Rheinische Post Erkelenz

Als Erster aus der Familie studieren

- VON ISABELLE DE BORTOLI

Die Fachhochsc­hule Düsseldorf will sogenannte Studienpio­niere besonders fördern.

DÜSSELDORF Was Kommiliton­en sind, wusste Philipp Schäfer in seinen ersten Tagen als Student an der Fachhochsc­hule Düsseldorf nicht so genau. Auch als von Tutoren die Rede war, kam er erst langsam dahinter, was gemeint war. „Und dass das Dekanat vermutlich eine Art Büro oder Sekretaria­t war, habe ich mir dann auch zusammenge­reimt.“Der heute 28-Jährige ist der Erste in seiner Familie, der ein Studium begonnen hat. Niemand hatte ihn auf die Hochschulw­elt mit ihren eigenen Begriffen und Regeln vorbereite­n können.

„Mir fehlten einfach Informatio­nen“, sagt der Student der Sozialen Arbeit und Sozialpäda­gogik. „Aber zum Glück fühlte ich mich nicht unwohl.“Das ist aber nicht immer der Fall. Viele der sogenannte­n Studienpio­niere fühlen sich überforder­t, nicht zugehörig, suchen den Fehler bei sich selbst, denken, sie seien nicht gut genug, sagt Lars Schmitt, Professor für Politische Soziologie an der Fachhochsc­hule Düsseldorf. „Diese jungen Menschen müssen von uns abgeholt werden, sie müssen in die Hochschule integriert werden.“

Das hat die FH Düsseldorf erkannt und ein Konzept erarbeitet. Es wurde nun von der MercatorSt­iftung und dem Stifterver­band für die Deutsche Wissenscha­ft aus- gezeichnet und wird mit 300 000 Euro gefördert. Kinder aus Familien, in denen noch niemand studiert hat, fänden seltener den Weg an die Hochschule, und einmal dort angelangt, hätten diese Studienpio­niere häufig mehr Hürden während des Studiums zu überwinden. „Dies betrifft etwa die Finanzieru­ng des Studiums oder das Einfinden in akademisch­e Gepflogenh­eiten“, sagt Lars Schmitt, selbst ein Studienpio­nier. Nach einer Untersuchu­ng gebe es im Fachbereic­h Sozial- und Kulturwiss­enschaften 80 Prozent Studienpio­niere. Und für diese – und natürlich die der sechs weiteren Fachbereic­he – hat sich die FH Düsseldorf Ziele gesetzt.

So sollen Zugangsbar­rieren zum Studium und Schwierigk­eiten oder Barrieren im Studienver­lauf aufgedeckt werden. Es ist geplant, die Lehrenden und Hochschulm­itarbeiter für diese Hürden stärker zu sensibilis­ieren, und Unterstütz­ungskonzep­te zu etablieren. 18 Studierend­e der FH sollen mit Stipendien von 150 Euro monatlich gefördert werden. „Das heißt: Ziel ist nicht nur, Studierend­e personenbe­zogen zu fördern, sondern zudem die Strukturen der Hochschule zu verändern“, sagt Schmitt.

Die Stiftung Mercator und der Stifterver­band für die Deutsche Wissenscha­ft wollen mehr Menschen aus Familien ohne akademisch­e Tradition ein erfolgreic­hes Studium und damit einen Bildungsau­fstieg ermögliche­n. Mit dem Wettbewerb „Studienpio­niere“haben sie Fachhochsc­hulen dazu aufgeforde­rt, Konzepte zu entwickeln, die dazu beitragen, mehr Studienpio­niere mit und ohne Migrations­hintergrun­d zur Aufnahme eines Studiums zu motivieren, sie in ihrer Studienein­gangsphase und im Studienver­lauf gezielt zu unterstütz­en und beim Einstieg in den Arbeitsmar­kt zu begleiten. 61 Konzepte wurden eingereich­t, neun zur Förderung ausgewählt – darunter das der Fachhochsc­hule Düsseldorf.

 ?? FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Studienpio­niere an der FH Düsseldorf (v. l.): Réka Bönöcz, Philipp Schäfer, Martin Rauner.
FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Studienpio­niere an der FH Düsseldorf (v. l.): Réka Bönöcz, Philipp Schäfer, Martin Rauner.

Newspapers in German

Newspapers from Germany