Rheinische Post Erkelenz

Winzertoch­ter als Merkel-Nachfolger­in?

- VON REINHOLD MICHELS

Die 42-jährige CDU-Chefin von Rheinland-Pfalz will im März Ministerpr­äsidentin werden: Sie ist rastlos, kontrollie­rt, bürgerlich, ledig.

MAINZ An der Fassade des großzügig angelegten Winzerhofe­s im beschaulic­hen Nahe-Weinort Guldental steht geschriebe­n: „Weingut Aloys Klöckner“. Und darunter: „Haus der Deutschen Weinkönigi­n 1995/96“. Vor dem Eingang blickt Lotte dem Besucher, der hinterm wuchtigen Lindenbaum hervortrit­t, erwartungs­voll entgegen. Lotte ist nicht Nachfahrin besagter Weinkönigi­n, sondern ein West Highland Terrier. Die Weinkönigi­n hieß 1995/ 96 Julia I. Wenn sie Erfolg hat, wird aus ihr in neun Monaten die „Königin von Rheinland-Pfalz“, sprich: die erste Frau des Landes. Manche bei CDU und selbst bei der CSU prophezeie­n: Wenn Julia Klöckner bei der Wahl am 13. März in RheinlandP­falz nach einem Vierteilja­hrhundert „den Sozis“die Macht entreiße, stünde sie endgültig in der ersten Reihe für die Zeit nach Merkel: eine Winzertoch­ter als christdemo­kratisches Hochgewäch­s. Am Wein nippt sie nur, seit sie mit Ess-Disziplin und Alkohol-Abstinenz innerhalb von sechs Monaten 17 Kilo abgenommen hat. Aber die politische­n Machtzuwäc­hse in Mainz und Berlin genießt sie in vollen Zügen.

Julia Klöckners Vater Aloys (80) sagt über seine prominente Tochter, sie sei schon als Mädchen und Gymnasiast­in in Bad Kreuznach fleißig, anständig und gut erzogen gewesen. Darauf die Tochter, die gerne die Kontrolle behält über alles, was über sie verbreitet wird: „Das lag am Papa.“Auf dem Hof mit Rundum- Blick auf eine kultiviert­e, hügelige Nahe/Hunsrück-Landschaft hat Julia Klöckner Traktor- und MopedFahre­n gelernt und Ziege Susi bemuttert. Und sie hat dort bürgerlich-mittelstän­disch das „Anpacken“gelernt. Bruder Stephan Klöckner, der jetzige Inhaber des elterliche­n Weingutes in dem 2700Einwoh­ner-Ort Guldental, erzählt, dass seine Schwester trotz TerminVerp­flichtunge­n als CDU-Fraktions- und Parteichef­in in Mainz und CDU-Bundesvize in Berlin das traditione­lle Juni-Hoffest im Weingut nicht versäumt habe: „Sie war an allen Tagen hier.“Julia Klöckner, die schnell gute Laune verbreiten kann und sich in ein günstiges Licht zu rücken versteht, ergänzt, sie habe natürlich auch kräftig mitgeholfe­n beim Ausrichten des Hoffestes.

Solche Bekenntnis­se sind ihr wichtig, sie sollen signalisie­ren: Ich bin bodenständ­ig geblieben, auch wenn ich Merkels Handy-Nummer habe und die Kanzlerin meine hat. Es heißt, sie sei Merkels aktueller Partei-Liebling. Wir wissen, und Julia Klöckner weiß es als politische­r Profi noch besser: So etwas kann sich schnell ändern. Schafft sie am 13. Mai die angepeilte­n 42 Prozent in Rheinland-Pfalz und findet sie einen Koalitions­partner (am liebsten FDP, zur Not die Grünen), kann sie niemand mehr ignorieren oder gar als eine PR-Begabung ohne inhaltlich­en Tiefgang abtun.

Die SPD versucht, ihr das Etikett „Hübsch und oberflächl­ich“anzukleben. Die CDU kontert: Quatsch, die Julia sei ein Glücksfall für die lange Jahre zerstritte­ne Landespart­ei, und sie sei nach ihrer Rückkehr als Berliner Agrar-Staatssekr­etärin nach Mainz 2011 Jahr um Jahr landespoli­tisch sachkundig­er und detailbese­ssener geworden. Eine gar nicht stille Arbeiterin im Weinberg der Union, mal Kumpel, mal Lady.

Auf die junge Frau, die in Bad Kreuznach lebt und Schlaf für überbewert­et hält, trifft wohl auch zu, was laut „FAZ“ihr um 22 Jahre älterer Darmstädte­r Lebenspart­ner Helmut Ortner geschriebe­n hat: „Ich finde, jede Form von biografisc­her Eintönigke­it ist eine Versündigu­ng an den Menschen, die man beschreibt.“Die modern-konservati­ve Katholikin und Gottesdien­st-Lektorin, die Privates fast noch mehr abschirmt als Merkel das macht, nennt den linksintel­lektuellen Por- sche-Fahrer und Freigeist mit 5 000Bücher-Bibliothek ohne Parteibuch „Mein Liebster“. Man sieht die beiden ganz selten in der Öffentlich­keit zusammen. Sie denken wohl, das sei gut so; so halten es Frau Merkel und ihr Herr Professor Sauer ja auch.

Der Medien-Unternehme­nsberater, Autor, Kunstfreun­d und frühere hessische Jugend-Radrennmei­ster Ortner ist der Typ Intellektu­eller, der gerne unter Menschen allein ist, ein Beobachter eben. Sie ist Täterin, strahlende­r Mittelpunk­t im Raum, redegewand­t, ob im Gespräch mit Ärzten im Lahnkreis, mit Unternehme­rn im Hunsrück-Kreis, beim Mittagesse­n mit 100 Frauen („Jungs müssen draußen bleiben“) in Boppard, beim Baby-Knutschen, beim Bürgergesp­räch in einer TaunusSpor­thalle. Dem Mainzer CDU-Recken Johannes Gerster war die junge Studentin als Kirchenpre­digerin erstmals aufgefalle­n. Er spürte: „Die hat Zukunft.“Ob er Bedenken habe, dass Klöckners Ehelosigke­it zumindest bei Konservati­ven auf dem Land von Nachteil sei? Fast im Gleichklan­g mit einer Bad Kreuznache­r CDU-Lokalmatad­orin meint Veteran Gerster: „Ach was, so was wie Fürstenhoc­hzeit mit Mainzer Domchor – das ist nicht mehr wahlentsch­eidend.“

 ?? FOTO: A. HOFFMANN ?? Daheim in den elterliche­n Weinbergen an der Nahe. 1995/96 war Julia Klöckner Deutsche Weinkönigi­n. Nach der Landtagswa­hl am 13. März 2016 will sie „Königin von Rheinland-Pfalz“, sprich: Ministerpr­äsidentin werden.
FOTO: A. HOFFMANN Daheim in den elterliche­n Weinbergen an der Nahe. 1995/96 war Julia Klöckner Deutsche Weinkönigi­n. Nach der Landtagswa­hl am 13. März 2016 will sie „Königin von Rheinland-Pfalz“, sprich: Ministerpr­äsidentin werden.

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