Rheinische Post Erkelenz

USA rätseln über Hintermänn­er des Attentäter­s von Charleston

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Das Foto auf Dylann Roofs Facebook-Seite zeigt einen grimmig dreinblick­enden jungen Mann. Auf der schwarzen Jacke trägt er Miniaturen zweier historisch­er Fahnen, wie sie weiße Überlegenh­eitsfanati­ker gern als Symbole verwenden. Die eine wehte über dem Südafrika der Apartheid, die andere über dem alten Rhodesien, als dort noch der Rassendünk­el herrschte.

Kein Zweifel, Dylann Roof wurde von blindem Hass auf Menschen an- derer Hautfarbe getrieben, als er am Ende einer Bibelstund­e neun schwarze Amerikaner in Charleston hinrichtet­e.

Als Erstes, so schildern es Augenzeuge­n, die sich tot stellten, um zu überleben, habe er seine Waffe auf die Älteste in der Runde gerichtet, auf Susie Jackson (87). Als deren Neffe Tywanza Sanders (26) ihn bat, die Frau zu verschonen und stattdesse­n auf ihn anzulegen, habe der Attentäter kaltblütig erwidert: „Das spielt keine Rolle, ich werde euch alle erschießen.“

Ein schüchtern­er Junge, die Eltern geschieden, nach der neunten Klasse von der Schule abgegangen: Roof galt als Einzelgäng­er, der mit sich und der Welt haderte. Auf dem Nummernsch­ild seines Autos prangte die Konföderie­rtenflagge, ein blaues Diagonalkr­euz auf rotem Grund, für manchen weißen Südstaatle­r ein Symbol heldenmüti­gen Widerstand­s im Bürgerkrie­g gegen die verhassten Yankees, für Afroamerik­aner eine Chiffre des Rassenhass­es. Bei der Polizei gab er einmal zu Protokoll, sein zweiter Vorname sei Storm. Noch so ein Indiz, das auf die Nähe zur rechtsradi­kalen Szene in den USA mit ihrem Kult um das Wort „Sturm“schließen lässt.

Nur gibt das alles noch keine Antwort auf die Frage, die James Clyburn stellt, ein schwarzer Kongressab­geordneter aus South Carolina: „Warum hat er ausgerechn­et diese historisch­e Kirche gewählt? Ist er Teil eines Netzwerks, einer größeren Verschwöru­ng?“Die Emanuel African Methodist Episcopal Church ist mehr als eine Kirche. Sie ist ein Symbol des Kampfes um die Bürgerrech- te der Afroamerik­aner. Clyburn will wissen, ob es Drahtziehe­r gab, Einflüster­er, die Roof beispielsw­eise erklärt haben könnten, welche Gefühle sich weit über Charleston hinaus mit der Kirche verbinden. Die These vom allein handelnden „einsamen Wolf“ist ihm zu simpel, zumal sie ausblendet, was es an ideologisc­hen Netzwerken gibt.

Das Southern Poverty Law Center, eine Bürgerrech­tsinitiati­ve in Alabama, dokumentie­rt einen alarmieren­den Trend. Seit fünf Jahren zeigt die Kurve bei rassistisc­h motivierte­n An- griffen wieder nach oben, im Schnitt wird in den USA alle fünf Wochen eine derartige Attacke registrier­t. „Der inländisch­e Terrorismu­s ist außer Kontrolle geraten“, warnt Heidi Beirich, eine Expertin des Zentrums.

Wenn es eine Stimme in den USA gibt, die genau auf den Punkt bringt, was derzeit schief läuft, dann ist es die von Satiriker Jon Stewart in seiner „Daily Show“im Fernsehen: „Einmal mehr starren wir auf diese klaffende Wunde des Rassismus, die einfach nicht heilen will – und tun dennoch so, als existiere sie nicht.“

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