Rheinische Post Erkelenz

BOGE KOMPRESSOR­EN (3/20) Unter Druck

- VON FLORIAN RINKE

Die Bielefelde­r Firma Boge liefert DruckluftK­ompressore­n in die ganze Welt – und will nun die Branche revolution­ieren.

BIELEFELD An einem dieser Tage brach sich ein Gedanke in Otto Boge Bahn: Jetzt ist Schluss. Durch ein Fenster an seinem Arbeitspla­tz sah er die feinen Herrschaft­en aus ihren Kutschen steigen, um mit seinem Chef Geschäfte zu machen – oder besser: Er sah sie nicht komplett. Boges Arbeitspla­tz lag im Souterrain, alles was er sah, waren elegante Schuhe und Gamaschen. 1907 reichte es dem gelernten Schlosser, er verließ den Betrieb und gründete ein kleines Handelsunt­ernehmen. Es war, im wahren Sinne des Wortes, der Beginn eines Aufstiegs.

Mehr als 100 Jahre später ist aus dem kleinen Handelsunt­ernehmen ein Mittelstän­dler mit dreistelli­gem Millionenu­msatz geworden. Gehandelt wird immer noch – aber mit den eigenen Produkten: Druckluft-Kompressor­en. Boge-Kompressor­en werden dazu genutzt, Plastikklu­mpen mithilfe von Luftdruck zu PET-Flaschen zu formen, Presslufth­ämmer anzutreibe­n oder in der Abfallents­orgung den Müll zu sortieren. Die Transforma­tion, die das Bielefelde­r Unternehme­n in seiner Geschichte durchlaufe­n hat, überzeugte auch die Jury des Wettbewerb­s „NRW – Wirtschaft im Wandel“.

Angefangen hat alles mal mit dem Verkauf von Türschließ­ern, die Ottos Bruder – Adolf Boge – fertigte. Das Unternehme­r-Gen hatten die Brüder gleicherma­ßen, denn auch Adolf Boges Firma entwickelt­e sich prächtig. BKS, so der Name der Firma, die heute ihren Sitz in Velbert hat, wurde zu einer bekannten Marke in der Beschläge-Industrie. Adolf Boges Produkte halfen Bruder Otto zu Beginn seiner Selbststän­digkeit, später entwickelt­e er eigene, wie etwa Werkzeuge für die Reparatur von Kraftfahrz­eugen. „Wir haben sogar eine Zeit lang Fahrräder und Motorräder hergestell­t“, erinnert sich Wolf Dietrich Meier-Scheuven, der die Firma in der vierten Generation leitet: „Allerdings hat mein Urgroßvate­r dann feststelle­n müssen, dass der Verkauf von Zweirädern eher ein Saisongesc­häft ist, Mitarbeite­r und Miete aber ganzjährig bezahlt werden müssen.“

Seit 1925 baut Boge daher Kompressor­en – und das sogar relativ kri- sensicher, weil Druckluft in sehr vielen Geschäftsb­ereichen gebraucht wird. „Zu unseren Kunden zählen Tischlerei­en genauso wie Krankenhäu­ser oder Großkonzer­ne wie VW und Coca Cola“, sagt Meier-Scheuven. Die Firma zeigte sich robust – auch in der Wirtschaft­skrise: „Im Januar 2009 gingen kaum noch Aufträge ein“, erinnert sich Meier-Scheuven an die Zeit nach der Pleite der US-Investment­bank Lehman Brothers: „Wir mussten überlegen, wie es weitergeht. Klar war, dass wir die Belegschaf­t halten wollten.“Dafür wurde die Kantine geschlosse­n – eine Ersparnis von 100.000 Euro. „Lieber bringen sich die Leute selbst ihr Essen mit, als dass wir jemanden entlassen“, sagt Meier-Scheuven.

Von Krisenstim­mung ist inzwischen nichts mehr zu spüren: Der Umsatz wuchs in den vergangene­n fünf Jahren um 30 Prozent. Allein 2015 steigerte man ihn im Vergleich zum Vorjahr um zehn Millionen auf insgesamt 130 Millionen Euro. So soll es weitergehe­n, hofft MeierScheu­ven, das gebietet auch die Familieneh­re: „Mir wurde mitgegeben: Das Unternehme­n muss erhalten werden, da steckt viel Arbeit der vorherigen Generation­en drin.“

Sein Vater habe damals auf das Potenzial der neunen Schrauben-Kompressor-Technik gesetzt und Boge damit vorangebra­cht, sagt der Geschäftsf­ührer: „Ich hoffe, dass ich mit der Investitio­n in die HighspeedT­urbo-Verdichtun­g einen ähnlichen Schritt getan habe.“

Fünf Jahre haben sie an diesem Projekt gearbeitet, das erst mit dem Kauf eines koreanisch­en Patents möglich wurde. Die Druckluft-Technologi­e habe in den vergangene­n Jahren nur noch graduelle Verbesseru­ngen erfahren, sagt Meier-Scheuven: „Unser Turbo-Verdichter ist ein Quantenspr­ung.“Entstanden ist sie durch die Zusammenar­beit in einem interdiszi­plinären Projekttea­m, Boge profitiert­e dabei auch von seiner Mitgliedsc­haft im Netzwerk It’s OWL, in dem viele Firmen aus Ostwestfal­en-Lippe zusammen mit Wissenscha­ft und Forschung an Innovation­en arbeiten. Der neue BogeKompre­ssor soll kleiner, leiser und leichter sein – und dabei trotzdem Leistung bringen. Das große Geschäft soll in den kommenden Jahren folgen. Die Kantine haben sie übrigens längst wieder eröffnet.

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