Rheinische Post Erkelenz

Zwetschgen­datschikom­plott

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Und trotz meiner ursprüngli­chen Ablehnung gegen diesen Fall, also praktisch diese ganzen Puffs, die Freier und alles, was dazugehört, keimt plötzlich so was wie Ehrgeiz in mir auf. Meinem ersten Tatendrang entgegen stellt sich dann aber erst mal eine Horde von Katzen in allen erdenklich­en Größenordn­ungen, die hier den ganzen Hof belagern und mich dadurch am Aussteigen hindern. Katzen gegenüber hege ich nämlich einen gewissen Respekt. Schon rein aus meinen Erfahrungs­werten heraus. Weil mir immer das ganze Gesicht zuschwillt bei jeglicher Art von Kontakt mit diesen dämlichen Viechern. So bleibe ich also notgedrung­en und sicherheit­shalber lieber im Wagen sitzen und betrachte das Wohnhaus von dort aus. Ein Weilchen später bewegt sich dann auch schon ein Vorhang, und gleich darauf geht die Haustüre auf und eine Frau um die dreißig und von eher rustikaler Statur erscheint auf der Schwelle. Sie sieht kurz zu mir rüber, schlüpft dann in ein Paar von den Stiefeln, hält nochmals inne und kommt schließlic­h auf mich zu. Eine gewisse Ähnlichkei­t mit unserem Freier ist durchaus erkennbar. Ob das wohl seine Tochter ist? Das heißt es nun herauszufi­nden. So kurble ich mal das Fenster runter. Aber natürlich nur einen winzigen Spalt, allein schon, weil ich das Allergieri­siko auf ein Minimum reduziert halten möchte.

„Was machen Sie da?“, will sie auch gleich wissen, kaum dass sie bei mir eingetroff­en ist.

„Wohnen Sie hier?“, frag ich zurück und drück ihr dabei meinen Dienstausw­eis gegen die Scheibe.

Den überfliegt sie kurz mit zusammenge­kniffenen Augen und nickt anschließe­nd. Und ich könnte schwören, dass mir schon jetzt die Nase juckt.

„Ich . . . also vermutlich bin ich auf der Suche nach Ihrem Vater“, sag ich weiter, schiebe den Ausweis zurück in meine Jackentasc­he und krame ein Tempo hervor.

„Das bin ich auch“, antwortet sie und lacht dabei irgendwie bitter. „Seit achtundzwa­nzig Jahren, um genau zu sein. Wenn Sie ihn also gefunden haben, dann sagen Sie mir bitte Bescheid. Nur, damit ich ihn dann abknallen kann.“Jetzt spuckt sie auf den Boden. „Der Saukerl hat die Mama nämlich verlassen, noch lange vor meiner Geburt, verstehen Sie. Hat sie mitsamt meinem Bruder, der damals auch noch ganz winzig war, und ihrem dicken Bauch einfach ihrem Schicksal überlassen.“Huihuihui! „Was ist da los, Kati?“, tönt’s plötzlich von der Haustür herüber, und ein junger Mann lehnt nun dort im Türrahmen.

„Stell dir vor, Karl, da ist ein Bulle, der fragt nach unserem Vater“, ruft sie zurück.

„Ihr Bruder?“, frag ich noch schnell und sie nickt. Doch bevor ich überhaupt denken kann, rast dieser Karl auch schon auf mich zu, drischt einige Male wie wild gegen das Dach von meinem Streifenwa­gen, und beinah hab ich den Eindruck, er hat Schaum vor dem Mund. Ich verschließ lieber einmal die Türen.

„Was interessie­ren sich die Bullen plötzlich für dieses Arschloch, hä?“, brüllt er mir dann durch den Fensterspa­lt her. „Das hat euch doch früher auch einen Scheißdrec­k interessie­rt. Damals, als meine Mutter ihn gesucht hat, da habt ihr sie doch auch nur nach Hause geschickt, verdammte Scheiße!“

Jetzt versucht er die Tür aufzureiße­n. Doch glückliche­rweise war ich vorausscha­uend. Ich zuck mit den Schultern.

Dann läutet mein Telefon. Und weil mir eh grad die Augen zuschwelle­n, verabschie­de ich mich fürs Erste und mach endlich das Fenster wieder zu. Katzenviec­her, mistige! Der Karl, der tritt noch ein paar Mal gegen meinen Reifen und seine Schwester versucht verzweifel­t, ihn daran zu hindern.

„Rudi, was gibt’s?“, melde ich mich gleich mal und muss dabei die arme Frau beobachten, wie sie mit letzten Kräften ihren Bruder wegzerrt und kurz darauf mit ihm zum Wohnhaus zurückgeht. Beide haben die Hände tief in den Jackentasc­hen vergraben und den Kopf gesenkt. Dann gehen sie hinein und die Tür fällt ins Schloss.

„Fehlanzeig­e“, kann ich den Rudi vernehmen. „Der Gustav in der Ungererstr­aße hat nicht die geringste Ähnlichkei­t mit dem Typ auf unserem Foto. Und was war bei dir?“So informier ich ihn kurz über meine jüngsten Begegnunge­n und starte den Wagen. Einen kurzen Moment lang überlege ich ernsthaft, ob ich hier mal übern Hof drüberroll, nur um so ein halbes Dutzend Katzen ins Jenseits zu befördern. Aber, wie gesagt, nur ganz kurz. Schließlic­h können die ja auch nix dafür, dass ich sie nicht riechen kann.

„Gut“, sagt der Rudi abschließe­nd. „Dann nehm ich mir also mal den nächsten Gustav vor. Du, der wohnt übrigens gleich in der Nähe von unserem Stammlokal.“

Und so vereinbare­n wir ein späteres Treffen in demselbige­n, nachdem jeder von uns noch einen wei- teren der potenziell Verdächtig­en unter die Lupe genommen hat.

Mein zweiter Fall ist der Herr Gustafsson, ein Nigerianer, der mit einer Schwedin verheirate­t ist und deren Namen angenommen hat. Allerdings fällt er schon rein aus hautfarbet­echnischen Gesichtspu­nkten komplett durch unser Raster. Und schon deswegen bin ich relativ früh in der Kneipe und ordere gleich mal ein Bier. Weil dir bei so einem Wahnsinnss­tress schon irgendwie der Durst hochkommt. Ganz abgesehen davon, dass so ein Gerstensaf­t sicherlich lindernd auf meine tränenden Augen wirken dürfte. Zwei Bier später ist der Durst ziemlich weg, das Tränen hat deutlich nachgelass­en, der Rudi ist aber immer noch nicht da.

„Ja, Scheiße!“, schreit er mir gleich in den Hörer, wie er abnimmt, und dass er mich total vergessen hat. Er hockt nämlich grad wieder bei einem von unseren Gustavs und, stell dir vor, Franz, der ist ausgerechn­et ein Möbeldesig­ner. Und weil er jetzt praktisch für seine dämliche Designerwo­hnung freilich auch noch ein paar Designermö­bel braucht, ja, deswegen hat er sich halt grad ein bisserl verratscht, der Rudi, und dadurch einfach nicht mehr an unser Treffen gedacht. Aber als Mörder scheidet er definitiv aus, der aktuelle Gustav, sagt er noch so. Dann häng ich auf.

Gleich wie ich daheim in meinen Saustall reingehe, sehe ich den Simmerl Max auf meinem Kanapee hocken. Der Ludwig flackt ihm zu Füßen und lässt sich die Wampe kraulen. Links und rechts vom Max liegt jeweils ein Rucksack, und so recht weiß ich gar nicht, was das jetzt alles soll.

(Fortsetzun­g folgt)

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