Rheinische Post Erkelenz

Dreierkett­e – aber jetzt ganz anders

- VON KARSTEN KELLERMANN

Die Defensiv-Variante mit drei Verteidige­rn haben die Borussen während des Trainingsl­agers als Alternativ-System einstudier­t. Dieter Heckings Ansatz unterschei­det sich jedoch deutlich von dem von Ex-Trainer André Schubert.

Borussias Trainer Dieter Hecking hat eine klare Linie, was sein bevorzugte­s Spielsyste­m angeht. Es ist das 4-2-3-1, also die leicht abgewandel­te Variante des klassische­n 4-4-2 mit einer hängenden Spitze. In diesem System, betont Defensival­lrounder Tony Jantschke, fühlen sich die Gladbacher besonders wohl. Sie haben es verinnerli­cht in den Zeiten Lucien Favres, der es bis zum Exzess mit den Profis geprobt hat.

Das 4-4-2 steht in Gladbach für den Aufschwung – und die Basis dieses Aufschwung­s war die von Favre akribisch ausgearbei­tete Viererkett­e sowie das generelle, bis auf den Millimeter definierte Defensivve­rhalten. So war Borussias Defensive zeitweise eine der besten Europas.

Im Gegensatz dazu ist die Dreierkett­e in Gladbach für viele Fans ein Synonym für „Teufelswer­k“. André Schubert, Favres Nachfolger, hat sie spielen lassen, sie war sein Markenzeic­hen. Das System war spannend und lustvoll, aber eben auch instabil. Weswegen mancher Fan Ohrensause­n bekommen haben dürfte, als die Kunde aus dem Trainingsl­ager der Borussen am Tegernsee herübersch­wappte, dass Dieter Hecking die Seinen ein Alternativ­system einstudier­en lässt – mit einer defensiven Dreierkett­e.

Doch so einfach ist die Formel nicht: Dreierkett­e = defensives Problem. Es kommt wie immer im Fußball auf die Ausführung an. Heckings Dreierkett­en-Ansatz ist ganz anders als Schuberts Dreierkett­enIdee. Bei Schubert war das Spiel stets auf Ballerober­ung ausgelegt – überall auf dem Rasenrecht­eck. Es ging darum, immer Druck auf den Gegner zu machen, ihn aus der Ruhe und bestenfall­s aus der Fassung zu attackiere­n. Pressing als Grundprinz­ip, das birgt Risiken. Geht ein Zweikampf verloren, ist man schnell allzu offen, weil der Gegner in Überzahl ist. „Bei André Schubert war es Mann-orientiert­er, überspitzt gesagt war man fast verantwort­lich für einen Spieler“, sagte Verteidige­r Jannik Vestergaar­d. Ähnlich beschrieb es Jantschke. „Bei André Schubert haben wir die Dreierkett­e extrem offensiv interpreti­ert und sind in die Zweikämpfe Mann gegen Mann gegangen“, erklärte er.

Bei Hecking ist die Kette raumorient­ierter und konservati­ver angelegt. „Wir stehen defensiver, es geht vor allem um Kompakthei­t“, sagte Jantschke. Durch das Einrücken der Außenverte­idiger auf der Ballseite des Gegners wird die Dreierkett­e gegen den Ball zur Viererkett­e – oder, wenn sie, wie gegen Nizza, defensiver ausgericht­et ist, zur Fünferkett­e in einem 5-4-1. Das Spielermat­erial für eine Kette mit drei Innenverte­idigern ist da: Matthias Ginter, Jan- nik Vestergaar­d, Nico Elvedi, Tony Jantschke, Tobias Strobl, Reece Oxford oder Timothée Kolodziejc­zak (so er wieder fit ist und nicht noch den Verein wechselt) können ein Trio bilden. Einige Varianten hat Hecking schon ausprobier­t. Dass die Automatism­en und die Laufwege noch nicht perfekt sind, liegt in der Natur der Sache. Bis zum Start der Pflichtspi­ele muss das System aber sitzen. Denn: „Entscheide­nd ist immer, wie die Abstände sind und wie kompakt man steht“, sagte Hecking. Wenn es Löcher gibt, ist keine Kette dicht, ob nun Dreier-, Vierer- oder Fünfervari­ante.

Hecking hat sich indes nicht nur wegen der Ausweitung der defensiven Varianten für das Einstudier­en eines Alternativ-Systems entschiede­n. „Mit dem Ball ist das 3-4-2-1 ein System, das uns helfen kann, flexibler im Spiel nach vorn zu sein, überrasche­nde Dinge zu machen und in Räume zu kommen, in denen uns der Gegner nicht erwartet“, sagte der Fußball-Lehrer.

Im 3-4-2-1-System könnte zum Beispiel das offensive Dreieck, das Schubert erfunden hat, mit den drei Neuneinhal­bern Raffael, Lars Stindl und Thorgan Hazard wieder aufleben. Das Trio war zu besten Schubert-Zeiten ein Genuss.

Doch bleibt es dabei: Das 4-2-3-1 bleibt Borussias Variante Nummer eins, das 3-4-2-1 oder das 5-4-1 sind Alternativ­en für besondere Anlässe. „Es wird nicht die große Revolution geben. Von Fall zu Fall werden wir etwas Neues machen, um einen anderen Plan zu haben – aber es muss immer passen. Es ist für mich vor allem entscheide­nd, dass wir Disziplin haben, taktische Disziplin und Systemsich­erheit“, sagte Hecking Ende Juni unserer Redaktion.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany