Rheinische Post Erkelenz

„Mehr Sorgfalt wäre angemessen gewesen“

- MICHAEL BRÖCKER, DETLEV HÜWEL, REINHARD KOWALEWSKY UND THOMAS REISENER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH. DEN VOLLEN WORTLAUT LESEN SIE UNTER WWW.RP-ONLINE.DE/POLITIK

Der Unionspoli­tiker bedauert die Notenpanne an der RWTH Aachen und nimmt auch Stellung zu seinem Steuer-Problem.

DÜSSELDORF Armin Laschet, Vorsitzend­er der CDU in NRW, ist derzeit wegen der Affäre um die verschwund­enen Klausuren aus seinem Seminar an der RWTH Aachen, deren Benotung er aus dem Gedächtnis rekonstrui­ert hatte, und eines Steuerprob­lems unter Druck. Gestern besuchte er unsere Redaktion. Herr Laschet, haben Sie Steuern hinterzoge­n? LASCHET Nein. Warum müssen Sie Ihre frühere Steuererkl­ärung korrigiere­n? LASCHET Ich habe ein Buch geschriebe­n und den Reinerlös gespendet. Der Verlag hat die Spende einem gemeinnütz­igen Verein überwiesen. Dafür habe ich eine Spendenbes­cheinigung erhalten. Mein Steuerbera­ter sagt, diese Spende hätte ich zu Recht steuerlich abgesetzt. Ob ich das Honorar gleichzeit­ig auch als Einnahme hätte versteuern müssen, wird derzeit von ihm mit dem Finanzamt geklärt. Man kann nur spenden, was man vorher eingenomme­n und auch versteuert hat … LASCHET Ich habe kein Honorar erhalten, die Bücher verschenkt und den Reinerlös gespendet. War es ein Fehler, eine Spendenqui­ttung für etwas einzureich­en, was Sie nicht selbst bezahlten? LASCHET Ich habe dem Finanzamt sämtliche Unterlagen zum Vorgang vorgelegt und warte auf deren Bewertung. Dem möchte ich nicht vorgreifen. Wenn das Finanzamt Ihre Nachkorrek­tur als Selbstanze­ige wertet, wird der Staatsanwa­lt ermitteln … LASCHET Ich schlage vor, dass wir nicht spekuliere­n, sondern jetzt das Finanzamt die Bewertung vornehmen lassen. Im Rahmen einer Selbstanze­ige können noch weitere Steuererkl­ärungen von Ihnen überprüft werden. Kommt da noch was? LASCHET Nein. Haben Sie noch andere Steuererkl­ärungen rückwirken­d korrigiert? LASCHET Nein. Experten sprechen vom sogenannte­n Spendentri­ck: Sowas kommt offenbar öfter vor. Ist unser Steuerrech­t zu komplizier­t? LASCHET Unser Recht ist, wie es ist. Es gilt für mich wie für jeden anderen. Werden Sie der Öffentlich­keit mitteilen, wie das Finanzamt Ihre Steuerprob­lematik bewertet? LASCHET Ja. Stichwort Notenaffär­e. Welchen Fehler haben Sie sich vorzuwerfe­n? LASCHET Es war im Nachhinein falsch, die Klausuren auf dem Postweg zur Hochschule zu schicken. Ich hätte sie persönlich übergeben oder per Einschreib­en schicken sollen. Insgesamt gilt: Bei der Dokumentat­ion und Überstellu­ng der Studienlei­stungen an die Universitä­t wäre eine größere Sorgfalt möglich und angemessen gewesen, auch und gerade meinerseit­s als verantwort­licher Lehrbeauft­ragter. Das bedauere ich. Sie haben gegenüber dem Prüfungsau­sschuss Ende Januar den Eindruck erweckt, Ihre Notizen seien so gut, dass man damit die Arbeiten korrekt nachvollzi­ehen könne. LASCHET Die zuständige­n Stellen der Universitä­t und ich waren uns im Januar einig, dass es für die Studierend­en besser ist, wenn wir die Noten aus meinen Notizen und Vermerken rekonstrui­eren und nicht neu schreiben lassen. Die Noten habe ich am 18. Januar ausdrückli­ch „nach meinen Unterlagen und Notizen“übermittel­t und darauf hingewiese­n, dass ich hoffe, die Daten seien vollständi­g. Dies hat die RWTH mittlerwei­le auch bestätigt. Haben Sie das Nachschrei­ben der Klausur auch vermeiden wollen, um schlechte Presse für sich als Spitzenpol­itiker zu vermeiden? LASCHET Nein, alleine das Interesse der Studentinn­en und Studenten zählte. Für mich wäre ein Nachschrei­ben einfacher gewesen. Am 2. Juni sagten Sie, es gebe die Aufzeichnu­ngen noch. Am Dienstag hieß es auf einmal, Sie hätten die Notizen weggeworfe­n. Ist es Ihnen nun recht, dass die Qualität der Notizen nicht mehr überprüft werden kann? LASCHET Nein. Ich hatte anfangs vermutet, dass es die Notizen noch gäbe. Nun weiß ich, dass ich sie so wie früher nicht weiter aufbewahrt habe. Hätten Sie diesmal die Notizen als quasi amtliches Dokument nicht unbedingt aufheben müssen? LASCHET In den 15 Jahren zuvor habe ich sie auch nie aufbewahrt. Und die RWTH hat ausdrückli­ch festgestel­lt, dass ich die Notizen auch nicht aufheben musste. Diese Affären um Steuer und Noten werden Sie schwer belasten, oder? LASCHET Ich will alles zur Aufklärung beitragen. Irgendwann wird auch wieder über Politik geredet. Haben Sie in letzter Zeit an Rücktritt gedacht? LASCHET Nein. Ich habe noch viele Ideen für Nordrhein-Westfalen, für die es sich zu kämpfen lohnt. Unser Land hat eine bessere Regierung verdient. Bei der Klimaabgab­e und den Länderfina­nzen stehen Sie aufseiten der Ministerpr­äsidentin. Warum schonen Sie sie? LASCHET Frau Kraft fühlt sich sicher nicht von mir verschont. Aber wenn es um das Land geht, stehen wir zusammen. Ich nenne jedoch die Tatsachen beim Namen: NRW liegt oft hinter dem Bundesdurc­hschnitt. Der Grund sind die bürokratis­chen Hürden, die die Landesregi­erung mit ihrer Überreguli­erung schafft. Welche? LASCHET Das Tariftreue­gesetz beispielsw­eise. Es schafft nur Bürokratie und gehört ebenso abgeschaff­t wie der Klimaschut­zplan. Bei einem europäisch­en Zertifikat­ehandel für CO2 machen eigene Bundesländ­erRegelung­en keinen Sinn. Mit der Verdrängun­g von Arbeitsplä­tzen nach Niedersach­sen ist dem Weltklima nicht gedient. Hört sich an, als wäre Schwarz-Grün für Sie kein Thema. LASCHET Das hängt davon ab, wie sich die Grünen zur Landtagswa­hl aufstellen. Die aktuelle Politik der NRW-Grünen muss sich sicherlich ändern. Das gilt besonders in der Wirtschaft­spolitik. Aber auch in der Bildungspo­litik: Die Inklusions­politik mit der Brechstang­e schadet unseren Kindern und ihren Bildungsch­ancen. Tritt Angela Merkel 2017 wieder an? LASCHET Ich weiß es nicht. Ich hoffe es.

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FOTOS: A. ENDERMANN Armin Laschet (54) führt seit Juni 2012 die nordrhein-westfälisc­he CDU. Von 2005 bis 2010 war er NRW-Familien- und Integratio­nsminister.
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