Rheinische Post Erkelenz

Der beste Sprinter will noch zur Tour

- VON MARTIN BEILS

Marcel Kittel hat in den vergangene­n beiden Jahren acht Etappen der Tour de France gewonnen. Am Sonntag fällt die Entscheidu­ng, ob er auch in diesem Jahr dabei ist. Eine Virusinfek­tion hatte ihn aus dem Tritt gebracht.

GUMMERSBAC­H Heiner Brand, Handball-Legende und Hobbyradsp­ortler, ist da, um den Startschus­s zu geben. Der achtmalige Tour-deFrance-Etappensie­ger Rudi Altig ist nach Gummersbac­h gekommen. Genauso Didi Senft, der es im Teufelskos­tüm als Begleiter der Frankreich­rundfahrt zu gewissem Ruhm gebracht hat. Marcel Kittel fühlt sich

Marcel Kittel unter den Prominente­n am Start des Radrennens „Rund um Köln“sichtlich wohl. Ein bisschen Geplauder hier, ein paar Selfies mit Zuschauern dort, etwas Smalltalk mit den Kollegen. Mit seiner Größe von 1,88 Meter und seiner kräftigen Statur fällt er im Kreis der Radrennfah­rer auf.

Kittel genießt den Besuch im Oberbergis­chen auch deshalb, weil er endlich wieder das tun darf, was er am liebsten macht und am besten kann: Rennen fahren. Kittel hat Rückstand, weil ihn im Frühling eine hartnäckig­e Virusinfek­tion plagte. Ihm fehlen vor allem die Rennkilome­ter in hohem Tempo. Deshalb betreibt er jetzt seine persönlich­e Aufholjagd. Er hat sich ein Höhentrain­ing in der spanischen Sierre Nevada gegönnt. In Köln gewann der den Sprint des Hauptfelds. Diese Woche fährt er in den Niederland­en. Und am Sonntag entscheide­n er und die Leitung seines Teams Giant-Alpecin, ob er bei der Tour de France zum neunköpfig­en Aufgebot seiner Equipe gehören wird.

Acht Teilstücke der Frankreich­Rundfahrt hat der Thüringer in den vergangene­n beiden Jahren gewonnen. Erik Zabel hat als einziger deutscher Rennfahrer eine bessere Ausbeute. Hätte Kittel seine Erfolge zehn oder 15 Jahre frühere feiern können, wäre er ein umschwärmt­er Star des deutschen Sports gewesen. Doch seine Erfolge fallen in die Zeit, in der der Radsport – durchaus selbstvers­chuldet – hierzuland­e unter einem katastroph­alen Image litt. Jetzt kommt der Radsport langsam wieder in Fahrt. Die anstehende Tour wird in Deutschlan­d mehr Interesse auf sich ziehen als ihre Vorgängeri­nnen. Weil der Start am 4. Juli im niederländ­ischen Utrecht, und damit nur 100 Kilometer jenseits der Grenze stattfinde­t. Und weil die ARD wieder überträgt. Mit 28 Jahren ist Kittel noch jung genug, um von einem neuerliche­n Aufschwung zu profitiere­n. Sechs, sieben gute Rennfahrer­jahre dürften noch vor ihm liegen. Nur ein Rückfall der Sportart in alte, noch nicht ganz überwunden­e Doping-Zeiten darf nicht passieren. Dass die Gefahr besteht, weiß Kittels Teamkamera­d John Degenkolb. „Man darf nicht erwarten, dass der Radsport jemals ganz ohne Betrüger sein wird. Die gibt es auch in allen anderen Sportarten. 100 Prozent dopingfrei­er Sport ist eine Illusion“, sagte der 26 Jahre alte Thüringer bei „tonline.de“. Degenkolb ist mit Siegen bei Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix der überragend­e Fahrer der abgelaufen­en Klassiker-Saison. Sein Ziel für diese Tour de France ist es, endlich eine Etappe zu gewinnen.

Degenkolb, Kittel und Zeitfahrsp­ezialist Tony Martin haben einen Pakt geschlosse­n. Sie stehen in Sachen Doping für eine Nulltolera­nzPolitik. Degenkolb: „Wer uns nicht glaubt, kann jederzeit gerne zu uns zum Training kommen und sich davon überzeugen, dass wir es ehrlich meinen.“

Wie für praktisch alle Spitzenfah­rer hat die Tour de France für Kittel Priorität. Doch er hat auch noch ein anderes großes Ziel: die Olympische­n Spiele im kommenden Jahr in Rio de Janeiro. Die Strecke dort ist sehr anspruchsv­oll. „Ich überlege, ob ich meinen Urlaub im Herbst nach Rio verlege, um mir das mal anzuschaue­n“, sagt Kittel, „dann kann ich abwägen: Traue ich mir zu, was zu reißen – oder kann ich in einer Helferroll­e im deutschen Team – zum Beispiel für John – mehr bewirken? Der liebt solche Rennen.“

„Ich überlege, meinen Urlaub in Rio zu verbringen und die Olympiastr­ecke anzuschaue­n“

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FOTO: DPA Marcel Kittel im Mai bei einem Rennen in Antwerpen.

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