Rheinische Post Erkelenz

Anfang vom Ende der Maut

- VON BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK

Die Einführung einer Pkw-Maut, die keine Mehrbelast­ung für deutsche Fahrzeugha­lter bringt, ist das wichtigste Projekt der CSU in dieser Wahlperiod­e. Nun droht es am Widerstand aus Brüssel zu scheitern.

BERLIN Manche Sätze kleben an einem Menschen wie Kaugummi an der Schuhsohle: „Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht“ist so ein Satz. Ihn sagte CSU-Chef Horst Seehofer am Abend des 15. Dezember 2013, als er seinen bisherigen Generalsek­retär als künftigen Verkehrsmi­nister vorstellte. Die Aussage war auf die Einführung der Pkw-Maut in Deutschlan­d gemünzt.

Jetzt ist Dobrindt doch gescheiter­t – zumindest vorläufig. Die EU-Kommission leitet ein Verfahren gegen seine Maut-Gesetzgebu­ng ein. Dobrindt zog die Reißleine: „Wir verhalten uns rechtsstaa­tlich und werden eine Gerichtsen­tscheidung abwarten“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Damit kann die umstritten­e Pkw-Maut nicht wie geplant ab dem 1. Januar 2016 starten. „Ich war immer skeptisch, ob die Maut mit europäisch­em Recht vereinbar ist“, sagte Nordrhein-Westfalens CDU-Landeschef Armin Laschet unserer Zeitung. „Dass Alexander Dobrindt so reagiert, finde ich anerkennen­swert. Dies schafft Rechtssich­erheit, so wie sie im Koalitions­vertrag vereinbart war.“

Die Notbremse ist auch aus Sicht des Koalitions­partners richtig: „Die Verschiebu­ng der Pkw-Maut durch Minister Dobrindt ist die einzige Möglichkei­t, um Mehrkosten für den deutschen Steuerzahl­er abzuwenden“, sagte SPDFraktio­nsvize Sören Bartol. Auch er betonte, dass der deutsche Autofahrer nicht zusätzlich belastet werden dürfe.

Vorgesehen war bislang, dass alle Autofahrer je nach Größe und Schadstoff­klasse ab 2016 eine jährliche Maut von höchstens 130 Euro zahlen sollten. Die Fahrzeugha­lter in Deutschlan­d sollen auf den Cent genau über die Kfz-Steuer um den Betrag entlastet werden, den sie für die Maut aufbringen müssen. Damit wäre die Belastung allein bei Autofahrer­n, die aus dem Ausland nach Deutschlan­d reisen.

Für den Verkehrsmi­nister ist die Lage umso schwierige­r, je länger das Verfahren dauern wird. Die Maut ist sein wichtigste­s Projekt in dieser Wahlperiod­e. Dass er Verkehrsmi­nister wurde, war auch seiner Bereitscha­ft geschuldet, das heiße Eisen überhaupt anzupacken. Sein Vorgänger Peter Ramsauer (CSU) hatte seinen Parteichef Seehofer stets vor den Fallstrick­en einer Maut gewarnt, die am Ende nur Autofahrer aus dem Ausland belastet.

Die CSU steht einmal mehr als die Partei da, die mit dem Kopf durch die Wand möchte und sich dabei Blessuren zuzieht. Während die Maut nun vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f landet, prüfen die Verfassung­srichter in Karlsruhe gerade das auch von der CSU gegen viele Widerständ­e bundesweit durchgeset­zte Betreuungs­geld. Dobrindt wird nicht klein beigeben und vor allem um seine Maut kämpfen. Mit der EU kündigte er „harte Auseinande­rsetzungen“an.

Sein politische­s Schicksal ist mit dieser Maut verknüpft. Mit der Übernahme des Verkehrsmi­nisteriums geriet er sehenden Auges in die unangenehm­e Lage, Vorgaben des Koalitions­vertrags zu erfüllen, die von Anfang an als Quadratur des Kreises galten.

Es war allen Beteiligte­n von Anfang an klar, dass die EU eine Maut, die einseitig nur Ausländer zur Kasse bittet, als Verstoß gegen das innerhalb der Europäisch­en Union geltende Gleichbeha­ndlungsgeb­ot aller Bürger auffassen würde. Dobrindt entschloss sich zu dem juristisch­en Kniff, die Belastung durch die Maut für alle festzuschr­eiben, inländisch­en Fahrzeugha­ltern zugleich die Entlastung über die Kfz-Steuer zu gewähren. Seine Argumentat­ion: „Was wir mit der Kfz-Steuer machen, ist ausschließ­lich nationale Hoheit, Brüssel hat da keine Kompetenz.“

Allerdings klafft in Dobrindts Argumentat­ion eine Lücke zwischen der juristisch­en und der politische­n Interpreta­tion rund um die Maut. Die große Ko-

„Wir verhalten uns rechtsstaa­tlich und werden eine Gerichtsen­tscheidung abwarten“

Alexander Dobrindt (CSU)

Bundesverk­ehrsminist­er

Newspapers in German

Newspapers from Germany