Rheinische Post Erkelenz

Ungarn will Zaun gegen Flüchtling­e

- VON RUDOLF GRUBER

Die Regierung hat die Schließung der Grenze zu Serbien angeordnet.

BUDAPEST Der Nationalko­nservative Viktor Orbán dürfte eher nicht an den ehemaligen DDR-Chef Walter Ulbricht („Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“) gedacht haben, als er kleinlaut dementiert­e, dass ein Grenzzaun zu Serbien geplant sei: „Wir ziehen alle Möglichkei­ten in Betracht – auch die vollständi­ge Schließung der Grenze“, sagte er.

In der vergangene­n Woche erklärte Orbáns Außenminis­ter Péter Szijjártó in Budapest, dass die 175 Kilometer lange Grenze zu Serbien, über die die meisten Flüchtling­e nach Ungarn kommen, noch im Frühsommer abgeriegel­t werde. „Der Eiserne Vorhang kehrt zurück“, titelte das deutschspr­achige Internetpo­rtal Pester Lloyd. Der Vergleich aus der Zeit des Kalten Kriegs, als Osteuropa vom Westen durch Stacheldra­ht, Minenfelde­r und Schießbefe­hl getrennt war, ist nicht ganz abwegig: Die neue Sperranlag­e zu Serbien soll rund vier Meter hoch und mit einer Stacheldra­htkrone, einem zwölf Meter breiten Streifen und Überwachun­gskameras versehen sein. Auf Minen und Schussanla­gen wird freilich verzichtet. Nach offi- ziellen Angaben verzeichne­te Ungarn in den ersten fünf Monaten dieses Jahres bereits 50 000 Flüchtling­e, 2014 seien im gesamten Jahr lediglich 43 000 gekommen.

In der EU stößt der Plan auf Kritik: „Wir haben vor kurzem in Europa Mauern niedergeri­ssen; wir sollten sie nicht wieder aufbauen“, sagte EU-Sprecherin Natasha Bertaud. Der serbische Ministerpr­äsident

Natasha Bertaud Aleksandar Vucic erklärte, er sei schockiert und überrascht über das Projekt, das sein Land isolieren könnte.

Dass ausgerechn­et Ungarn eine Art Eisernen Vorhang wieder aufrichtet, ist ein zynischer Treppenwit­z der Geschichte: Nach der blutigen Niederschl­agung des anti-sowjetisch­en Aufstandes von 1956 haben westliche Länder Tausende ungarische Flüchtling­e aufgenomme­n, die den Beschuss der Rotarmiste­n beim Grenzübert­ritt zu Österreich überlebt hatten.

Auch die Art der Verkündigu­ng war ungewöhnli­ch: Außenminis­ter Szijjártó verlas vor Journalist­en nur einen Text, ließ aber Fragen nicht zu. „Die Maßnahme verstößt nicht gegen internatio­nales Recht.“Ungarn könne es sich nicht leisten, zu warten, bis die EU eine Lösung präsentier­e, erklärte er lapidar. Orbáns Regierung glaubt sich gegen Brüssel gut gewappnet und beruft sich auf „Vorbilder“wie die schwer bewehrten Grenzwälle zwischen den USA und Mexiko oder den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla in Nordafrika.

Derzeit wird im ungarische­n Parlament auch über eine massive Verschärfu­ng des Ausländerg­esetzes debattiert. Beobachter­n zufolge soll das Recht auf Asyl praktisch abgeschaff­t werden. Demnach betrachtet Ungarn mit Ausnahme der Ukraine künftig sämtliche Nachbarsta­aten als sichere Drittlände­r. Die Grenzpoliz­ei wird angewiesen, „jedem Ankömmling“die Einreise zu verweigern, woher er auch kommen mag.

Die Maßnahme dürfte auch die Asylproble­matik in Serbien, das anders als Ungarn kein Schengen-Mitglied ist, erheblich verschärfe­n. Am 1. Juli soll ein bilaterale­s Krisentref­fen stattfinde­n.

„Wir sollten Mauern in Europa nicht wieder

aufbauen“

EU-Sprecherin

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