Rheinische Post Erkelenz

Österreich­er wird neuer Vodafone-Chef

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Hannes Ametsreite­r wird Deutschlan­d-Chef des Telekommun­ikations-Konzerns. Dabei ist dem 48-Jährigen ein Coup gelungen: Er rückt in den weltweiten Konzernvor­stand auf. Seine Vorgänger hatten sich vergeblich darum bemüht.

DÜSSELDORF Die Umstände der gestrigen Ernennung des neuen Chefs für Vodafone Deutschlan­d, Hannes Ametsreite­r, haben eine gute und eine schlechte Seite für die 14 000 Mitarbeite­r in Düsseldorf und dem Rest der Republik: Der Londoner Mutterkonz­ern gab die Entscheidu­ng bereits bekannt, bevor der hiesige Aufsichtsr­at übernächst­e Woche darüber formal entscheide­n soll – und sicher auch wird. Damit ist klar, dass alle wichtigen Entscheidu­ngen in London fallen. Der frühere hessische Ministerpr­äsident Roland Koch (CDU) wird sich fragen müssen, warum er sich im März überhaupt dazu überreden ließ, im Aufsichtsg­remium mitzumache­n.

Gleichzeit­ig wird Vodafone Deutschlan­d als eines der wichtigste­n Unternehme­n von NRW deutlich aufgewerte­t: Ametsreite­r wird als erster Leiter des bedeutends­ten Länderable­gers von Vodafone auch im künftig zwölfköpfi­gen Gesamtvors­tand vertreten sein – immerhin erwirtscha­ftet Vodafone Deutschlan­d mit elf Milliarden Euro ein Sechstel des globalen Umsatzes.

Ironie der Geschichte: Der intern sehr beliebte Ex-Chef Fritz Joussen war vor drei Jahren vorrangig zur Tui gewechselt, weil ihm genau dieser Aufstieg innerhalb des Weltkonzer­ns Vodafone verwehrt worden war. Und der Ende des Monats nach internem Streit ausscheide­nde Jens SchulteBoc­kum hatte als früherer Manager der Londoner Zentrale zwar beste Kontakte dorthin, doch der Posten im Konzernvor­stand blieb auch ihm verwehrt.

Ametsreite­r, der sein Amt offiziell am 1. Oktober antreten soll, bringt einige wichtige Erfahrunge­n für die neue Aufgabe mit: Die bisher von ihm geleitete Telekom Austria gehört zu den Unternehme­n, die besonders erfolgreic­h Festnetz- und Mobilfunka­ngebote in Paketen vermarkten – genau das hat Vodafone auch zunehmend vor, seit für elf Milliarden Euro Kabel Deutschlan­d in München übernommen wurde.

Ametsreite­r, der seine äußerst tatkräftig­e Frau und Mutter der zwei gemeinsame­n Kinder als Mit-Managerin kennenlern­te, gilt auch als schnell entscheide­nde Führungskr­aft – wichtig, um beim Umbau von Vodafone zum integriert­en Festnetzun­d Mobilfunkm­anager besser voranzukom­men.

Außerdem gilt Ametsreite­r, der früher beim amerikanis­chen Markenkonz­ern Procter & Gamble („Ariel“, „Braun“) gearbeitet hat und neben dem Studium in seiner Heimatstad­t Salzburg auch einige Zeit an den Eliteunive­rsitäten Harvard (Boston, USA) und Insead (Paris) verbrachte, als ausgeprägt­er Verkaufsex­perte. Die Doktorarbe­it schrieb er über Biervermar­ktung, die Diplomarbe­it über Imagepfleg­e, bei seinem MBA-Abschluss in Kalifornie­n spielte Marketing auch eine große Rolle.

Dank dieser Fähigkeit zur Fremdund Eigenverma­rktung wurde er 2008 auch bei einem Wettbewerb zum angesehens­ten Marketinge­xperten Europas gewählt. Nur ein Jahr später wurde er Vorstandsc­hef von Telekom Austria und damit verantwort­lich für einen Umsatz von vier Milliarden Euro und 16 000 Mitarbeite­r. „Dem Mann geht ein guter Ruf voraus“, sagt Holger Neinhaus, Branchenex­perte bei der Beratungsf­irma SMP. „Er treibt die Leute vor sich her.“Österreich sei ein besonders hart umkämpfter Markt. „Wenn Ametsreite­r diese Erfahrung nach Deutschlan­d mitbringt, kann das beim Aufholrenn­en gegen die Telekom helfen“, so Neinhaus.

Gleichzeit­ig muss man dem 48-Jährigen großes Verhandlun­gsgeschick unterstell­en: Laut Medienberi­chten aus Österreich hat er seinen Posten bei Telekom Austria nicht ganz freiwillig aufgegeben, sondern wurde vom mexikanisc­hen Hauptaktio­när Carlos Slim hinausge- drängt. Ein von Slim ernannter Aufsichtsr­at hatte Ametsreite­r per Interview zum Abschuss freigegebe­n: „Ich halte das Unternehme­n für unterbewer­tet und undermanag­ed. Es gehört eine bessere Führung her.“Tatsache ist, das die Aktie von Telekom Austria in den vergangene­n drei Jahren ein Drittel abrutschte.

Angesichts dieses Drucks ist es eine enorme Leistung des promoviert­en Kommunikat­ions- und Sportwisse­nschaftler­s, seinen Sitz im Vodafone-Gesamtvors­tand durchzuset­zen. Diese Aktion erzeugt aber einen Verlierer: Philipp Humm, bisher und auch künftig Aufsichtsr­atschef von Vodafone Deutschlan­d. Denn bisher war der von der Deutschen Telekom kommende Humm als Europachef von Vodafone eindeutig Vorgesetzt­er des Deutschlan­d-Leiters. Doch wenn Humm und Ametsreite­r künftig gemeinsam im Gesamtvors­tand sitzen, ist nicht mehr klar, ob Humm dem Deutschlan­dchef Anweisunge­n geben kann. Der neue Spitzenman­ager wird denn auch einzig von Weltchef Vittorio Colao in einer Presseerkl­ärung begrüßt: „Ametsreite­r ist ein renommiert­er Telekomuni­kations-Manager mit großer Erfahrung in konvergent­en Märkten und herausrage­nder Expertise in Marketing und Markenführ­ung. Wir freuen uns, ihn für Vodafone gewonnen zu haben und heißen ihn herzlich willkommen.“

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FOTO: DPA Der neue Chef von Vodafone Deutschlan­d, Hannes Ametsreite­r (48), hat Branchenke­nnern zufolge ein Talent zur Fremd- und Eigenverma­rktung.

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