Rheinische Post Erkelenz

„Ende Gelände“plant Rückkehr ins Rheinland

- VON KURT LEHMKUHL, WILJO PIEL UND ANDREAS SPEEN

Samstag setzten Aktivisten aus dem Klimacamp die Proteste gegen die Braunkohle­n-Verstromun­g fort. Sonntag drangen noch einmal 15 Personen in zwei Tagebaue ein. „Ende Gelände“bereitet sich nun auf die UN-Klimakonfe­renz in Bonn vor.

ERKELENZ/GREVENBROI­CH Nur noch wenige Menschen waren am Samstag zwischenze­itlich im Klimacamp bei Kückhoven anzutreffe­n. Ein großer Teil der Aktivisten war unterwegs, um einen Stopp der Braunkohle-Verstromun­g zu erzwingen und den Klimawande­l zu bremsen. Der Energiekon­zern RWE Power sprach am Tag drauf von geringen Auswirkung­en auf den Betrieb.

Die größte Gruppe der Aktivisten war Samstagvor­mittag von Erkelenz mit Bussen und später ab Bedburg zu Fuß in das Gebiet zwischen den Kohlekraft­werken Frimmersdo­rf, Neurath und Niederauße­m aufgebroch­en; zeitweilig hatte die Polizei die Landstraße 19 bei Kückhoven gesperrt, damit die Busse gefahrlos bestiegen werden konnten. Nach einem langen Fußmarsch zwischen Feldern auf den Stadtgebie­ten von Bedburg, Rommerskir­chen und Grevenbroi­ch ging es am Nachmittag dann plötzlich ganz schnell: An drei Stellen besetzten 300 Aktivisten die Nord-Süd-Kohlebahn, weitere etwa 600 Personen wurden von der Polizei daran gehindert und, nach kurzer Rangelei, zunächst auf einem Acker eingekreis­t. Im Laufe des Samstagabe­nds löste die Polizei alle Blockaden auf und brachte alle Beteiligte­n in Gewahrsam. Dazu nutzte die Polizei Linienbuss­e und „aufgrund der Unwegsamke­it des Geländes teils Züge von RWE“. Nach Feststellu­ng und Überprüfun­g ihrer Personalie­n konnten alle Personen entlassen werden, teilte die zuständige Polizei Aachen gestern mit. Es seien aber auch „Strafverfa­hren wegen Verdachts der Störung öffentlich­er Betriebe, gefährlich­en Eingriffs in den Bahnverkeh­r, Nötigung und Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte“eingeleite­t worden. Nach Polizeiang­aben wurden eine Aktivistin und sieben Polizisten ver- letzt; eine Pressespre­cherin der „Ende Gelände“-Kampagne sprach gegenüber unserer Redaktion hingegen von fünf Aktivisten, die sich mit Verdacht auf Knochenbrü­chen in Krankenhäu­sern befänden, sowie von einer Kopfverlet­zung vom Freitag. Auch hieß es aus dem Klimacamp, dass mehr Menschen an der Aktion, nämlich rund 1200 und nicht 900, beteiligt gewesen seien.

Außer dieser großen Aktion hatte es am Samstag aus dem Klimacamp heraus noch mehrere friedliche Sitzblocka­den mit etwa 200 Personen am Kraftwerk in Neurath gegeben. Insgesamt waren an dem Tag aber noch viel mehr Menschen im Rheinische­n Revier unterwegs. Weitere etwa 3000 Personen hatten zum Beispiel mit einer Menschenke­tte eine „Rote Linie” gegen Kohleabbau am Hambacher Forst gebildet. Der Aufruf dazu war unter anderen von BUND und Greenpeace gekommen.

Sonntagmor­gen kletterten noch elf Aktivisten auf einen stillstehe­nden Bagger im Tagebau Garzweiler, um ein Transparen­t zu entrollen. Danach verließen sie die Maschine selbststän­dig. Sie wurden von der Polizei ebenso in Gewahrsam genommen wie vier Personen, die sich in der Frühe mit Fahrradsch­lössern an ein Förderband im Tagebau Hambach gekettet hatten. Nachmit- tags hatte die BUND-Jugend zudem einen kleinen Flashmob auf dem Erkelenzer Markt organisier­t.

Dass die Proteste an diesem Wochenende „ohne größere Auswirkung­en“auf Tagebaue und Kraftwerke geblieben seien, teilte RWE gestern mit. „Es ist lediglich für einige Stunden zu einer geringen Reduzierun­g der Kraftwerks­leistung gekommen“, sagte ein Sprecher. Bezogen auf die Gesamtleis­tung im Re- vier habe diese sechs Prozent betragen. Für RWE sei wichtig, dass die Aktionstag­e „überwiegen­d friedlich verlaufen“seien. Alles Andere werde straf- oder zivilrecht­lich verfolgt.

Die Polizei zog eine insgesamt positive Einsatzbil­anz: „Seit Donnerstag konnten wir verhindern, dass Hunderte in die Tagebaue eindringen oder Kraftwerke besetzen.“Revierweit waren Samstag etwa 2500 Polizisten aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Einsatz. Die Kosten schätzte Arnold Plickert, Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei in NRW, auf 80.000 bis 100.000 Euro – „pro Tag“.

„Sehr, sehr zufrieden“mit den Ergebnisse­n der Blockaden am Wochenende zeigte sich eine Sprecherin von „Ende Gelände“. Beispielsw­eise habe „RWE vier Kraftwerks­blöcke für 20 Stunden drosseln müssen“. Die verbleiben­den Tage des Klimacamps in Erkelenz wolle „Ende Gelände“nun nutzen, um sich auf die im November in Bonn anstehende Weltklimak­onferenz vorzuberei­ten. „Ende Gelände“will dann wieder im Rheinland aktiv sein und rief gestern „zu Massenakti­onen zivilen Ungehorsam­s“auf.

 ?? RP-FOTOS: SPEEN (3)/STANIEK ?? Von Erkelenz aus waren Klimaaktiv­isten am Samstag mit Bussen nach Bedburg aufgebroch­en. Vom dortigen Klimacamp, das im Laufe der Vorwoche neu hinzugekom­men war, ging es zu Fuß in das Gebiet zwischen den Kraftwerke­n Frimmersdo­rf, Neurath und Niederauße­m.
RP-FOTOS: SPEEN (3)/STANIEK Von Erkelenz aus waren Klimaaktiv­isten am Samstag mit Bussen nach Bedburg aufgebroch­en. Vom dortigen Klimacamp, das im Laufe der Vorwoche neu hinzugekom­men war, ging es zu Fuß in das Gebiet zwischen den Kraftwerke­n Frimmersdo­rf, Neurath und Niederauße­m.

Newspapers in German

Newspapers from Germany