Die Herausforderer
In den Tischtennis-Teamwettbewerben greifen die deutschen Männer und Frauen in Rio nach Medaillen.
DÜSSELDORF Es könnte das Finale eines gut besetzten Tischtennisturniers sein. Dimitrij Ovtcharov, die in Hameln geborene und für den russischen Klub Orenburg spielende Nummer fünf der Weltrangliste, und der Österreicher Stefan Fegerl, Nr. 21 der Welt, schlagen sich den Ball zu. Der besteht seit zwei Jahren nicht mehr aus Zelluloid, sondern aus Plastik. Das Spiel hat sich dadurch zwar leicht verändert (etwas weniger Spin, etwas langsamer), die Topleute geben aber nach wie vor den Ton an. Ovtcharov und Fegerl bestreiten indes kein Finale. Sie trainieren in dieser Woche im Leistungszentrum am Staufenplatz in Düsseldorf. An einem Nebentisch übt Vladimir Samsonov. Der Weißrusse ist die Nummer neun der Welt.
Mit den Besten üben, um sich zu verbessern – in China, das bei den Männern die ersten vier der Weltrangliste und bei den Frauen die Top drei stellt, ist dies der Normalfall. Ein wesentlicher Grund für die Dominanz der Aktiven aus dem Reich der Mitte. „Ich hoffe, dass sie mal schwächeln und wir zugleich eine mega gute Form haben. Ein anderer Sieger würde unserer Sportart guttun“, sagt Jörg Roßkopf. Der 47Jährige, einst einer der Weltbesten an der Platte, trainiert die MännerNationalmannschaft.
Eine Medaille ist das Ziel, das sich Ovtcharov, Timo Boll und Bastian Steger, aber auch Han Ying (33), Petrissa Solja (22) und Shan Xiaona (33) für Rio gesetzt haben. Wobei die Chancen des Frauen-Trios sogar größer sind. „Wir brauchen uns nicht zu verstecken“, sagt Richard Prause. Der Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) betont aber auch, dass eine gute Auslosung am 3. August fast genauso wichtig ist wie die Tagesform. „Medaillen“, sagt Prause, „wären schon eine Strahlkraft für das deutsche Tischtennis.“
Olympische Spiele sind etwas Besonderes, nicht allein, weil sie nur alle vier Jahre stattfinden. „Du hast als Sportler mehr Zeit, dich vorzubereiten. Für viele Sportarten bietet sich die Chance, ins Rampenlicht zu kommen“, sagt Männer-Chefcoach Roßkopf. Mancher Athlet geht dabei sogar übers Limit hinaus, was er für eine WM oder EM nicht unbedingt machen würde. Olympische Spiele sind die Bühne, auf der man seinen Marktwert steigern und das Interesse von Sponsoren wecken kann.
Doch das ist für die Männer und Frauen, die sich mit nur wenigen Tagen Pause seit dem 13. Juni auf den sportlichen Höhepunkt des Jahres vorbereiten, nicht der Antrieb. Sie wollen Medaillen, wollen sich belohnen für viele Entbehrungen und zahlreiche Trainingsstunden, die sie letztlich in die Position brachten, auch in Rio ernst genommen zu werden.
Olympische Spiele sind wegen der Vielfalt von Sportarten und der zahlreichen Sportler im Olympischen Dorf für viele eine neue Erfahrung. Auch das Frauen-Trio ist erstmals beim größten Sportfest der Welt dabei. Die Warnung vor „social eating“bedarf es dennoch nicht. Dieses Sich-länger-als-erforderlichbeim-Essen-aufhalten, um Leute zu beobachten oder Kontakte zu knüpfen, ist wohl kein Thema für Athleten, die mit dem Ziel anreisen, erfolgreich zu sein.
Petrissa Solja, die Aufsteigerin im deutschen Team, war durch eine Infektion zurückgeworfen worden, ist jetzt erst wieder bei „70 Prozent“ihres Leistungsvermögens. Sorgen be- reitet ihr das nicht. „Vielleicht ist es auch ganz gut“, sagt sie. Wäre ich schon in Topform, wäre es vielleicht schwer, diese bis Rio zu halten.“
Die Männer proben am Samstag in Kassel gegen Europameister Österreich den Ernstfall. Timo Boll fehlt noch eine olympische Einzelmedaille in seiner Sammlung. „Sie zu holen, ist im Training der Ansporn, sich zu quälen. Im Alltag macht mich der Gedanke aber nicht verrückt“, erklärt der Routinier.
Letztendlich geht es darum, einen guten Aufschlag zu spielen, gute, klare Gedanken zu haben, die Konzentration hochzuhalten und den Rückschlag hinzubekommen.
Klingt einfach, ist es aber nicht.