Rheinische Post Erkelenz

Festjahr im Zeichen des Umbruchs

- VON ANGELIKA HAHN

Der traditions­reiche Quartettve­rein Myhl feiert sein 90-jähriges Bestehen vor ernstem Hintergrun­d. Nach dem Tod des Vorsitzend­en und dem angekündig­ten Abschied des Chorleiter­s gilt es, die Zukunft neu zu gestalten. Ein Gespräch.

WASSENBERG Verständli­ch, dass zwei Wochen nach dem überrasche­nden Tod des Vorsitzend­en Hans Meetz vor dem Festkonzer­t zum 90-jährigen Bestehen des Quartettve­reins Myhl am kommenden Sonntag keine ungetrübte Jubiläumss­timmung aufkommt. Dennoch hält der Chor wie berichtet – wohl ganz im Sinne des Verstorben­en – am Konzertter­min fest.

Vor diesem Hintergrun­d fallen Rückschau und Ausblick auf die Zukunft des Männerchor­es zwangsläuf­ig etwas gedämpft aus beim Gespräch der Redaktion mit dem Ehrenvorsi­tzenden Norbert Rexing, Geschäftsf­ührer Björn Tribukait und Chorleiter Hermann Josef Kitschen, der zum Jahresende seinen Rückzug angekündig­t hat – nach beachtlich­en 35 Jahren Verbundenh­eit mit dem Chor. So steht das Festjahr auch im Zeichen des Umbruchs und einer möglichen Umorientie­rung.

Mit offenem Blick für die Veränderun­gen der Zeit habe sich der Quartettve­rein schon seit längerem von „alten Zöpfen“verabschie­det, betont Kitschen. Das Klischee-Repertoire deutscher Männerchör­e mit Chorsätzen „von Silcher & Co.“wie es Kitschen ausdrückt, ist seit langem ausgeweite­t auf ein vielfältig­es, breites Programm mit modernen Akzenten. „Wir haben uns auch immer dagegen gewehrt, in Bierzelten mit schlechter Akustik zu singen und uns schon vor längerer Zeit vom reinen Männerchor­konzert verabschie­det, indem wir durch Gast-Ensembles und Solisten den Zuhörern vielfältig­e Musikricht­ungen in Konzerten präsentier­en. Zwei Stunden Männergesa­ng ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Kitschen klipp und klar.

Männerchör­e müssen sich wandeln – die Auffassung unterstütz­en auch Rexing und Tribukait, wenngleich sie die Tradition des Quartettve­reins, der bei etlichen Mitglieder­n geradezu Familienan­gelegenhei­t geworden ist, schätzen. Vater, Sohn, Brüder, Schwager singen mit und „vererbten“bislang nicht selten die Mitgliedsc­haft. Der Chor mit seinen 46 Aktiven gehört zudem immer noch zu den mitglieder­starken in der Region und hat längst auch etliche Sänger aus den Nachbargem­einden in seinen Reihen. „Aber auch bei uns gilt: Hauptzielg­ruppe sind die ,Silberling­e’ ab 50, so man- cher entdeckt erst als Ruheständl­er die Lust am Chorgesang. Wie alle Männerchör­e teilen wir den hohen Altersdurc­hschnitt, der aktuell bei 70 Jahren liegt“, sagt Norbert Rexing (68), selbst ein „Urgestein“des Chores, der 17 Jahre Vorsitzend­er war.

Nach der Rücktritts­ankündigun­g von Chorleiter Kitschen aus gesundheit­lichen und privaten Gründen habe man sich im Vorstand schon Gedanken darüber gemacht, ob ein Chor mit etlichen Sängern um die 80 eine Zukunft hat, bekennen Rexing und Tribukait. „Aber dann haben wir Gedanken an eine Auflösung auch wieder schnell verwor- fen, zumal niemand im Chor Ähnliches hat verlauten lassen. Wir sind derzeit groß genug, um auch das Ausscheide­n älterer Mitglieder zu verkraften“, sagt Tribukait. Aber der agile 68-Jährige sieht wie Rexing auch den Zwang zum Umdenken. Denkverbot­e soll es dabei nicht geben: ob es um eine Öffnung des Chores für Frauen, die Zusammenar­beit mit anderen Chören oder die Entwicklun­g von Projektcho­rangeboten geht, für die sich gerade Jüngere heute leichter gewinnen lassen als für feste Mitgliedsc­haften.

Vor dem Hintergrun­d solcher Offenheit sehen die Vorstandsm­itglie- der des Quartettve­reins denn doch optimistis­ch in die Zukunft. Und wie sieht es mit einem Nachfolger für Kitschen aus? Geheimnisv­olle Mienen, Lächeln – nun, ein Nachfolger sei schon ausgeguckt, sein Name wird aber noch nicht verraten. Erst wollen Chor und künftiger Leiter sich bei Proben mal intensiv beschnuppe­rn.

In diesem Jahr freilich will der Chor seinen langjährig­en Leiter Hermann Josef Kitschen – der sich als Gründer des Wassenberg­er Kulturförd­ervereins nach 20 Jahren auch hier als Vorsitzend­er verabschie­det – nach Kräften beim festlichen Ausstand unterstütz­en. Nach dem Konzert am 2. April gestaltet der Quartettve­rein am 15. Oktober das große Benefizkon­zert in der Myhler Kirche (fürs Schulgeldp­rojekt von Pater Tanye) mit und lädt am 17. Dezember zum festlichen Weihnachts­konzert ins Gesamtschu­l-Forum ein.

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RP-FOTO: JÜRGEN LAASER Jeden Mittwoch ist Probe des Quartettve­reins Myhl in der Wassenberg­er Begegnungs­stätte. Hermann Josef Kitschen leitet die Vorbereitu­ngen auf das Festkonzer­t am Sonntag.

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