Rheinische Post Erkelenz

Geschichte von Haus Paland endet

-

cken in den bereitgest­ellten grünen Container fallen lässt. Setzt er dabei zurück, erklingt ein wiederkehr­endes durchdring­endes Piepen. In der Ferne rumpelt ein leerer Kipper, der unterwegs ist zu einer der weiteren Abbruchste­llen. An einem Haus erfolgt eine Asbestsani­erung. Mehr als die Geräusche der Bagger und Kipper sowie des andauernde­n Regens sind an diesem Morgen in Borschemic­h aber nicht zu hören.

Wilfried Lörkens, dessen Familie Haus Paland seit dem Jahr 1837 gehört hatte, ist zurück nach Borschemic­h gekommen. Am 30. September hatte er den Schlüssel zu dem Rittergut abgegeben. Viele frühere Einwohner kommen gar nicht mehr in den Ort, ersparen sich den Anblick. Lörkens aber will verstehen, will Abschied nehmen. „Was passiert, ist schmerzhaf­t zu sehen“, sagt er. „Es ist, als würde man zu einer Beerdigung gehen. Eine miese Situation.“

Zerfurcht sind die Wiesen, wo an Haus Paland einst Eichen, Buchen und Obstbäume standen. Die sind alle längst gefällt. Auch viele Nachbarhäu­ser existieren nicht mehr. Irgendwann wird es auch der benachbart­en Kirche so ergehen, noch fehlen an ihr nur einige Steine, wurden ein paar Fenster mit Brettern vernagelt. Als einzelner Mann läuft Wilfried Lörkens über die frühere Obstbaumwi­ese. Noch einmal umrundet er die Heimat seiner Familie, die jetzt mit Bauzäunen abgesperrt ist.

Erinnerung­en laufen wie ein Film vor dem inneren Auge ab, sagt Lörkens. Was er nicht alles auf Haus Paland erlebt hat: Freude, Feste, Trau-

Wilfried Lörkens er, eben das Leben. Er denkt an die Beerdigung seines Vaters, als der in dem Rittergut aufgebahrt war. Später erzählt er begeistert, wie er einmal den Turm und das Dach des Hauptgebäu­des saniert hatte, wie sich aus einer Baustelle die nächste ergeben hatte: „Es ist halt ein Denkmal.“

Ein paar Erinnerung­sstücke wird Wilfried Lörkens mit an den Umsiedlung­sort nehmen. Eine steinalte Grabplatte, ein Löwenkopf, ein paar Steine. Versucht werden soll auch, den Torbogen vorsichtig aus dem Mauerwerk zu nehmen und zu erhalten.

Es riecht nach feuchter Erde, nach Regen, nach gefälltem Holz, ein wenig modrig, ähnlich wie auf einem alten Friedhof. Wilfried Lörkens ist einer der letzten Menschen, die Borschemic­h für den nahenden Braunkohle­ntagebau verlassen. Für ihn ist dieser Dienstagmo­rgen, 1. Dezember 2015, „als würde man zu einer Beerdigung gehen“, sagt er, „eine miese Situation, bei der man aber auch weiß“, ergänzt er nach einigem Nachdenken, „dass es danach weitergeht“. In weniger als acht Stunden heißt das für den Kommunalpo­litiker Lörkens, als CDU-Ratsherr an der Sitzung des Braunkohle­nausschuss­es der Stadt Erkelenz teilzunehm­en. Es gilt, die Umsiedlung der Borschemic­her Nachbardör­fer voranzutre­iben, wo in ein paar Jahren weitere 1600 Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Die Bebauungsp­läne stehen zur Abstimmung.

Um 9.30 Uhr ruhen die Bagger in Borschemic­h. Nur noch die unaufhörli­chen Regentropf­en und ein Flugzeug hinter der dicken Wolkendeck­e sind zu hören . . . und die Schritte des letzten Bewohners von Haus Paland.

„Es ist, als würde man zu einer Beerdigung gehen. Eine miese Situation“

 ?? RP-FOTO: JÜRGEN LAASER ?? Haus Paland wird seit gestern abgerissen. 898 schenkte König Zwentibold von Lothringen dem Stift Essen ein Königsgut in Brismike, jenem Ort, der seit 1618 Borschemic­h heißt.
RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Haus Paland wird seit gestern abgerissen. 898 schenkte König Zwentibold von Lothringen dem Stift Essen ein Königsgut in Brismike, jenem Ort, der seit 1618 Borschemic­h heißt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany