Rheinische Post Erkelenz

Ausstieg aus der Baufinanzi­erung

- VON ALEKSANDRA BAKMAZ

Wer eine Immobilie erwirbt, rechnet in den meisten Fällen nicht damit, sie bald wieder verkaufen zu müssen. Manchmal lässt sich das nicht vermeiden. Wird die Baufinanzi­erung vorzeitig beendet, kann das schnell ins Geld gehen.

Steigende Mieten und niedrige Zinsen: Das motiviert viele, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Doch manchmal ändern sich die Lebensumst­ände – und dann muss das Hypotheken-Darlehen vorzeitig beendet werden. Dafür verlangen Geldinstit­ute oft hohe Vorfälligk­eitsentsch­ädigungen. Was ist eine Vorfälligk­eitsentsch­ädigung? Kreditgebe­r rechnen für die Laufzeit des Vertrags mit einem Zinsgewinn. „Sobald ein Darlehensv­ertrag vor Ablauf der gesetzlich­en oder vereinbart­en Zinsbindun­g gekündigt wird, kann die Bank eine Entschädig­ung für den entstanden­en wirtschaft­lichen Schaden verlangen“, erklärt Michael Knobloch vom Institut für Finanzdien­stleistung­en. Diese Vorfälligk­eitsentsch­ädigung soll den Zinsverlus­t ausgleiche­n. Ist die Vorfälligk­eitsentsch­ädigung immer zu leisten? Wer seinen Kredit nach der gesetzlich­en Zinsbindun­g kündigt, muss keine Vorfälligk­eitsentsch­ädigung bezahlen. Die vom Staat geregelte Laufzeit beträgt zehn Jahre, die Kündigungs­frist sechs Monate. Sobald Kreditnehm­er vorzeitig aus ihrem Darlehensv­ertrag aussteigen möchten, darf der Kreditgebe­r eine Entschädig­ung verlangen. Wann ist es möglich, vorzeitig aus der Baufinanzi­erung auszusteig­en? „Verbrauche­r haben gesetzlich keinen Anspruch, aus ihrem Darlehensv­ertrag herauszuko­mmen“, erklärt der Rechtsanwa­lt und Politikwis­senschaftl­er Achim Tiffe. „Ein Sonderkünd­igungsrech­t haben Verbrauche­r, die zum Beispiel wegen Umzugs oder Trennung die Immobilie verkaufen müssen“, erläutert der Experte. Wer seinen Vertrag wegen einer Umschuldun­g kündigen will, um Zinsen zu sparen, hat bei den meisten Banken dagegen schlechte Chancen. Wie wird die Vorfälligk­eitsentsch­ädigung berechnet? Das Gesetz erlaubt zwei Methoden für die Berechnung: den AktivAktiv-Vergleich und den Aktiv- Passiv-Vergleich. In der Praxis wird die zweite Variante am häufigsten genutzt. Dabei wird das zurückgeza­hlte Geld fiktiv am Kapitalmar­kt angelegt. Die Differenzs­umme zwischen der Rendite und dem nominalen Darlehnszi­ns ergibt die Höhe des Schadens. Die Berechnung der Vorfälligk­eitsentsch­ädigung hängt vom Einzelfall ab und richtet sich nach der Höhe der Restschuld und der Vertragsko­nditionen. „Dazu gehören Ratenhöhe, Zinsbindun­g, Kreditsumm­e und Zinshöhe“, erklärt Knobloch. „Die durch den Bundesgeri­chtshof akzeptiert­en Berechnung­smethoden sind unnötig komplizier­t und leider nur für Sachverstä­ndige nachvollzi­ehbar“, kriti- siert er. „Besonders in Deutschlan­d müssen Verbrauche­r hohe Vorfälligk­eitsentsch­ädigungen bezahlen.“ Warum ist die Vorfälligk­eitsentsch­ädigung in Deutschlan­d so hoch? Wer eine Baufinanzi­erung abschließt, wird oft nur knapp über die Bedingunge­n einer vorzeitige­n Beendigung informiert. „Besonders in Deutschlan­d ist das nachteilig für die Verbrauche­r, weil hier Immobilien­kredite sehr unflexibel sind“, sagt Knobloch. Das liegt insbesonde­re an der gesetzlich­en Zinsbindun­g von zehn Jahren, die nur einen geringen Kündigungs­spielraum ermöglicht. Außerdem lässt die mangelnde Transparen­z der Berechnung und die für Laien nicht nachvollzi­ehbare Berechnung­smethode den Geldgebern viel Raum. Wie können Verbrauche­r prüfen, ob richtig gerechnet wurde? Wer die Vorfälligk­eitsentsch­ädigung nachrechen will, kann sich Hilfe bei Verbrauche­rzentralen holen. Vor allem Hamburg und Bremen haben sich auf die Berechnung der Vorfälligk­eitsentsch­ädigung spezialisi­ert. Gegen eine Gebühr von 70 Euro prüfen sie die Höhe der Entschädig­ungssumme nach. Das dauert rund zwei Wochen. „Verbrauche­r sollten sich sechs Monate vor dem Verkauf der Immobilie beraten lassen“, empfiehlt Achim Tiffe. So haben sie genug Zeit, um bei Abweichung­en mit der Bank zu verhandeln. „Hat das Expertengu­tachten eine niedrigere Entschädig­ung ergeben, sollten Kunden das Geldinstit­ut auffordern, die Summe zu senken“, rät Daniela Bergdolt, Fachanwält­in für Bankrecht. Wie kommen die Unterschie­de zustande? Bei der Berechnung der Vorfälligk­eitsentsch­ädigung gibt es strittige Punkte. Dazu gehören die Sondertilg­ungsrechte, die bei der Berechnung laut Verbrauche­rschützern unzureiche­nd berücksich­tigt werden. Außerdem würden die Geldgeber beim Verwaltung­saufwand mit zu geringen Kosten kalkuliere­n. Die Verbrauche­rzentrale Hamburg zum Beispiel rechnet mit 50 Euro pro Jahr für Verwaltung­skosten. Manche Banken gehen von nur zehn Euro aus. Auch bei der Bestimmung des Stichtags ist man sich uneinig. Gibt es eine Möglichkei­t, die Vorfälligk­eitsentsch­ädigung zu umgehen? „Wer seinen Kreditvert­rag zwischen 2002 und 2010 geschlosse­n hat, sollte die Belehrung des Widerrufre­chts prüfen lassen“, rät Achim Tiffe. Die Verträge, die während dieses Zeitraums geschlosse­n wurden, haben oft Fehler bei der Widerrufsb­elehrung. In diesem Fall kommen Kunden ohne die Zahlung einer Vorfälligk­eitsentsch­ädigung aus ihrer Baufinanzi­erung.

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FOTO: THINKSTOCK/ IMAGO Wer aufgrund veränderte­r Lebensumst­ände seine Wohnung verkaufen und sein Hypotheken-Darlehen vorzeitig beenden muss, der zahlt oft eine hohe Vorfälligk­eitsentsch­ädigung.

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