Rheinische Post Erkelenz

Kompromiss mit Klimasünde­rn gesucht

- VON JOHNNY ERLING UND KATRIN HAAS

Beim Klimagipfe­l in Paris erklären die Staaten, wie sie weniger Treibhausg­ase ausstoßen wollen. Gleichzeit­ig leiden die Menschen in China und Indien besonders unter den Folgen ihrer Emissionen. Gegenmaßna­hmen gibt es dort kaum.

DÜSSELDORF Seit sechs Tagen wird es nicht mehr richtig hell in Peking. Eine Decke aus weißem Smog liegt über der Region. Jeden Tag wird die Luftqualit­ät schlechter. Die Behörden in China rufen alte Menschen und Kleinkinde­r auf, zu Hause zu bleiben. Diejenigen, die sich draußen aufhalten, tragen fast alle eine Atemschutz­maske.

Der schlimmste Smog in diesem Jahr in Peking fällt mitten in die Zeit des Weltklimag­ipfels in Paris. Während 150 Staats- und Regierungs­chefs in der französisc­hen Hauptstadt über ein neues Klimaschut­zabkommen verhandeln, spüren die Menschen in Peking die direkten Folgen der Emissionen. Die offizielle Nachrichte­nagentur Xinhua „spricht von der schlimmste­n Periode der Luftversch­mutzung“Pekings. In manchen Teilen der Stadt und in mehreren Städten Nordchinas erreichten die Feinstaub-Konzentrat­ionen am Montag und Dienstag Rekordwert­e von 1000 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die gemessenen Werte der US-Botschaft lagen bei 500 bis 600. Das ist mehr als das Zwanzigfac­he des Grenzwerte­s, den die Weltgesund­heitsorgan­isation empfiehlt (25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft). Die Partikel mit weniger als 2,5 Mikrometer Durchmesse­r sind besonders gefährlich, weil sie direkt ins Blut gehen und Krebs auslösen können.

Für heute ist Wind gemeldet, der die Schicht aus gefährlich­em Feinstaub auflockern könnte. Das ist auch dringend nötig, denn Gegenmaßna­hmen gibt es nur in geringem Ausmaß: Die chinesisch­en Behörden wiesen nach eigenen Angaben 2100 Fabriken an, ihre Produktion herunterzu­fahren oder einzustell­en. Inwieweit den Anordnun- gen aber Folge geleistet wird, blieb unklar. Für den Straßenver­kehr wurde trotz der hohen FeinstaubK­onzentrati­on nicht die höchste Alarmstufe „Rot“ausgerufen, der Verkehr wurde nicht eingeschrä­nkt.

Auch in Indien erreicht die Feinstaub-Konzentrat­ion bedenklich­e Werte. Der Schadstoff­index der indischen Regierung für den gefährlich­en Feinstaub lag in der Hauptstadt Neu-Delhi bei bis zu 712 Mikrogramm pro Kubikmeter. An allen Messorten sank die Feinstaubb­elastung nie unter 200 Mikrogramm. Anders als in Peking trugen nur wenige Menschen Atemschutz­masken, Zehntausen­de nahmen sogar an einem Halbmarath­on durch die Stadt teil. In der Hauptstadt produziert­en die Fabriken ohne Einschränk­ungen, und in den Slums zündeten die Menschen wärmende Feuer aus Plastikabf­all an.

So sieht die Gegenwart aus. Beim Klimagipfe­l hat der indische Regierungs­chef Narendra Modi gesagt, dass Indien seine Pflichten beim Klimawande­l voll erfüllen wolle. Allerdings betonte er auch das Recht Indiens auf wirtschaft­liche Entwicklun­g trotz Klimaschut­z. USPräsiden­t Barack Obama wiederum plädierte für eine Verbindung von Klimaschut­z und Wirtschaft­swachstum. Von einem überzeugen­den Klimaschut­zabkommen könne ein Impuls für Innovation­en auf dem Energiesek­tor ausgehen.

Inwieweit die teilnehmen­den Staaten ihrer eigenen Erklärung Taten folgen lassen, hängt auch von der Verbindlic­hkeit des neuen Klima-Vertrags ab. Obama hat rechtlich bindende Rahmenvere­inba- rungen für den Vertrag gefordert. In den USA hat ein verbindlic­hes Klimaabkom­men nur geringe Chancen, durch den von den Republikan­ern dominierte­n US-Kongress zu kommen. Obama favorisier­t daher einen Weg, bei dem nur ein Teil des Vertrags bindend ist, da der Kongress über so einen Kompromiss nicht abstimmen muss. Der Klimawande­l sei das Härteste, was Politik zu lösen habe, weil seine Folgen zunächst diffus seien und nur schrittwei­se wirksam würden. Aber Obama ist optimistis­ch: „Ich denke, wir werden das hier lösen.“

Ein zentrales Thema beim Klimagipfe­l ist der Klimaschut­z in Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern. Nachdem Kohle, Öl und Gas den Aufschwung in den Industriel­ändern ermöglicht haben, wollen die Entwicklun­gsländer nur ungern auf Wachstum mithilfe dieser Energieträ­ger verzichten. Und wenn, so fordern sie, müssten die Industrien­ationen finanziell­e und technische Hilfen leisten, damit die Schwellenl­änder mithilfe erneuerbar­er Energien wachsen könnten.

Weil der Energiebed­arf in Afrika extrem ansteigt, müssten Investitio­nen in Kohle und Gas verhindert werden, sagt Ingrid Hoven, Abteilungs­leiterin im Bundesentw­icklungsmi­nisterium. Deutschlan­d und Frankreich wollen den Ausbau erneuerbar­er Energien in Afrika fördern. Deutschlan­d will bis zu drei Milliarden Euro bis 2020, Frankreich von 2016 bis 2020 zwei Milliarden Euro geben. Das Geld soll in die Initiative „Renewable Energy for Africa“fließen, die afrikanisc­he Regierunge­n ins Leben gerufen haben. Die Initiative soll ermögliche­n, dass bis 2020 zusätzlich­e Kapazitäte­n von mindestens zehn Gigawatt installier­t werden. Bis 2030 soll dies – so der Wunsch der Initiative – auf 300 Gigawatt steigen.

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FOTO: AFP Menschen in Sorge: Zwei Frauen gehen mit Atemschutz­masken durch das vernebelte Peking.

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