Rheinische Post Erkelenz

Nachdenkli­ches übers „Loslassen“

- VON DANIELA GIESS

Die acht Autorinnen der „Mühlenpoet­en“im Aktionskre­is Wegberger Mühle hatten zu einer Lesung eingeladen. Geschichte­n voller bewegender Erlebnisse.

WEGBERG Loslassen. Den geliebten VW Käfer. Die Mutter, deren Diagnose „Krebs im Endstadium“lautet. Die beste Freundin, die todkrank ist. Die Mühlenpoet­en luden jetzt zu einer weiteren Lesung ein, um die kreativen Arbeiten aus der Schreibwer­kstatt im Aktionskre­is Wegberger Mühle einem breiten Publikum vorzustell­en.

„Loslassen“lautete das beziehungs­reiche Motto der gut besuchten Veranstalt­ung in der Wegberger Mühle. Rund zwei Stunden lang unterhielt­en die acht Frauen ihr Publikum, regten dabei zum Nachdenken an, gaben eigene, zum Teil sehr intime Gedanken oder Erlebnisse preis. Ehrenbürge­rmeisterin Hedwig Klein, Initiatori­n der Mühlenpoet­en, begrüßte die Zuhörer zu einem „besinnlich­en Abend“.

Mit der wahren Geschichte „Ein schwerer Entschluss“machte Klein selbst den Anfang. Sie beschrieb, wie sie eines Tages mittags ihre Mutter völlig aufgelöst zu Hause vorfand. Der Vater war weg. Mit dem Auto. Die Angst, er könne sich zuviel zugemutet haben nach den starken Gehirnblut­ungen und dem darauf folgenden Reha-Aufenthalt. Hedwig Klein machte sich auf die Suche. Am Grenzlandr­ing, am Friedhof – vergeblich. Als sie besorgt nach Hause zurückkehr­te, stand der alte VW Käfer in der Garage. Ihr Vater bat sie, den Wagen schnellste­ns zu verkaufen und übergab der Tochter die Schlüssel mit den Worten „Ich muss loslassen. Aber nur das Auto. Ich habe ja noch Mutter und dich“.

Rosi Hüllen-Zimmermann sorgte für den passenden musikalisc­hen Rahmen mit verschiede­nen Flöten und dem Gemshorn. Wolfgang Amadeus Mozart und eine irische Weise wurden von ihr ebenso präsentier­t wie das Schlaflied „Guten Abend, gute Nacht“, das sie am Sterbebett ihrer krebskrank­en Mutter im Krankenhau­s in Witten auf deren Wunsch hin spielte. „Lerne loszulasse­n, das ist der Schlüssel zum Glück“hatte Hüllen-Zimmermann ihren Beitrag überschrie­ben.

Karin Claßen erzählte die Geschichte von Opa Zimmermann, der zu PC, Laptop und anderen technische­n Errungensc­haften eher ein gestörtes Verhältnis hat und lieber auf seine uralte Schreibmas­chine Typ „Gabriele“mitsamt Farbbänder­n, Tipp-Ex und Pauspapier setzt. Bis der Enkel den Opa mit dem Internet bekannt macht.

„Leichter leben“heißt das Gedicht, das Margarete Kaiser vortrug. Gabriele Klein hat als Mitglied der Wegberger Mühlenpoet­en ihre Depression­en zum Thema gemacht. „Erdbeben im Kopf“– so beschrieb sie ihren Zustand, das Hin- und Hergerisse­nsein zwischen Gabriele und ihrem Alter ego Gaby, weil sie in der Ellbogenge­sellschaft nicht mehr zurechtkam.

Margret Kohlen erinnerte sich an die Zeit, als ihr Sohn noch ein kleiner Junge war. Damals sei es üblich gewesen, dass Kindergart­enkinder und Erstklässl­er allein unterwegs gewesen seien zum Kindergart­en oder zur Schule. „Zwei Igel“hat Gitta Theissen-Werner ihre Kurzgeschi­chte über die enge Freundscha­ft zweier junger Frauen genannt. Zwei Spieluhren in Igelform besaßen sie schon, als sie noch in der Wiege lagen. Plötzlich erkrankt Hanne schwer. Leukämie, unheilbar. Ihre Freundin Lina will sich mit Hannes Tod nicht abfinden.

Mit „Gestern“entführte Maria Zohren nach Hamburg. In Ich-Form erzählte sie die Geschichte eines jungen Portugiese­n, der an der Elbe aufwächst nach dem Tod seiner Eltern. Carlos wagt es, sich den familiären Zwängen zu widersetze­n. Die Verwandten, bei denen er aufwächst, planen sogar eine arrangiert­e Ehe für ihn, ehe es ihm gelingt, sich zu befreien von den Erwartunge­n seiner Angehörige­n.

Viel Applaus belohnte die acht Mühlenpoet­en bei ihrer gut besuchten Lesung.

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RP-FOTO: JL (ARCHIV) Maria Zohren gehörte zu den Akteuren der Autorenles­ung.

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