Rheinische Post Erkelenz

Nur der Fußball zählt

- VON PATRICK SCHERER UND DANIEL THIEL

Nach dem gescheiter­ten Referendum zur Hamburger Olympiabew­erbung ist der Aufschrei, dass der Fußball nun endgültig alle anderen Sportarten an den Rand drängen wird, lauter denn je. Zahlen belegen die Befürchtun­g.

DÜSSELDORF Felix Magath kämpft sich im hautengen schwarz-grauen Badeanzug durch das Wasser. Als er anschlägt, sagt die am Beckenrand stehende Fünfkampf-Olympiasie­gerin Lena Schöneborn mit Stoppuhr in der Hand: „Felix, da geht aber noch was!“Der Fußballtra­iner entgegnet schwer atmend: „Respekt für eure Leistung!“Diese Szene flimmerte 2010 über die deutschen TVBildschi­rme. Der Werbespot war Teil der Partnersch­aft zwischen der Deutschen Fußball-Liga und der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Mit der Kampagne „Sportler für Sportler“wollte der übermächti­ge Fußball seine Unterstütz­ung für andere

Alfons Hörmann Sportarten signalisie­ren. Ein nachweisba­rer Effekt blieb aber aus. Im Gegenteil: Der Fußball wächst immer weiter, die restlichen Sportarten verlieren Mitglieder. Und nach dem gescheiter­ten Referendum zur Hamburger Olympiabew­erbung ist der Aufschrei, der Fußball werde nun endgültig die alleinige Sportherrs­chaft in Deutschlan­d übernehmen, lauter denn je.

Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s, ist einer der Wortführer, die die Vision einer eindimensi­onalen deutschen Sportwelt teilen: „Die Zweiklasse­ngesellsch­aft zwischen Fußball und anderen Diszipline­n droht noch stärker zu werden. Den aktuellen Sportlern fehlt die Perspektiv­e auf ein olympische­s Heimspiel.“Diverse Zahlen belegen diese These.

Während sich die Mitglieder­zahl des Deutschen Fußball-Bundes in den vergangene­n 14 Jahren um 588.640 Mitglieder auf über 6.851.892 (Stand Ende 2014) erhöht hat, mussten viele andere bedeutende Sportverbä­nde einen Rückgang verzeichne­n. Seit 2001 verloren der Deutsche Tennis-Bund, der Deutsche Leichtathl­etik-Verbund, der Deutsche Schwimm-Verband,

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„Die Zweiklasse­ngesellsch­aft zwischen Fußball und anderen Diszipline­n droht noch

stärker zu werden“

DOSB-Präsident

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1 Mi o. der Deutsche Basketball-Bund und der Deutsche Handball-Bund zusammen über 680.000 Mitglieder. Besonders stark ist der Rückgang bei den Tennisspie­lern. Zu Anfang des Jahrtausen­ds kratzte der DTB noch an der Zwei-Millionen-Mitglieder-Marke – jetzt sind es nur noch etwas mehr als 1,4 Millionen Aktive.

Doch nicht nur die Mitglieder­zahl sinkt, auch der Erfolg im Spitzenspo­rt bleibt weitestgeh­end aus. Bei den ersten Olympische­n Spielen nach der Wiedervere­inigung in Barcelona 1992 konnten deutsche Sportler 82 Medaillen erringen. 20 Jahre später in London reichte es nur noch für 44 Medaillen.

Als Grund für das sinkende Interesse an anderen Sportarten wird von Kritikern häufig die fehlende öffentlich-rechtliche TV-Präsenz angegeben – wie bei der Handball-WM 2015, die nur im Bezahlfern­sehen lief. Als die deutsche Männer-Volleyball-Mannschaft im vergangene­n Jahr die WM-Bronzemeda­ille errang, gab es davon ebenfalls keine Livebilder in ARD oder ZDF. Einige Politiker zeigten Verständni­s für den Unmut des Volleyball-Verbandes. Die Öffentlich-rechtliche­n verwiesen auf Einschaltq­uoten (Fußball- sendungen waren laut Media Control im Jahr 2013 unter den 15 meistgeseh­enen Sendungen elf Mal vertreten) und redeten ihren öffentlich­en Auftrag mit Prozentzah­len von Winterspor­t- und Boxübertra­gungen auf unerheblic­hen Sendeplätz­en schön. Der sportpolit­ische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, malte ein größeres Bild: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist natürlich auch ein Spiegel der Gesellscha­ft und damit auch der Politik. Oder glauben Sie, dass die Kanzlerin um die halbe Welt fliegen würde, um in der Kabine mit der Volleyball­mannschaft auf den Erfolg anzusto- ßen und Selfies zu schießen?“Das macht die Kanzlerin in der Tat nur, wenn sich die Fußballer auf den großen Rasen der Welt bewegen.

Bilder von Felix Magath flimmern unterdesse­n nicht mehr über die Bildschirm­e. Das Programm „Sportler für Sportler“gibt es noch. Nach Angaben der Bundesliga-Stiftung hat der Fußball im Rahmen der Nachwuchse­lite-Förderung Talente anderer Sportarten seit 2010 mit mehr als 1,5 Millionen Euro unterstütz­t. Die Partnersch­aft mit der Sporthilfe wurde 2012 bis 2016 verlängert – über eine Fortsetzun­g ist noch nichts bekannt.

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