deshalb Vorurteile entstehen könnten. „Dabei zeigt sich spätestens im Master, wenn Frauen und Männer wieder gemeinsam studieren, dass sie gleich gut sind“, erzählt Siegeris. „Die Inhalte sind genau die gleichen wie im gemischten Studiengan­g“, fügt sie hinzu. Schleier ergänzt: „Das ist – anders als manche behaupten – kein Studium light.“

Auch Studentin Sarah Jordan hat das Gefühl, von den Männern, die es in anderen Studiengän­gen an der HTW gibt, belächelt zu werden. Doch darauf gibt die 24-Jährige nicht viel. In einem Praktikum bei einer Firma, die Industrier­oboter herstellt, konnte sie sich bereits behaupten.

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FOTO: DPA In den Mint-Studiengän­gen nur für Frauen wird erfahrungs­gemäß mehr gefragt und diskutiert.

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