Rheinische Post Erkelenz

Polens harter Nationalis­mus

- VON ULRICH KRÖKEL

Die Rechtsregi­erung in Warschau beginnt den Staat nach ihren Vorstellun­gen umzubauen. Das missliebig­e Verfassung­sgericht wird entmachtet, kritische Journalist­en werden geschasst. Und zur EU geht Polen auf Abstand.

BERLIN/WARSCHAU Symbole sagen oft mehr als 1000 Worte. Noch bevor Polens neue Ministerpr­äsidentin Beata Szydlo erstmals offiziell vor die Presse trat, war für alle Beobachter klar ersichtlic­h, was die Stunde in Warschau geschlagen hat. Szydlo hatte alle EUFahnen aus dem Saal verbannen lassen. Hinter ihrem Rednerpult prangten „nur die schönsten weiß-roten Nationalfl­aggen“, wie die 52-Jährige kommentier­te.

In Polen hat mit dem Regierungs­wechsel Mitte November die Zeit eines neuen Nationalis­mus begonnen. Überrasche­n kann das kaum. Der Rechtspopu­list Jaroslaw Kaczynski, der als Chef der allein regierende­n nationalko­nservative­n PiS-Partei im Hintergrun­d die Politik des Szydlo-Kabinetts bestimmt, hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Polen „wieder in einen souveränen Nationalst­aat umbauen“will, dessen Politik nicht aus Brüssel oder Berlin diktiert wird.

Was genau das heißt, hatte der frisch gekürte Außenminis­ter Witold Waszczykow­ski schon vor seinem Antrittsbe­such vergangene Woche in Berlin klar gemacht. Der Chefdiplom­at ließ wissen, Polen werde nach den Pariser Terroransc­hlägen seine ohnehin schon äußerst restriktiv­e Flüchtling­spolitik weiter verschärfe­n. „Wir sehen angesichts der Sicherheit­slage keine Möglichkei­t, Asylsuchen­de bei uns aufzunehme­n“, erklärte er.

Weit dramatisch­er als in der Außenpolit­ik entwickelt sich aber die Lage im Innern. Kritiker der PiS-Regierung wie der Publizist Adam Szostkiewi­cz sprechen bereits von einer „Demontage der parlamenta­rischen Demokratie“. Der frühere Präsident des polnischen Verfassung­sgerichts, Jerzy Stepien, sagt mit Blick auf die ersten Entscheidu­ngen der neuen Machthaber klipp und klar: „Für mich sieht das nach einem Staatsstre­ich aus.“Sein Vorgänger Andrzej Zoll assistiert­e: „Eine Partei will die ab- solute Macht. Das nennt man Totalitari­smus.“

Tatsächlic­h hat im postkommun­istischen Polen noch nie eine einzelne Partei so viel Macht gehabt. Die PiS regiert im Sejm und der zweiten Parlaments­kammer, dem Senat, mit absoluter Mehrheit und stellt zudem in Person von Andrzej Duda seit dem Sommer auch den Staatspräs­identen. Und die Partei zögert nicht, von ihrer Macht Gebrauch zu machen. So weigerte sich Duda kurzerhand, fünf vom alten Sejm gewählte, als liberal geltende Verfassung­srichter zu vereidigen. In einer Nachtsitzu­ng verabschie­dete die PiS schließlic­h ein Eilgesetz, das die Richterwah­l für ungültig erklärte.

Es war vor allem dieser Akt, der Stepien auf den Plan rief: „Das ist ein Anschlag auf die unabhängig­e Justiz“, erklärte er. Der ehemalige Verfassung­srichter glaubt, dass Kaczynskis Partei das höchste Gericht entmachten will, das gegenüber der PiS-Regierung zwischen 2005 und 2007 nachhaltig­en Widerstand geleistet hatte. Kaczynski seinerseit­s befeuert diese Erwartunge­n noch. Er nannte die Kritik von Juristen, die ein Amt bekleidete­n, „skandalös“und drohte ihnen mit einem Disziplina­rverfahren. Das Verfassung­sgericht selbst sei ein „parteiisch­es Organ, und das werden wir ändern“.

Dass solche Drohungen mehr sind als bloße Machtgebär­den, zeigen auch die Kampfansag­en der PiS an die unabhängig­en Medien, denen sogleich Taten folgten. Kulturmini­ster Piotr Glinski hatte nur wenige Stunden nach seinem Amtsantrit­t angekündig­t, die Staatsmedi­en in „nationale Kulturinst­itute“umzuwandel­n. Wer nicht mitziehe, werde mitgezogen.

Was Glinski meinte, machte er kurz darauf vor laufender Kamera klar: Als ihn eine Journalist­in des öffentlich­rechtliche­n Fernsehens nach seinem Verhältnis zur Zensur befragte, weil Glinski ein kirchenkri­tisches Theaterstü­ck von Literaturn­obelpreist­rägerin

„Eine Partei will die absolute Macht. Das nennt man Totalitari­smus“

Andrzej Zoll

Ex-Verfassung­sgerichtsp­räsident

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