Zwetschgendatschikomplott
Und so informier ich sie kurz und knapp über meinen Ermittlungsstatus, was sie durchaus wohlwollend entgegennimmt. „Wenn Gustl tatsächlich stimmt, dann wird er wohl Gustav heißen“, sagt sie.
„Das denke ich auch“, sag ich und öffne die Autotür.
„Dann mach ich mich morgen früh am besten erst mal an die Mercedeshalter, die Gustav heißen.“
„Schau zuerst mal bei den älteren Modellen nach, vermutlich ist es ein Oldtimer.“
„Also ein Gustav mit einem Mercedes Oldtimer, das dürfte dann ja wohl ein Kinderspiel sein“, sagt sie noch, und dann legen wir auf. Ich lass den Motor an und versuch auch beim Birkenberger Rudi mein Glück, kann ihn aber leider nicht erreichen. Drum mach ich mich auf den Weg nach Niederkaltenkirchen. Mal sehen, was heute wieder auf dem Plan steht in diesem absoluten Wahnsinnskaff. Bevor ich endgültig heimfahr, schau ich aber noch kurz in Landshut vorbei. Genauer im Krankenhaus. Schließlich muss ich ja wissen, wie sich der Genesungszustand unseres alten Mädchens entwickelt. Der nette Pfleger von gestern ist auch wieder da, ich treff ihn direkt im Korridor, und drum kann ich ihn prima nach dem Stand der Dinge fragen. Die Oma ist wieder fit wie ein Turnschuh, sagt er, und ihr Sohn sei auch bereits auf dem Weg, um sie nach Hause zu holen. Ihr Sohn? Das wäre ja praktisch mein Papa. Das ist aber jetzt echt allerhand! Weil Dienstleistungen dieser Art, grad was die Oma betrifft, normalerweise ganz klar mein Ressort sind. So geh ich lieber gleich mal zu ihr rein.
„Servus, Oma“, sag ich, wie ich reinkomm. Sie hockt auf ihrem Krankenbett, hat die Hände im Schoß und lässt ihre kurzen Haxerln in der Luft baumeln. Ganz flüchtig schaut sie mich an, nur einen kleinen Moment lang, dann aber wendet sie sich gleich wieder ab. Ich hock mich mal daneben, nehm ihren Kopf zwischen meine Hände und drehe ihn so rum, dass sie mich ansehen muss. „Oma, wenn du mit dem Papa heimfahren willst, bist du vor Mitternacht nicht daheim, jede Wette. Du weißt, er fährt höchstens fuchzig und meistens noch nicht mal das. Willst du dir das wirklich antun?“
Ein bisschen bockig zuckt sie mit den Schultern. Ich warte. „Ja, meinetwegen“, sagt sie nach einer Weile. „Aber reden tu ich kein Wort mit dir, nur dass das klar ist.“
Na, also! Und nachdem sie sich von ihrem Pfleger noch recht artig verabschiedet und ihm ausgiebig die Wange geschlenzt hat, lässt sie sich sogar noch zu einem Trinkgeld hinreißen. Sie macht ihren Geldbeutel auf, kramt das ganze Kleingeld hervor, drei Zehnerl, zwei Fünferl und sieben Cent und mit einem gnädigen Augenzwinkern drückt sie ihm schließlich die Münzen in die Hand. Trotzdem lächelt er freundlich.
„Aber nicht alles auf einmal ausgeben“, sag ich noch so, und schon sind wir weg.
Auf der Heimfahrt verliert sie tatsächlich kein einziges Wort, starrt nur trotzig wie ein Kleinkind, das keinen Lutscher abgekriegt hat, durchs Seitenfenster hindurch, und kaum dass wir in den Hof reinfahren, reißt sie auch schon die Autotür auf. Sie springt schweigend aus dem rollenden Wagen, und auch beim Abendessen später kein einziges Wort. Sie hockt mir nur mürrisch und schweigsam gegenüber und mampft in sich rein. Eine Stimmung ist das hier wie auf einer Kremess, unglaublich. Es gibt Salami mit Essiggurken, Salami mit Senf, Salami mit alten Semmeln und Salami mit getrockneten Tomaten. Ihren depperten Abwasch kann sie heute schön alleine machen. Stattdessen schnapp ich mir lieber den Ludwig und wir drehen unsere Runde. Wie immer läuft er brav vor mir her, bleibt aber heute sogar das eine oder andere Mal stehen und wartet auf mich. Dann drückt er mir nur kurz den Kopf gegen den Schenkel und läuft friedlich weiter. Treuer Kamerad, wirklich! Um neun ruft der Papa dann an und fragt, was zum Teufel eigentlich los ist. Um halb elf ist er endlich zu Hause, allerdings ist seine Laune ziemlich im Arsch. Er isst den Rest von der Salami ganz ohne alles und murmelt dabei ständig irgendwas von Scheißfahrerei . . . völlig umsonst . . . miese Sippschaft, die ihm echt tierisch auf die Eier geht. So brech ich hier lieber ab und geh in meinen Saustall rüber. Am nächsten Tag in der Früh ruft der Rudi an, grad wie ich mit meiner schweigsamen Verwandtschaft am Frühstückstisch hock. Ob ich vielleicht mal kurz dort in Freiham vorbeischauen kann, will er wissen. Am besten gleich, noch bevor ich ins Büro reinfahre. Er hat eine Überraschung für mich, sagt er. Und obwohl ich Überraschungen jeglicher Art ein ganz natürliches Misstrauen entgegenbringe, lass ich mich am Ende doch überreden. Wie ich eineinhalb Stunden später dort aufschlag, kann ich den Rudi sofort erkennen. Er steht da mit ausgebreiteten Armen auf einem Berg voll Aushub und Erde und strahlt von einem Ohr bis rüber zum andern. Ich steig mal aus, mach die Autotür zu, lehn mich gegen den Wagen und schau zu ihm rauf. So muss wohl der liebe Gott ausgesehen haben am siebenten Tag nach Vollendung seines Werkes. „Hier werde ich wohnen“, ruft er zu mir runter. „Und? Was sagst du?“„Nobel, nobel, und wann kommen die Möbel?“, frag ich zurück. „Ja, das war klar! Dass du dich nicht einfach mal mit mir freuen kannst“, knurrt er vor sich hin und kommt von seinem Hügel runter. „Warum soll ich mich da freuen, Rudi?“, sag ich, weil ich’s wirklich nicht weiß. „Du stehst da auf einem Haufen von Dreck und Geröll, breitest die Arme aus und sagst mir, dass du hier wohnen wirst.“„Ja, nicht gleich natürlich. Wenn es fertig ist.“„Und wann ist es fertig?“„Im März.“„In welchem März?“, frag ich und schau mich so um. „Zwo-sechzehn. Im März.“„Im März, ja, ja, das hast du schon gesagt. Also in knapp eineinhalb Jahren, verstehe. Und da hast du dich jetzt schon mit deinem Vermieter . . .“„Nein“, unterbricht er mich gleich. „Kein Vermieter. Keine Miete. Kein Makler. Keine Provision. Das ist ja der Knaller, Franz. Ich habe gekauft, direkt beim Bauträger. Hab gestern den ganzen Nachmittag mit ihm verbracht. Er hat mir einen Hammerpreis gemacht, sag ich dir. Und das Beste ist, nächste Woche geht’s auch schon zum Notar“, sagt er weiter und streckt erneut seine Arme zum Himmel.
(Fortsetzung folgt)