Neuanfang für Biathletin Gössner
Im schwedischen Östersund fängt die Saison der Biathleten an. Eine der wichtigsten Fragen rund um die deutsche Mannschaft: Was kann Miriam Gössner bei ihrer Rückkehr leisten?
DÜSSELDORF Den ersten Saisonsieg haben die deutschen Biathleten schon eingefahren, bevor es richtig losgeht. Die Single-Mixed-Staffel – ein Mann und eine Frau bilden hierbei ein Team – hat am Sonntag die Formel 1 beim Publikumsinteresse knapp geschlagen. Die Live-Übertragung der ARD vom ersten Weltcup der Saison in Östersund sahen 3,95 Millionen Menschen. Das letzte Formel-1-Rennen in Abu Dhabi schauten bei RTL dagegen nur 3,83 Millionen TV-Zuschauer.
Nach dem Prolog in dieser jungen Wettkampfform geht es heute richtig mit dem Weltcup in Mittelschweden los: Die Männer treten zum Einzelrennen über 20 Kilometer an, morgen laufen die Frauen 15 Kilometer (beides 17.15 Uhr/ARD).
Zum Aufgebot von Damentrainer Gerald Hönig gehört nach langer Pause wieder Miriam Gössner. Nach einem schweren MountainbikeUnfall im Mai 2013, der sie fast in den Rollstuhl gebracht hätte, hat sie ihre alte Klasse nicht mehr erreicht. Die Olympischen Winterspiele in Sotschi musste sie auslassen, im vergangenen Winter quälte sie sich zunächst im Weltcup, verpasste die WM-Norm und stieg in den zweitklassigen IBU-Cup ab. Für Aufmerksamkeit sorgte sie zuvorderst als Freundin von Alpinskifahrer Felix Neureuther und mit Fotos im Playboy.
Im Trainingslager in Norwegen hat sie sich nun wieder für das ATeam empfohlen. „Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen geplumpst“, sagt sie, „gar nicht so sehr, weil ich mich für den Weltcup empfehlen konnte, sondern viel mehr, weil ich gemerkt habe, dass ich wieder in Form bin und mich auch im Rennen wieder gut fühle.“Mit 25 Jahren unternimmt sie einen Neuanfang.
In Norwegen fühlt sie sich wohl. Ihre Mutter stammt aus dem Land. Und jetzt besitzt sie unweit des Geländes, auf dem sich die deutsche Mannschaft auf die Saison vorbereitet hat, eine Holzhütte. Es passt, dass der Höhepunkt ihres Comeback-Winters in Norwegen stattfindet: die Weltmeisterschaften Anfang März auf dem Holmenkollen in Oslo. „Die Ruhe hat ihr sehr gut getan. Es hat ihr geholfen, im Schatten der anderen ihr Ding durchzuziehen. Es geht wirklich voran, sie hat toll trainiert“, sagt Trainer Hönig über die Trainingsphase in Skandinavien.
Gössner galt als die große Hoffnungsträgerin des deutschen Wintersports. Zunächst schwankte sie zwischen Langlauf und Biathlon – bei den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver stand sie sogar in der Langlaufstaffel, die Silber holte. Doch seit 2011 setzt sie ganz auf den Winter-Zweikampf. Zwei WM-Titel mit der Staffel und unter anderem drei Einzelsiege im Weltcup gelangen ihr. Gössner galt als Nachfolgerin von Magdalena Neuner: blond, telegen, bayerisch-bodenständig.
Wie Neuner gehörte sie in der Loipe immer zu den Stärksten, am Schießstand enttäuschte sie dagegen oft. So wie Neuner in ihren ersten Weltcupjahren. Doch die späte- re Doppel-Olympiasiegerin bekam ihre Probleme mit der Waffe in den Griff. Und Gössner? Trainer Hönig hat die Hoffnung jedenfalls noch nicht aufgegeben: „Sie hat die Wichtigkeit des Schießens noch einmal überdacht, sieht die Wertigkeit der Teildisziplinen nun anders. Es hat ein Sinneswandel stattgefunden.“
Gössner betont: „Ich bin ohne gesundheitliche Beschwerden, und das ist schon die halbe Miete.“Im Sommer war sie so fit, dass sie mit ihrer Mannschaftskameradin Laura Dahlmeier auf das Matterhorn klettern konnte, auf 4478 Meter. Auf dem Weg nach oben, neue Perspektiven – die Klettertour könnte eine Metapher sein für das, was sie in diesem Winter vorhat.