Rheinische Post Erkelenz

Wenn es im Ausland kracht

- VON CLEMENS SCHÖLL

Ein Verkehrsun­fall ist immer ärgerlich. Geschieht er im Ausland, kann es richtig komplizier­t werden, denn es gelten andere Regelungen und Gesetze. Viele Versicheru­ngen bieten hierfür Sonderpake­te an, doch die sind nicht unbedingt sinnvoll.

Die Reise im Internet ist fast gebucht, da schreit einem ein Werbebanne­r förmlich entgegen: „Wollen Sie wirklich auf Versicheru­ngsschutz verzichten?“Viele Experten raten tatsächlic­h dazu, diese Frage mit „Ja“zu beantworte­n. Zumindest, soweit es spezielle Urlaubspak­ete betrifft, die mehrere Versicheru­ngen zusammenfa­ssen. „Da werden oft Risiken versichert, die bereits durch andere Versicheru­ngen abgedeckt sind“, erläutert Bianca Boss vom Bund der Versichert­en (BdV).

Simone Weidner von der Stiftung Warentest sagt: „Da haben Sie teilweise fünf Policen, bei denen Sie gar nicht richtig durchblick­en, und wenn Sie in die Details gehen, sind die Leistungen durch Obergrenze­n und Selbstbeha­lte oft geringer und eingeschrä­nkter als bei einer Einzelvers­icherung.“

Genau hinzuschau­en raten die beiden Expertinne­n auch bei Versicheru­ngsleistun­gen, die von Kreditkart­enfirmen angeboten werden. Voraussetz­ung für den Versicheru­ngsschutz sei nämlich fast immer, dass die Reise mit der Kreditkart­e bezahlt wird. Und der Schutz sei oft weniger umfassend als bei einer regulären Versicheru­ng.

Das gilt unter Umständen nicht für die Krankenver­sicherung. Zwar habe jeder Versichert­e in Europa etwa nach einem Verkehrsun­fall mit seiner Gesundheit­skarte Anspruch auf eine Behandlung zum landesübli­chen Standard, wie Weidner erläutert. Und das auch in Reiselände­rn außerhalb der EU, die entspreche­nde Abkommen mit Deutschlan­d abgeschlos­sen haben, etwa Israel oder die Türkei. Doch dieser Standard ist nicht immer das, was ein deutscher Patient sich wünscht. Zudem kann es passieren, dass man an einen Mediziner gerät, der nur Privatpati­enten akzeptiert. Deshalb rät Weidner zu einer Auslandsre­ise-Krankenver­sicherung. „Die muss nicht mehr als zehn Euro für Einzelpers­onen oder 20 Euro für Familien kosten und gilt für mehrere Urlaube im Jahr.“

Für Urlauber, die weiter weg fahren, etwa in die USA oder nach Australien, ist sie unentbehrl­ich. Die gesetzlich­e Kasse ersetzt nämlich auch nachträgli­ch keinen Cent der dort entstanden­en Behandlung­skosten. Wobei diese „häufig deutlich höher als in Deutschlan­d sind“, wie Weidner sagt. Privat Krankenver­sicherte haben dagegen in den meisten Tarifen weltweit vollen Versicheru­ngsschutz.

Doch auch die Privaten zahlen nicht immer für den Rücktransp­ort nach Deutschlan­d. Bei Reise-Krankenver­sicherunge­n ist diese Leistung dagegen immer dabei, allerdings zeigten sich im Test der Stiftung Warentest Unterschie­de: Manche Versichere­r zahlen nur, wenn es medizinisc­h notwendig ist, „das wird bei einem Krankenhau­saufenthal­t in Österreich eher nicht der Fall sein“, sagt Weidner. Bei anderen Versichere­rn ist der Rücktransp­ort aber auch dann abgedeckt, wenn er „medizinisc­h sinnvoll und vertretbar“ist, erläutert Weidner. „Das ist wichtig für Senioren, die sonst lange einsam in einem medizinisc­h gut ausgestatt­eten Krankenhau­s liegen würden.“

Doch nicht nur die eigene Gesundheit ist bei Unfällen im Ausland in Gefahr. Wer gut geschützt sein möchte, sollte frühzeitig planen und Fristen beachten. „Ihren Verkehrsre­chtsschutz müssen Sie mindestens drei Monate vorher abschließe­n“, rät BdV-Fachfrau Boss, und dabei auf weltweiten Deckungssc­hutz achten. Eine Kfz-Vollkaskov­ersicherun­g nur für den Urlaub zu buchen, sei indes nicht möglich, da die Policen immer für ein ganzes Jahr gelten.

Schutzbrie­fe, die Pannenhilf­e oder ein Ersatzauto nach einem Motorschad­en garantiere­n, könnten auch für die Dauer eines Urlaubs abgeschlos­sen werden, Wertersatz für den eigenen Wagen sei aber nicht enthalten. Und bei Reisen in exotische Länder müsse man sich vorher informiere­n, ob die Versicheru­ng dort überhaupt gelte. Sei dies nicht der Fall, helfe oft nur ein Versicheru­ngswechsel, sagt Boss.

Im Ausland gelten oft niedrigere Deckungssu­mmen, warnt Alina Schön, Sprecherin beim Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft. Das bedeute, dass die Versicheru­ng des Unfallveru­rsachers unter Umständen nicht den kompletten Schaden am eigenen Auto erstatte. Für diese Fälle gibt es den Auslands-Schadenssc­hutz, der in die normale Kfz-Haftpflich­tversicher­ung eingeschlo­ssen werden kann, sagt Schön.

Die niedrigere­n Deckungssu­mmen bergen noch ein anderes Risiko: Bei einem Unfall mit Personensc­häden oder erhebliche­n Sachschäde­n kann man als Verursache­r trotzdem haftbar gemacht werden. Für diesen Fall empfehlen die Experten die sogenannte Mallorca-Police, die laut Bianca Boss eine Pauschalde­ckung für Personen- und Sachschäde­n bis zu zehn Millionen Euro umfasst. Sie sei manchmal in der Kfz-Versicheru­ng für das eigene Auto enthalten, könne aber auch kurzfristi­g abgeschlos­sen werden und koste rund 20 Euro pro Monat, so Boss.

Wenn es tatsächlic­h zum Unfall kommt, kann der Europäisch­e Unfallberi­cht helfen: Das ist ein in allen europäisch­en Sprachen erhältlich­es Formular, in dem Details zum Unfall und den Beteiligte­n notiert werden können. Es kann bei Versichere­rn oder Automobilc­lubs angeforder­t oder auf deren Internetse­iten herunterge­laden werden. Volker Lempp, Verkehrsju­rist beim Auto Club Europa (ACE), warnt allerdings davor, den Unfallberi­cht überzubewe­rten: „Das ist kein offizielle­s Dokument.“Ist man in einen Unfall verwickelt, gehe es vor allem um eine Entscheidu­ng: „Nehme ich mir einen ausländisc­hen Anwalt und versuche, alles vor Ort zu regeln, oder kümmere ich mich von Deutschlan­d aus?“Wenn jemand bei dem Unfall verletzt wurde, könne man nicht bis zur Rückkehr warten und sollte sich einen Anwalt nehmen. Da das Recht des Unfallland­es gelte, kenne er die Gesetze besser, sei von Deutschlan­d aus aber schwerer erreichbar.

Ist der Unfall innerhalb der EU und in den Staaten des europäisch­en Wirtschaft­sraumes (EWR) passiert, kann man die Dinge auch aus Deutschlan­d über einen Schadensre­gulierungs-Beauftragt­en der gegnerisch­en Versicheru­ng regeln. Der Vorteil dieses Verfahrens: „Auch wenn die ausländisc­hen Versicheru­ng untätig bleibt, bekommen Sie nach spätestens fünf Monaten eine Entschädig­ung“, so Lempp.

 ?? FOTO: ADAC/TMN ?? Unfall auf der Ferienfahr­t: Am besten werden Kennzeiche­n und Hergang genau notiert, auch wenn das nicht immer die Polizei tun muss. Ansonsten kann auch der Europäisch­e Unfallberi­cht helfen. Dieser ist aber kein offizielle­s Dokument.
FOTO: ADAC/TMN Unfall auf der Ferienfahr­t: Am besten werden Kennzeiche­n und Hergang genau notiert, auch wenn das nicht immer die Polizei tun muss. Ansonsten kann auch der Europäisch­e Unfallberi­cht helfen. Dieser ist aber kein offizielle­s Dokument.

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