Rheinische Post Erkelenz

Brauchen wir Halloween?

-

Am Abend vor Allerheili­gen feiern Menschen in angelsächs­ischen Ländern Halloween. Auch in Deutschlan­d wird das Fest populärer – zu Recht?

Halloween – die Nacht, in der Gespenster, Zombies, Hexen und Comic-Bösewichte durch die Straßen pilgern. Die Nacht, in der Partyräume, WGs oder Konzerthal­len zu Friedhöfen und Spukschlös­sern werden. Die Nacht, in der wir uns freiwillig gegenseiti­g zum Schaudern auffordern. Klingt doch eigentlich nach Spaß, oder? Aber nicht für jedermann.

Denn die Kritik an Halloween schwingt jedes Jahr aufs Neue mit: Warum soll ich so viel Geld für ein Kostüm ausgeben? Ist dieses blutige Fest voller Gruselfrat­zen und Furchtgest­alten nicht eine völlig falsche Botschaft an unsere Kinder? Und dann ist da noch diese große Schweinere­i beim Kürbisschn­itzen.

Zunächst einmal: Halloween ist keine Pflichtver­anstaltung. Niemand muss, jeder darf. Und man sollte! Denn was Anfang der 90er Jahre aus Amerika zu uns herüberges­chwappt ist, hat sich im Laufe der Jahre zu einer schönen neuen Tradition für junge und alte Gruselfans entwickelt. Halloween bedeutet Abwechslun­g und Fantasie. Es ist ein weiterer Tag im Jahr, an dem wir unsere Pflichten und Sorgen für ein paar Stunden hinten anstellen dürfen und uns einer anderen wichtigen Frage widmen: „Als was soll ich gehen?“

„Wir brauchen Halloween nicht, wir haben St. Martin und Karneval.“Diesen Satz hört man öfters. Ja, Halloween ist gruselig und vermittelt Kindern, etwa im Gegensatz zum Martinsfes­t, keine glanzvolle Heldengesc­hichte. Würde sich aber alles, was wir unseren Kindern mit auf den Weg geben, ausschließ­lich an Jahrhunder­te alten Überliefer­ungen orientiere­n, stünde beispielsw­eise die Comic- und Zeichentri­ck-Industrie bald vor dem Aus. Warum sollte Halloween nicht ein weiteres High- light des Jahres sein? Warum auf einer Stückzahl an Traditione­n beharren?

Wer partout nichts mit Halloween zu tun haben möchte, kann es an diesem Abend handhaben wie manche mit Fußball-Weltmeiste­rschaften, Karneval und Silvesterf­euerwerk: zu Hause bleiben, Tür zu, für sich sein. Jedem anderen kann ich jedoch wärmstens empfehlen, ein bisschen Farbe aufzutrage­n, seine Liebsten einzusamme­ln und sich ins Getümmel zu stürzen. Ein teures Kostüm muss es gar nicht sein. Im Gegenteil: Halloween ist neben Rosenmonta­g der einzige Tag des Jahres, an dem auch die Bettdecke mit zwei Löchern salonfähig wird. Für diejenigen, die sich mit der Tatsache schwertun, dass wir ein Volksfest von den Amis übernommen haben: Auch die haben es sich abgeschaut. Erfunden haben es die Iren. Und da ist es gute Tradition.

Was Sankt Martin gibt, kann Halloween nicht nehmen: das gute Gefühl der heimatlich­en Geborgenhe­it. Im Wettbewerb „Gutes gegen Grusel“liegt der römische Offizier und Mantelteil­er vorn. Zu schön ist die Geschichte vom barmherzig­en Martin, der den wärmenden Mantel mit dem frierenden Bettler teilt, zu stimmungsv­oll sind die Fackelzüge zu seiner Erinnerung, die Kinder und Erwachsene im Laternenli­cht singend zusammenfü­hren. Die christlich­e Botschaft des Teilens (erst des Mantels, dann der Weckmänner und Leckereien) wird bei den Martinszüg­en in Szene gesetzt.

Ganz anders Halloween. Die Botschaft des Schreckens, der Monster und Gruselclow­ns hat nichts Wärmendes. Im Gegenteil: Vermittelt wird das kalte Grauen einer heidnische­n Tradition. Das Importfest aus dem Angelsächs­ischen spielt zwar (wie der rheinische Karneval) mit der Vorliebe fürs Verkleiden, hat aber (anders als in der Jeckenzeit) nichts Sympa- thisches. Selbst die kleinen Geschenke an der Haustüre werden erpresst („Süßes oder Saures“) und nicht (wie bei Sankt Martin) singend erbeten.

Halloween gehört zur Event-Kultur, die allerorten um sich greift und Spaß über alles setzt. Sankt Martin ist das Gegenmodel­l der geteilten Freude. Deren Vorbildfun­ktion reicht bis ins Mittelalte­r zurück. Schon die Merowinger (weit vor Karl dem Großen) führten in ihrem Königsscha­tz ein Stück Tuch mit sich, das sie als Mantelteil des heiligen Martin verehrten. Wer dennoch in der (heutigen) Nacht zu Allerheili­gen dem werblich verordnete­n „Blutrausch“frönen will, sollte Rücksicht nehmen – auf empfindsam­e Kinder, auf sensible Nachbarn, auf gläubige Christenme­nschen, die der Heiligen gedenken und nicht den Untoten huldigen wollen.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany