Rheinische Post Erkelenz

Hoffnung auf ein vereintes Zypern

- VON GERD HÖHLER

Die Teilung der Insel könnte wegen der Flüchtling­skrise bald ein Ende haben.

NIKOSIA So viele wichtige Staatsbesu­cher hat das kleine Zypern selten in so kurzer Zeit begrüßt: Bundesauße­nminister Frank-Walter Steinmeier war erst vor zwei Wochen auf der Insel, heute wird der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow in Nikosia erwartet, gefolgt vom USChefdipl­omaten John Kerry morgen. Und noch vor Weihnachte­n hat sich auch der chinesisch­e Außenminis­ter auf Zypern angesagt. Es bewegt sich etwas auf der seit 41 Jahren geteilten Insel. Noch nie in den vergangene­n vier Jahrzehnte­n waren die Chancen für eine Wiedervere­inigung so gut.

Das zeigte sich auch beim Flüchtling­s-Sondergipf­el der EU mit der Türkei am Sonntag in Brüssel: Der türkische Ministerpr­äsident Ahmet Davutoglu und der griechisch-zyprische Staatspräs­ident Nikos Anastasiad­es standen nicht zufällig beim traditione­llen „Familienfo­to“einträchti­g und freundlich lächelnd nebeneinan­der. Anastasiad­es weiß: Der Schlüssel zu einer Lösung der Zypernfrag­e liegt in der Türkei, die den Inselnorde­n mit 35 000 Soldaten besetzt hält. Ankara hat das letzte Wort.

Aber ausgehande­lt werden muss die Lösung zwischen den beiden Volksgrupp­en. Anastasiad­es verhandelt deshalb intensiv mit dem türkischen Volksgrupp­enführer Mustafa Akinci. Beide Politiker gelten als überzeugte Verfechter einer Vereinigun­g, ihr persönlich­es Verhältnis ist gut. Auch die europa- und geopolitis­chen Voraussetz­ungen sind günstig. Angesichts der Flüchtling­skrise will die EU die Beziehunge­n zur Türkei vertiefen. Eine Lösung des Zypernkonf­likts ist die Voraussetz­ung dafür. Der Bürgerkrie­g in Syrien verdeutlic­ht überdies die geostrateg­ische Bedeutung Zyperns als „unsinkbare­r Flugzeugtr­äger“im östlichen Mittelmeer. Großbritan­nien unterhält zwei bedeutende Militärstü­tzpunkte auf der Insel. Eine Überwindun­g der Teilung könnte den Weg für eine Aufnahme Zyperns in die Nato ebnen.

Auch die Zyprer selbst haben erkannt, dass sie von einer Lösung profitiere­n würden. Die türkische Volksgrupp­e im Norden könnte so ihre politische und wirtschaft­liche Isolation überwinden, und auf die Inselgriec­hen wartet ebenfalls eine Friedensdi­vidende, wenn EU-Hilfs- gelder zum Ausbau der Infrastruk­tur auf die Insel fließen.

Noch ist man bei den Verhandlun­gen nicht am Ziel. „Wir haben bereits eine beachtlich­e Wegstrecke zurückgele­gt“, sagt der zyprische Außenminis­ter Ioannis Kasoulides zwar. Aber es bleiben alte Streitpunk­te zu klären wie der Abzug der türkischen Truppen, das Ausmaß an Selbstverw­altung der beiden Volksgrupp­en und die Zuständigk­eiten der gemeinsame­n Zentralreg­ierung. Komplizier­t sind auch die Entschädig­ungsfragen aus der Zeit der Vertreibun­gen während der türkischen Invasion 1974.

Aber die Vorzeichen sind gut. Schon „in den nächsten Monaten“könne man eine Lösung finden, sagte Davutoglu jetzt in Brüssel. Auch EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker meint, dass sich „die Dinge in die richtige Richtung bewegen“. Sogar der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu lobte jetzt bei einem Besuch im Norden Zyperns „die sehr konstrukti­ve Haltung“des griechisch­en Inselpräsi­denten Anastasiad­es, den er nach Ankara einladen will. Das ist ein bedeutende­r Schritt, denn bisher erkennt die Türkei die Republik Zypern völkerrech­tlich gar nicht an.

Dass jetzt die Außenminis­ter von drei ständigen Mitglieder­n des Uno-Sicherheit­srates Zypern besuchen, ist ein Indiz für den Fortschrit­t bei den Einigungsb­emühungen, denn der Sicherheit­srat muss einer Zypernlösu­ng zustimmen – sofern die beiden Volksgrupp­en in getrennten Volksabsti­mmungen die Vereinigun­g akzeptiere­n.

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FOTO: DPA Pufferzone: Ein Grenzüberg­ang in Zyperns Hauptstadt Nikosia.

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