Rheinische Post Erkelenz

Nächstenli­ebe endlich globalisie­ren!

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Im 19. Jahrhunder­t haben sich viele Millionen Europäer auf den Weg über den Atlantik gemacht, um in Amerika ein neues, besseres Leben zu beginnen. Die Menschen, unter ihnen viele Deutsche, flohen vor Perspektiv­losigkeit und Armut, vor Militärdie­nst und Unrecht.

Heute ist Europa zum Anziehungs­punkt geworden. Aus denselben Gründen, aus denen Europäer vor 150 Jahren auswandert­en, kommen heute Frauen, Männer und Kinder zu uns. Nicht alle sind politisch verfolgt, nicht alle fliehen vor einem Krieg, aber alle sind getrieben von Not und verzweifel­ter Hoffnung.

Der Vergleich zeigt: Migration ist Kennzeiche­n einer jeden Epoche und ein zutiefst menschlich­er Vorgang, den wir nicht einfach ausbremsen oder abwenden können. Amerika blühte unter dem Einfluss der vielen Millionen Migranten aus

23 000 Flüchtling­e starben seit dem Jahr 2000 im Mittelmeer. Ihrer wurde gestern mit 23 000 Glockensch­lägen im Erzbistum Köln gedacht. Europa darf sich nicht vor Migration abschotten, sondern muss eine Willkommen­skultur entwickeln.

Europa auf, und auch Europa wird kulturell und demografis­ch profitiere­n.

Es ist ein ungeheurer Missstand, dass Menschen bei dem Versuch zu migrieren, heute tausendfac­h ihr Leben lassen müssen. 23 000 Flüchtling­e starben seit dem Jahr 2000 im Mittelmeer. Für sie läuteten gestern im ganzen Erzbistum Köln Kirchenglo­cken. Ein Glockensch­lag für jedes Fluchtopfe­r, 23 000 Schläge.

Wie wir in Matthäus 2,13-15 lesen, war Jesus als kleines Kind selber ein Flüchtling. Er und seine Eltern mussten nach Ägypten fliehen, um Herodes zu entkommen. Als Christen sind wir aufgerufen, im Fremden den willkommen­en Gast und neuen Nachbarn zu erkennen.

Im 19. Jahrhunder­t war Amerika ein verheißung­svolles Ziel, heute ist es Europa. Doch während in Amerika die Einwandere­r auf Liberty Island von der Freiheitss­tatue begrüßt wurden, schottet sich Europa ab. Was für ein Irrsinn! Wir brauchen endlich eine Willkommen­skultur und legale und sichere Möglichkei­ten, nach Europa einzureise­n.

Gleichzeit­ig muss die Situation der Menschen in den ärmsten Ländern der Welt verbessert werden. Gerade die gut ausgebilde­ten Flüchtling­e fehlen ihren Heimatländ­ern.

Kirchliche Hilfswerke wie Caritas internatio­nal, Misereor und Brot für die Welt tragen zwar zu einer Verbesseru­ng von Lebensumst­änden vor Ort bei. Migration wird es trotzdem immer geben – sie ist ein Menschenre­cht.

Und für die hier ankommende­n Menschen sollte spürbar sein: Nächstenli­ebe endet nicht an den Zäunen und im Wassergrab­en Südeuropas; wir müssen Nächstenli­ebe endlich globalisie­ren.

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