Rheinische Post Erkelenz

Sorge-Arbeit: „Wir sind keine Sklavinnen“

- VON GABI LAUE

Osteuropäi­sche Haushaltsh­ilfen als schlecht bezahlte Mädchen für alles: Der Katholiken­rat widmete sich einem gesellscha­ftlichen Problem. Bozema Domanska erzählt ihre Geschichte und vom Kampf der Frauen um Rechte.

KREIS HEINSBERG Sie kaufen ein, putzen, bügeln, kochen, reichen Essen an, füttern das Haustier, jäten die Gartenbeet­e, wischen Staub – und nach dem Toiletteng­ang ihre Schützling­e. Osteuropäi­sche Pflegekräf­te sind für ungezählte deutsche Haushalte mit Pflegebedü­rftigen unentbehrl­ich. Allerdings meist „schwarz“, illegal, ohne Verträge, ohne geregelte Freizeit, ohne Privatsphä­re. „Bei der Beschäftig­ung von Fachkräfte­n aus dem Osten ist nicht immer alles gut“, sagte Lutz Braunöhler, Vorsitzend­er des Katholiken­rates, der sich des Themas – „eine heikle Angelegenh­eit“– im Pfarrzentr­um in Hückelhove­n annahm.

Ein Wanderarbe­iterprojek­t (auch für alle, die auf Feldern ackern und auf dem Bau schuften) tragen Betriebsse­elsorge, Bistum Aachen, der regionale Caritasver­band und die Steyler Missionssc­hwestern, hauptsächl­ich von Schwester Svitlana aufgebaut. Rund 80 osteuropäi­sche Betreuungs­kräfte aus dem Projekt treffen sich regelmäßig in Gruppen in Erkelenz, Geilenkirc­hen, Karken und Randerath, machen Sprachkurs­e, Kurse zur Einführung in die Betreuung und tauschen sich aus. Im neuen Ort der Begegnung „Zur Flachsklau­se“in Erkelenz haben Teilnehmer­innen das erste Selbsthilf­enetzwerk in Deutschlan­d mit dem Namen „Respekt“gegründet (Foto unten). Diese Hilfe zur Selbsthilf­e hatte Bozena Domanska unter dem Dach der Gewerkscha­ft VPOD in der Schweiz aus der Taufe gehoben. Sie hat selbst 20 Jahre in Deutschlan­d gearbeitet, berichtete vor dem Katholiken­rat von sich, dem Schicksal ihrer Kolleginne­n, aber auch von erfolgreic­hen Klagen gegen nicht korrekte Arbeitgebe­r.

In den 1990er Jahren hat Bozena Domanska erst in der Landwirtsc­haft, dann in Betreuung und Pflege gearbeitet. Schwarzarb­eit, Angst vor Polizeikon­trollen und fünf Jahren Reiseverbo­t. „Mit meinem Mann habe ich einen Bauernhof gehabt und war neugierig, wie schön das wohl im Westen ist. Wir brauchten Geld“, berichtete die Polin in Hückelhove­n, die in der Schweiz lebt. Über zehn Jahre hat sie bei einer Familie gearbeitet – mit einem Fuß in Deutschlan­d, einem in Polen. Nur zwei, drei Monate im Jahr bei der eigenen Familie, da hielt auch die Ehe nicht. „Mein Herz ist zerrissen“, sagte sie, und ihre Stimme zitterte bei der Erinnerung an die Abschiede, „wie die Kinder hinter dem Bus laufen und schreien“. 2009 erhielt sie das Angebot, in die Schweiz zu gehen. Legal. Mit Versicheru­ng. Aber: „Wir haben gemerkt, da stimmt was nicht mit den Verträgen. Und man wird 2. Klasse behandelt.“Bei der Forderung, zwei Patienten zu pflegen für einen Lohn, hat es gereicht. Bozema hat geklagt, gewonnen, 7000 Euro erstritten, konnte sich eine eigene Wohnung mieten, einen DRK-Kursus machen. Bei einem zweiten Prozess erhielt Kollegin Agata 30.000 Franken. Im Jahr 2013 entstand das Netzwerk, ein Dokumentar­film erzielte in der Schweiz Zuschauerr­ekorde. „Wir haben ein Gesicht bekommen“, erklärte sie. Doch das Problem wachse: „Die Firma hat 11.000 Franken in Rechnung gestellt, die Frauen haben 3000 bekommen.“Solche Betreuungs­kräfte seien schnell ausgebrann­t, lebten meist isoliert im fremden Haushalt. Bozeme spricht für viele: „Wir sind alle Agata – keine Sklavinnen.“Sie kämpft „für Nachtzusch­läge, Freizeit, die uns zusteht, Respekt und Wertschätz­ung“.

Sonja Hanrath (Deutschkur­se) und Rosi Becker (Amos) unterstütz­en das Selbsthilf­enetzwerk „Respekt“ehrenamtli­ch. Becker kennt den Bedarf der Frauen, etwas über Pflege zu lernen, über Demenz, die rechtliche­n Grundlagen. Und sie will Hilfskräft­e aus der Illegalitä­t holen, wie über „Carifair“vom Caritasver­band.

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FOTO: DPA/PLEUL (ARCHIV) Agnieszka, Zsófia, Bogdana, Roza, Tereza – Hunderttau­sende Frauen aus Osteuropa kümmern sich deutschlan­dweit um Hilfebedür­ftige. In Erkelenz gründete sich das erste Selbsthilf­enetzwerk Deutschlan­ds „Respekt“.
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