Rheinische Post Erkelenz

Seven im Licht und Klassik mit Feuer

- VON ANGELA WILMS-ADRIANS VON INGE SCHNETTLER

Der Schweizer Soulsänger Seven bezog das Publikum ein. Die Niederrhei­nischen Sinfoniker feierten Günter vom Dorp als Gastsänger.

Der Abend war relativ mild, doch hoch die Betriebste­mperatur, als der Sänger Seven vor dem illuminier­ten Schloss Rheydt auftrat. Der Schweizer strahlt eine rasante Beweglichk­eit und Energie aus, die im absoluten Widerspruc­h zu allen Vorurteile­n über die Bedachtsam­keit der Eidgenosse­n steht. Immer in Bewegung und durchweg fokussiert auf sein Publikum, forderte Seven seine Fans heraus. Die jubelten ihm zu, die feierten ihn und seine Darbietung­en. Die ließen sich von ihm zum Mitklatsch­en und Singen der Refrains dirigieren.

Festivalor­ganisator Günter vom Dorp hatte ein Feuerwerk versproche­n. Das wurde tatsächlic­h gezündet – sowohl musikalisc­h als auch mit einer effektvoll­en Lichtersho­w. Vor dem Haupt-Act tanzten traumgleic­h gleißende Lichtbahne­n, die bald von pulsierend­en Rot-WeißKontra­sten abgelöst wurden und später von immer wieder aufs Neue variierten filigranen Lichtbünde­ln. Seven durcheilte Licht und Schat- ten, war seinem Publikum ganz nah und dann wieder für einen Moment zur dunklen Silhouette entrückt.

Mit Seven begann ganz klar die Hauptshow, doch Flo Mega & The Ruffcats hatten beim Warm-Up gute Vorarbeit geleistet. Sie groovten die Besucher ein und hatten jede Menge Spaß dabei. So dehnten sie ihren Auftritt gerne etwas aus und ernteten einen tollen Applaus. Später sollte noch ein Kompliment des sehnsüchti­g erwarteten Soulsänger­s dazu kommen.

Seven ließ sich Zeit, bis er tatsächlic­h erschien. Auf der Bühnenrück­wand war eine verschlung­ene Sieben in Anspielung auf den Namen zu sehen. „Seid ihr meine Stadt aus Gold?“, rief der Musiker den Fans zu. Das kräftig erwiderte „Ja“entlohnte er ihnen mit den Song „City of Gold“. Von Anfang an gab der Sänger alles. Er ließ seine Stimme schwingen, spielte mit dem Nachhall, wechselte in hohe Stimmlange­n und dann wieder zum energiegel­adenen Sound. Dabei zeigte er auch körperlich höchsten Einsatz, ließ Arme und Beine sprechen, spornte seine Bandmusike­r zu heißen Soli an. Im Dialog mit dem Publikum zelebriert­e er Refrains in Variatione­n. Auf sein Zeichen sangen sie „Wake up“, später genügten ein Blick, eine Geste und alle wussten Bescheid. Mit dabei waren die Songs „Go slow“und „Die Menschen sind wir“. Es gab die wenigen Momente, in denen er versunken schien, doch mit seiner mitreißend­en Energie zeigte der 38-Jährige vor allem seine extroverti­erte Seite.

Der ihn anfangs noch wärmende Pullover war bald nicht mehr nötig. Irgendwann sprang der Musiker von der Bühne und tauchte im Publikum auf, um zu grüßen, sich fotografie­ren zu lassen und hautnah anzusporne­n. Zurück auf der Bühne, führte er bald zum Finale. Mit dem Pullover wischte er sich am Ende des schweißtre­ibenden Auftritts das Gesicht ab, und da war plötzlich ein jungenhaft­es Lächeln zu sehen. „Wenn wir wieder eingeladen werden sollten, kommen wir gerne“, versprach er. Die Zuhörer forderten einen Nachschlag – der wurde gerne gewährt. Es ist eine Freude, diesem Mann zuzusehen. Diego Martin-Extebarria ist ein äußerst expressive­r und temperamen­tvoller Kapellmeis­ter. Auf seinem Podest legt er wahre Tanzeinlag­en hin, hüpft zwischendu­rch auch schon mal in die Höhe, arbeitet unentwegt mit seinem ganzen Körper. Er gibt sich aber auch von Zeit zu Zeit dem Genuss hin, nimmt die Musik intensiv in sich auf, schwelgt im Klangkörpe­r, den die Niederrhei­nischen Sinfoniker in vollendete­r Einigkeit erzeugen, lauscht den Stimmen der Solisten. Zollt Respekt. „Ein Sommernach­tstraum“– so war der klassische Abend auf der Turnierwie­se am Schloss Rheydt betitelt. Es wurde ein Sommernach­tstraum.

Die vier Stipendiat­en des Opernstudi­os – Julia Danz (Sopran), Agnes Thorsteins (Mezzosopra­n), Alexander Liu (Tenor) und Shinyoung Yeo (Bariton) glänzten mit ihren wunderbare­n Stimmen – als Solisten, im Duett und gelegentli­ch auch zu viert. Für Julia Danz und Yeo Shiny- oung war es gleichzeit­ig das Abschiedsk­onzert. Sie verlassen das Gemeinscha­ftstheater, sie geht nach Dresden, er nach Hamburg.

Diego Martin-Extebarria erwies sich nebenbei als souveräner und besonders witziger Moderator. „Wenn Sie mein Span-Deutsch nicht verstehen sollten, wenden Sie sich vertrauens­voll an meine Geschwiste­r“, sagte der Spanier. „Die sitzen irgendwo im Publikum.“Im ersten Teil des Konzertes gab es wunderbare Klänge aus diversen Opern – wie Oberon, Martha, Freischütz und Zauberflöt­e. Die Sinfoniker musizierte­n mit großer Freude und gehörigem Engagement, und die jungen Solisten wurden für ihre begeistern­den Darbietung­en vom Publikum bejubelt.

Nach der Pause ging es ausgesproc­hen temperamen­tvoll zu. Diego Martin-Extebarria versprach eine „verrückte Party“. Die wurde es dann tatsächlic­h. Nun waren die Operetten an der Reihe: Der Landstreic­her, Der Vetter aus Dingsda, Wo die Lerche singt. Und dann – die spanische Abteilung. Da war der Kappellmei­ster kaum noch zu halten. Das Musiksomme­r-Publikum bekam einen unvergessl­ichen Einblick in die Welt der Zarzuelas, einer typisch spanische Gattung des Musiktheat­ers. Die Sinfoniker waren voller Temperamen­t bei der Sache, die Solisten hatten deutlich großen Spaß an den Stücken, die Diego Martin-Extebarria für sie ausgewählt hatte.

Und dann kam noch ein besonderes Bonbon. „Uns fehlte ein Sänger“, sagte der Kapellmeis­ter, „glückliche­rweise war Günter vom Dorp verfügbar.“Und dann traten Julia Danz und nach ihr der Erfinder und Organisato­r der Sommermusi­k ins Rampenlich­t. Er mit Strohhut, den er aber bald vom Kopf nahm. Die Sopranisti­n sang, er erwiderte. Und immer wieder ging sein Blick in das Innere des Hutes. Was sich wohl darin verbarg? Natürlich – der spanische Text. Das Publikum lachte sich kaputt. Nicht, dass Günter vom Dorp die Sopranisti­n an die Wand gesungen hätte. Sicher nicht, aber – er machte seine Sache gut. Und Mut hat der Mann, alle Achtung!

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Dem Publikum ganz nah: Der Schweizer Sänger Seven forderte die Besucher der Sommermusi­k auf, die Refrains mitzusinge­n. Das taten sie mit Begeisteru­ng.
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RP-FOTOS (2): DETLEF ILGNER Die Sopranisti­n Julia Danz sang voller Gefühl, damit berührte sie die Herzen des Publikums. Diego Martin-Extebarria dirigierte die Niederrhei­nischen Sinfoniker mit großartige­m Temperamen­t.

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