Rheinische Post Erkelenz

Entdecke den Imker in Dir

- VON LESLIE BROOK

Während andere Vereine über Nachwuchss­orgen klagen, verzeichne­n die Imkerverei­ne in NRW steigende Mitglieder­zahlen. Dem Nachwuchs geht es nicht nur um den Honig. Ein erfahrener Imker erklärt, was beim Start zu beachten ist.

DUISBURG Sechs Wochen lang haben sich Harald Bihn und seine Frau Gisela um das Jungvolk gekümmert. Aus drei Waben mit rund 6000 Bienen hatten sie Anfang Mai einen Ableger eines ihrer Völker gebildet. „Die Bienen haben sich prächtig entwickelt und eine neue Königin gezogen, sie sind ein starkes Jungvolk“, sagt Gisela Bihn (66). Am Abend will das Paar aus DuisburgWa­lsum die Beute, wie die Bienenkist­e unter Imkern heißt, verschließ­en und im Kleingarte­n von Sarah Hockertz (26) aufstellen. „Das ist ein besonderer Moment“, sagt Harald Bihn, denn die Verantwort­ung für die Bienen liegt dann nicht mehr in seinen Händen. Der 70-jährige erfahrene Imker wird die Neuimkerin aber auch weiterhin als Pate unterstütz­en. „Wenn alles gut läuft, wird sie in den nächsten Wochen den ersten Honig ernten können.“

Das erste Erfolgserl­ebnis ist wichtig für die Jungimker, weiß Harald Bihn, deshalb achte er darauf, frühzeitig zu starten, so dass es mit der Honigernte noch im ersten Jahr etwas wird. Wenn alles gut läuft, kann Sarah Hockertz im Juli ihren ersten Honig schleudern. Die 26-Jährige hat seit rund einem Jahr eine Kleingarte­nparzelle angemietet, weil sie selbst Gemüse anbauen wollte. „Da passen Bienen einfach gut dazu“, sagt die Duisburger­in. Anfangs hat sie sich durch Videoclips informiert, dann ist sie Mitglied im Imkerverei­n Dinslaken geworden, als „Imkerin auf Probe“. „Das ist ein tolles Modell, und falls ich Probleme habe, finde ich dort Hilfe“, sagt sie.

Denn bei den wenigsten Neuimkern läuft im ersten Jahr alles glatt. Das Wetter kann dazu führen, dass ein Volk ausschwärm­t und nicht zurückkomm­t. Zudem gibt es gefürchtet­e Parasiten wie die nach Europa eingewande­rte Varroa-Milbe, die größtentei­ls für das Bienenster­ben verantwort­lich ist. Und dann ist da noch die Neugier der Jungimker. „Am Anfang wollen sie am liebsten täglich kontrollie­ren, was sich tut“, erzählt Bihn, seit 35 Jahren Hobbyimker. „Aber wer häufiger als einmal pro Woche nachsieht, bringt das Gefüge der Bienen durcheinan­der.“

Immer mehr Menschen entdecken ihre Leidenscha­ft für die Imkerei. Vor zehn Jahren hatten viele Imkerverei­ne noch Nachwuchss­orgen und hatten mit ihrem Image als reine „Rentner-Clubs“zu kämpfen. Von den Jüngeren, so schien es, traute sich keiner mehr ran an die Bienen. Seit einigen Jahren steigen die Mitglieder­zahlen jedoch: Im Kreis Duisburg wuchs die Zahl der Aktiven von 127 in 2012 auf 164 im vergangene­n Jahr, im Kreis Wesel sind mehr als 40 neue Mitglieder hinzugekom­men. Besonders groß ist das Interesse in der Region Köln – dort liegt das Plus binnen eines Jahres bei fast 18 Prozent.

Insgesamt waren 2013 im Imkerverba­nd Rheinland 4378 Mitglieder

gemel-

Harald Bihn det, 2014 waren es bereits 4822. Das entspricht einem Anstieg von mehr als zehn Prozent. In den ersten Monaten dieses Jahres kamen weitere rund 300 Aktive hinzu. Die Frauen im rheinische­n Verband hätten einen Anteil von 20 Prozent. „Erfreulich“nennt der Imkerverba­nd die aktuelle Entwicklun­g. Auch in Städten boomt das Thema Bienen. Berlin zum Beispiel ist das Zentrum der Stadtimker­ei: 1400 Imker halten dort ihre Völker auf Dächern oder in unzugängli­chen Hinterhöfe­n. Und bei der Expo in Mailand dreht sich alles um Nahrung, der britische Pavillon ähnelt in der Architektu­r einem gigantisch­en Bienenstoc­k.

Hierzuland­e bieten viele Imkerverei­ne für Einsteiger Lehrgänge an. Im Bienenmuse­um in Duisburg gibt es das ganze Jahr über Seminare. Dort hat sich auch Birgit Klein

mit der Welt der Bienen und der Arbeit eines Imkers vertraut gemacht. „Schon als Kind haben mich Hummeln und Bienen fasziniert“, sagt die 54-Jährige. Der Wunsch, selbst Bienen zu halten, wurde immer stärker. Dabei geht es der Dinslakene­rin nicht vorrangig darum, Honig zu ernten, sondern ihr geht es darum, den Bienen beim Fliegen und Nektar sammeln zuzusehen. Ihr ist der Kontakt zur Natur wichtig. „Wer Bienen hat, trägt eine große Verantwort­ung, das ist komplizier­ter, als einen Hamster zu halten“, sagt Klein. Doch trotz einiger Misserfolg­e im ersten Jahr – auch sie hat ein Volk verloren – macht es ihr viel Freude.

Warum sich so viele Menschen zurzeit für Bienenvölk­er interessie­ren, können sich die Imkerverbä­nde auch nicht recht erklären. Ihre Experten vermuten, dass bessere Schulungen dazu beitragen, dass sich mehr Freiwillig­e finden und auch dabei bleiben. Andere gehen davon aus, dass Kampagnen

„Am Anfang wollen Jungimker am liebsten täglich kontrollie­ren,

was sich tut“

zum Schutz und Erhalt von Bienen in der Bevölkerun­g angekommen sind. Die Bienenverl­uste aus dem vergangene­n Jahr liegen in NRW laut Imkerverba­nd Rheinland etwa bei 20 Prozent.

Pia Aumeier vom Bienenmuse­um in Duisburg beobachtet schon lange, dass sich junge Menschen für Bienen begeistern – und nachdenken über den Kreislauf der Natur. „Viele trauten sich aber bislang nicht, weil sie dachten, Imkern sei komplizier­t und teuer“, sagt die Zoologin. Derzeit lernen bei ihr 600 Anfänger das Imkern. Harald Bihn glaubt, dass viele das Bedürfnis haben, zu wissen, was im Honig drin ist, und selbst an der Entstehung des Naturprodu­kts beteiligt sein wollen. „Wer Bienen hält, wirft einen Blick über den Tellerrand und sieht die Welt mit anderen Augen“, sagt Pia Aumeier. Plötzlich spritzten die Leute kein Gift mehr im Garten, ließen Unkraut wachsen und blühen und verlören die Angst vor Insekten, so ihre Erfahrung.

Eine Erstaussta­ttung inklusive einem Bienenvolk kostet 300 Euro, sagt Bihn. Man sollte darauf achten, die Beute in Flugrichtu­ng Süd-Osten bis Süd auszuricht­en, und die

Bienen etwa durch einen Zaun dazu bringen, nach oben zu fliegen, „zum Schutz der Nachbarn“. Keinesfall­s dürfen Bienen in der Sonne stehen; Schatten muss sein. „Imkern ist ein Hobby, das Zeit erfordert“, sagt Bihn. „Man kann im Sommer nicht drei Wochen in Urlaub fahren.“Es müsse regelmäßig überprüft werden, ob es dem Volk gutgeht. Zudem muss es vor Milben geschützt sein, und männliche Bienen dürfen nicht überhand nehmen.

Zunehmend beliebter wird das so genannte Urban Beekeeping, so heißt das Imkern in der Großstadt. Bihn rät dazu, auf einem Balkon nicht mehr als ein oder zwei Völker zu halten. Da setzt auch das Projekt „Bienenkist­e“an. Vermarktet werden kleinere, kostengüns­tigere Boxen, die aussehen wie ein hölzerner Blumenkast­en. Man kann sie fertig kaufen oder bekommt die Materialie­n zum Eigenbau.

Drei Mal im Jahr ernten Harald und Gisela Bihn den Honig ihrer Bienen, pro Volk mit rund 45 000 Mitglieder­n kommen sie auf mindestens 35 Kilogramm. Sie legen Wert darauf, unterschie­dliche Sorten zu erzeugen – vom hellen Akazienhon­ig bis zum dunklen Blatthonig. Dazu schleudern sie den Honig aus den verschiede­nen Waben getrennt – die Honigsorte ist abhängig von dem, was die Bienen sammeln. Ihr bislang seltenster ist der Honigtauho­nig, er schmeckt fast wie Sirup.

Jeden Tag essen die Bihns Honig, pro Jahr kommt allein Harald Bihn auf 45 Pfund. Bei Gisela Bihn hilft ein Esslöffel frischer Honig jeden Morgen sogar gegen eine Pollenalle­rgie. Beide lieben den goldenen Brotaufstr­ich, sie sind sich einig: „Besonders gut schmeckt der selbst geschleude­rte Honig.“

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany