Seven im Licht und Klassik mit Feuer
Der Schweizer Soulsänger Seven bezog das Publikum ein. Die Niederrheinischen Sinfoniker feierten Günter vom Dorp als Gastsänger.
Der Abend war relativ mild, doch hoch die Betriebstemperatur, als der Sänger Seven vor dem illuminierten Schloss Rheydt auftrat. Der Schweizer strahlt eine rasante Beweglichkeit und Energie aus, die im absoluten Widerspruch zu allen Vorurteilen über die Bedachtsamkeit der Eidgenossen steht. Immer in Bewegung und durchweg fokussiert auf sein Publikum, forderte Seven seine Fans heraus. Die jubelten ihm zu, die feierten ihn und seine Darbietungen. Die ließen sich von ihm zum Mitklatschen und Singen der Refrains dirigieren.
Festivalorganisator Günter vom Dorp hatte ein Feuerwerk versprochen. Das wurde tatsächlich gezündet – sowohl musikalisch als auch mit einer effektvollen Lichtershow. Vor dem Haupt-Act tanzten traumgleich gleißende Lichtbahnen, die bald von pulsierenden Rot-WeißKontrasten abgelöst wurden und später von immer wieder aufs Neue variierten filigranen Lichtbündeln. Seven durcheilte Licht und Schat- ten, war seinem Publikum ganz nah und dann wieder für einen Moment zur dunklen Silhouette entrückt.
Mit Seven begann ganz klar die Hauptshow, doch Flo Mega & The Ruffcats hatten beim Warm-Up gute Vorarbeit geleistet. Sie groovten die Besucher ein und hatten jede Menge Spaß dabei. So dehnten sie ihren Auftritt gerne etwas aus und ernteten einen tollen Applaus. Später sollte noch ein Kompliment des sehnsüchtig erwarteten Soulsängers dazu kommen.
Seven ließ sich Zeit, bis er tatsächlich erschien. Auf der Bühnenrückwand war eine verschlungene Sieben in Anspielung auf den Namen zu sehen. „Seid ihr meine Stadt aus Gold?“, rief der Musiker den Fans zu. Das kräftig erwiderte „Ja“entlohnte er ihnen mit den Song „City of Gold“. Von Anfang an gab der Sänger alles. Er ließ seine Stimme schwingen, spielte mit dem Nachhall, wechselte in hohe Stimmlangen und dann wieder zum energiegeladenen Sound. Dabei zeigte er auch körperlich höchsten Einsatz, ließ Arme und Beine sprechen, spornte seine Bandmusiker zu heißen Soli an. Im Dialog mit dem Publikum zelebrierte er Refrains in Variationen. Auf sein Zeichen sangen sie „Wake up“, später genügten ein Blick, eine Geste und alle wussten Bescheid. Mit dabei waren die Songs „Go slow“und „Die Menschen sind wir“. Es gab die wenigen Momente, in denen er versunken schien, doch mit seiner mitreißenden Energie zeigte der 38-Jährige vor allem seine extrovertierte Seite.
Der ihn anfangs noch wärmende Pullover war bald nicht mehr nötig. Irgendwann sprang der Musiker von der Bühne und tauchte im Publikum auf, um zu grüßen, sich fotografieren zu lassen und hautnah anzuspornen. Zurück auf der Bühne, führte er bald zum Finale. Mit dem Pullover wischte er sich am Ende des schweißtreibenden Auftritts das Gesicht ab, und da war plötzlich ein jungenhaftes Lächeln zu sehen. „Wenn wir wieder eingeladen werden sollten, kommen wir gerne“, versprach er. Die Zuhörer forderten einen Nachschlag – der wurde gerne gewährt. Es ist eine Freude, diesem Mann zuzusehen. Diego Martin-Extebarria ist ein äußerst expressiver und temperamentvoller Kapellmeister. Auf seinem Podest legt er wahre Tanzeinlagen hin, hüpft zwischendurch auch schon mal in die Höhe, arbeitet unentwegt mit seinem ganzen Körper. Er gibt sich aber auch von Zeit zu Zeit dem Genuss hin, nimmt die Musik intensiv in sich auf, schwelgt im Klangkörper, den die Niederrheinischen Sinfoniker in vollendeter Einigkeit erzeugen, lauscht den Stimmen der Solisten. Zollt Respekt. „Ein Sommernachtstraum“– so war der klassische Abend auf der Turnierwiese am Schloss Rheydt betitelt. Es wurde ein Sommernachtstraum.
Die vier Stipendiaten des Opernstudios – Julia Danz (Sopran), Agnes Thorsteins (Mezzosopran), Alexander Liu (Tenor) und Shinyoung Yeo (Bariton) glänzten mit ihren wunderbaren Stimmen – als Solisten, im Duett und gelegentlich auch zu viert. Für Julia Danz und Yeo Shiny- oung war es gleichzeitig das Abschiedskonzert. Sie verlassen das Gemeinschaftstheater, sie geht nach Dresden, er nach Hamburg.
Diego Martin-Extebarria erwies sich nebenbei als souveräner und besonders witziger Moderator. „Wenn Sie mein Span-Deutsch nicht verstehen sollten, wenden Sie sich vertrauensvoll an meine Geschwister“, sagte der Spanier. „Die sitzen irgendwo im Publikum.“Im ersten Teil des Konzertes gab es wunderbare Klänge aus diversen Opern – wie Oberon, Martha, Freischütz und Zauberflöte. Die Sinfoniker musizierten mit großer Freude und gehörigem Engagement, und die jungen Solisten wurden für ihre begeisternden Darbietungen vom Publikum bejubelt.
Nach der Pause ging es ausgesprochen temperamentvoll zu. Diego Martin-Extebarria versprach eine „verrückte Party“. Die wurde es dann tatsächlich. Nun waren die Operetten an der Reihe: Der Landstreicher, Der Vetter aus Dingsda, Wo die Lerche singt. Und dann – die spanische Abteilung. Da war der Kappellmeister kaum noch zu halten. Das Musiksommer-Publikum bekam einen unvergesslichen Einblick in die Welt der Zarzuelas, einer typisch spanische Gattung des Musiktheaters. Die Sinfoniker waren voller Temperament bei der Sache, die Solisten hatten deutlich großen Spaß an den Stücken, die Diego Martin-Extebarria für sie ausgewählt hatte.
Und dann kam noch ein besonderes Bonbon. „Uns fehlte ein Sänger“, sagte der Kapellmeister, „glücklicherweise war Günter vom Dorp verfügbar.“Und dann traten Julia Danz und nach ihr der Erfinder und Organisator der Sommermusik ins Rampenlicht. Er mit Strohhut, den er aber bald vom Kopf nahm. Die Sopranistin sang, er erwiderte. Und immer wieder ging sein Blick in das Innere des Hutes. Was sich wohl darin verbarg? Natürlich – der spanische Text. Das Publikum lachte sich kaputt. Nicht, dass Günter vom Dorp die Sopranistin an die Wand gesungen hätte. Sicher nicht, aber – er machte seine Sache gut. Und Mut hat der Mann, alle Achtung!