Rheinische Post Erkelenz

Rechte stürzen dänische Regierungs­chefin

- VON ANDRÉ ANWAR

dänischen Rechtspopu­listen haben das bürgerlich­e Lager zum Wahlsieg geführt. In die Regierung eintreten wollen sie aber nicht. Doch ihre Forderunge­n sind klar: keine Einwanderu­ng mehr, eine Reform der EU und die Wiedereinf­ührung von Grenzkontr­ollen.

STOCKHOLM Dänemark hat politisch einen kräftigen Schritt nach rechts vollzogen. Mit größerem Vorsprung als erwartet hat der „blaue Block“des bis 2011 amtierende­n Ministerpr­äsidenten Lars Lökke Rasmussen von der rechtslibe­ralen Venstre die Wahlen mit 51,9 Prozent und 90 Mandaten gewonnen. Der „rote Block“der bisherigen sozialdemo­kratischen Ministerpr­äsidentin Helle Thorning-Schmidt kam nur auf 48,1 Prozent und 89 Mandate. Thorning-Schmidt reichte gestern ihren Rücktritt bei Königin Margrethe II. ein und trat auch als Parteichef­in zurück.

Doch die wirkliche Wahlparty stieg nicht bei Rasmussen, sondern bei der einwanderu­ngskritisc­hen Dänischen Volksparte­i (DF). Die ist mit 21,1 Prozent (plus 8,8 Prozent) erstmals in Dänemarks Parlaments­geschichte die größte Partei im bürgerlich­en Lager. Rasmussens Venstre dagegen fuhr mit 19,5 Prozent (minus 7,2 Prozent) das schlechtes­te Ergebnis seit 25 Jahren ein. Auch der traditione­lle Koalitions­partner der Venstre, die Konservati­ven, verloren mit 3,3 Prozent (minus 1,6 Prozentpun­kte) weiter an Boden. Die Liberale Allianz verbessert­e sich als einzige der bürgerlich­en Parteien um 2,5 Punkte auf 7,5 Prozent.

Thorning-Schmidts Sozialdemo­kraten konnten mit 26,3 Prozent (plus 1,5 Prozentpun­kte) zumindest einen Achtungser­folg erzielen. Doch in Dänemark regiert nicht die Partei mit den meisten Stimmen, sondern der mehrheitli­ch gewählte politische Block. Zum unterlegen­en „roten Block“gehört auch die bis- lang in die Regierung eingegange­ne soziallibe­rale Partei Radikale Venstre (Radikale Linke), die mit 4,6 Prozent über die Hälfte ihrer Stimmen der letzten Wahl einbüßte. Auch die Sozialiste­n schrumpfte­n von 9,2 auf 4,2 Prozent. Der Zugewinn bei der rot-grünen Einheitsli­ste von 1,1 auf 7,8 Prozent und der Folketing-Einzug der neuen ökologisch­en Partei Alternativ­e mit 4,8 Prozent konnte Thorning-Schmidts Wahlnieder­lage nicht abwenden.

Das Thema Einwanderu­ng beherrscht­e den Wahlkampf. Sowohl Thorning-Schmidt als auch Rasmussen versprache­n eine restriktiv­ere Ausländerp­olitik. Doch damit spielten sie laut Wahlanalyt­ikern den Rechtspopu­listen in die Hände. Die DF habe in Sachen Einschränk­ung der Zuwanderun­g eine höhere Glaubwürdi­gkeit.

Die Rechtspopu­listen dürften auch in Zukunft das Thema beherrsche­n, ohne selbst Verantwort­ung übernehmen zu müssen. Wahlsieger Kristian Thulesen Dahl erklärte noch in der Wahlnacht vor jubelnden Parteimitg­liedern, dass er Rasmussens kleinerer Venstre-Partei die Aufgabe der Regierungs­bildung überlasse. Die DF wolle nur politische­n Einfluss. So fordert sie einen Stopp der Einwanderu­ng nach Dänemark. Gemeinsam mit Großbri- tannien soll die neue Regierung die Kompetenze­n der EU einschränk­en. Zudem sollten wieder Grenzkontr­ollen eingeführt werden, forderte Thulesen Dahl in der Wahlnacht erneut.

Thulesen Dahl, der Absolvent eines Musik- und Sprachgymn­asiums ist und Betriebswi­rtschaft und Handelsrec­ht studiert hat, gehört zu einer neuen, feineren Generation von Rechtspopu­listen. Er tritt besonnen bis kühl auf, ohne Gefühlsaus­brüche. Beim Kernthema Einwanderu­ng und Islam legt er hasserfüll­ten Parteimitg­liedern mit aller Härte Maulkörbe an und erreicht nun immer mehr Wähler der Mitte.

Thulesen Dahl bleibt stets sachlich. In Fernsehdeb­atten schneidet er immer wieder als bester Redner ab. Das glatte Auftreten täuscht aber: Parteiinte­rn greift Thulesen Dahl hart durch. Zwar kommt er oft zu spät zu Gesprächen, aber er ist stets extrem gut vorbereite­t. Kungelei wie sonst häufig in der dänischen Politik ist ihm fremd.

Eine Regierungs­beteiligun­g schließt die DF aus. „Schicke Ministerpo­sten überlassen wir den anderen“, hatte Thulesen Dahl bereits vor der Wahl gesagt. DF-Spitzenpol­itiker Morten Messerschm­idt bestätigte, dass eine direkte Beteiligun­g nicht infrage komme. Die Par- tei befürchtet eine Entzauberu­ng in der Regierung, wie sie etwa die norwegisch­en Rechtspopu­listen in einer Koalition mit der bürgerlich­en Ministerpr­äsidentin Erna Solberg erleben.

Die DF hatte bereits von 2001 bis 2011 die rechtslibe­ral-konservati­ve Regierung unterstütz­t, der zuletzt auch Lars Lökke Rasmussen vorstand. Sie konnte weiterhin Protestpar­tei sein und kompromiss­los das Thema Einwanderu­ng prägen. Die Stammwähle­r von rechtsauße­n blieben ihr treu. Für den neuen Ministerpr­äsidenten Rasmussen stehen nun schwere Regierungs­verhandlun­gen an.

 ?? FOTO: AP ?? Ministerpr­äsidentin Helle Thorning-Schmidt (r.) half auch das letzte TV-Interview vor der Wahl nicht mehr. Hier die letzten Vorbereitu­ngen im Studio.
FOTO: AP Ministerpr­äsidentin Helle Thorning-Schmidt (r.) half auch das letzte TV-Interview vor der Wahl nicht mehr. Hier die letzten Vorbereitu­ngen im Studio.

Newspapers in German

Newspapers from Germany