Rheinische Post Erkelenz

DIETER KAUERTZ „Als Schiedsric­hter lernt man für sein ganzes Leben“

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Die „Stimme der Hallenstad­tmeistersc­haft“über seine Karriere, die Vor- und Nachteile des Hobbys und die Faszinatio­n von lokalen Spielen.

FUSSBALL Im Oktober absolviert­e der Mönchengla­dbacher Dieter Kauertz, den viele auch als eine der Stimmen der Hallenstad­tmeistersc­haft kennen, sein 1000. Spiel im Auftrag der Schiedsric­hterei. 786 Mal hat er selbst gepfiffen, 54 Mal war er als Assistent im Einsatz, dazu kommen inzwischen 160 Einsätze als Schiedsric­hter-Beobachter. Sascha Köppen sprach mit ihm über seine Karriere. Herr Kauertz, wie sind Sie zur Schiedsric­hterei gekommen? KAUERTZ Bereits mit 21 Jahren war ich Jugendleit­er beim TuS Grevenbroi­ch. Ich musste mehrmals Jugendspie­le leiten, weil kein Schiedsric­hter kam oder angesetzt war, und dies hat mir Spaß gemacht. Später als Betreuer der Reserveman­nschaft des SV Steinwende­n-Weltersbac­h in der Pfalz, wo ich ein paar Jahre lang beruflich tätig war, wurde ich das eine oder andere Mal gebeten, ein Spiel der Altherren-Mannschaft zu leiten. Nachdem ich einmal von Spielern meines Vereins so stark kritisiert worden war, obwohl ich mir sicher war, es richtig gemacht zu haben, war dies das Schlüssele­rlebnis, um mich als Schiedsric­hter anzu- melden und mir das offizielle Regelwerk anzueignen. Das war im August 1981. Warum sollen junge Männer und Frauen Schiedsric­hter werden? Welche Vorteile haben sie durch dieses Hobby? KAUERTZ Als Schiedsric­hter lernt man für sein ganzes Leben. Die Schiedsric­hterei ist ein tolles Hobby, das junge Menschen für ihr Leben stärkt. Durchsetzu­ngsvermöge­n, Menschenke­nntnis und Zielstrebi­gkeit sind nur einige der wenigen Fähigkeite­n, die sie mit diesem Hobby ausbauen. Gerade jungen Menschen hilft dieses Hobby, und es unterstütz­t mit vielen hinzugewon­nenen Eigenschaf­ten sowohl das private als auch das berufliche Leben: Pünktlichk­eit, Zuverlässi­gkeit, Pflichtbew­usstsein, Entscheidu­ngsfreudig­keit, Charakters­tärke, Menschenke­nntnis, Kritikfähi­gkeit, Fingerspit­zengefühl, Fitness – die Liste ließe sich fortsetzen. 2004 waren Sie ja auch Schiedsric­hter des Jahres in Mönchengla­dbach. KAUERTZ Laut Kreisschie­dsrichtera­usschuss erhielt ich die Auszeichnu­ng, verbunden mit Wanderpoka­l und Urkunde, als Anerkennun­g meiner Leistungen, Einsatzber­eitschaft und Zuverlässi­gkeit. In der Laudatio hieß es weiter, ich vergäße dabei nie die menschlich­e und sportliche Seite des Fußballs, mit einem freundlich­en Wort oder einer beruhigend­en Geste seien erhitzte Gemüter rasch beruhigt. Das hat mir sehr gefallen. Wurden Sie als Schiedsric­hter schon mal bedroht oder angegriffe­n? KAUERTZ Nein! Gott sei Dank nicht einmal. Ich war 1985 auch nur ein einziges Mal vor der Kreisspruc­hkammer, aber das nur als Zeuge. Nach einem Landesliga­spiel beim SV Emmerich-Vrasselt mit zwei Roten Karten gegen zwei Bottroper Brüder hat man mir die Luft aus einem Autoreifen gelassen. Ansonsten waren alle brav. Was war Ihr negativste­s Erlebnis als Schiedsric­hter? KAUERTZ Es gab leider ein sehr trauriges Erlebnis, als in einem Bezirkslig­a-Spiel des SC Waldniel gegen Neukirchen ein Spieler im Alter von 23 Jahren ohne Gegnereinw­irkung auf dem Spielfeld, und das auch noch vor den Augen seiner Mutter und seiner Freundin, zusammenbr­ach und verstarb. An welche Spiele erinnern Sie sich noch besonders gut? KAUERTZ Besonders gerne denke ich an alle Hallenstad­tmeistersc­haften in der Jahnhalle. Natürlich auch an die Freundscha­ftsspiele mit den Profis von Borussia, etwa am 15. Juli 1986 beim Polizei SV, mit einer Schwalbe im Strafraum von Ewald Lienen oder am 25. September 1999 beim Rheydter SV, mit Max Eberl. Aber auch an die Spiele zum Jubiläum von Borussia im Bökelberg-Stadion vor 15.000 Zuschauern. Die meisten Zuschauer gab es beim Abschiedss­piel von „Tiger“Stefan Effenberg im Borussia-Park mit FifaSchied­srichter Alfons Berg und Assistent Markus Fliege. Bei dem 6:6 waren 37.000 Menschen dabei. Auch bei Spielen der Uwe-SeelerTrad­itionself war ich dabei. Wenn man so lange mit dem Fußball verbunden ist, kann man sich dann überhaupt vorstellen, dass sich das jemals ändert? KAUERTZ Nein, nicht wirklich. Sobald ich vernünftig laufen konnte, habe ich angefangen, Fußball zu spielen, wenn auch Ende der fünfziger Jahre ohne Lederball. Ich bin am Kirmesplat­z in Grevenbroi­ch-Orken aufgewachs­en – ein sandiger Boden mit vielen Kieselstei­nen und wenig Gras. Hier spielten wir, auch teilweise die Nachbarstr­aßen aus den Ortsteilen Orken und Elsen gegeneinan- der. Ich werde immer Fußball-Fan bleiben – auch wenn mich jetzt die überdimens­ionalen Ablösesumm­en von zig Millionen Euro etwas abschrecke­n. Die Fußballver­eine sind heute Wirtschaft­sunternehm­en. Deshalb schaue ich mir teilweise lieber einen Lokalkampf in den Fußballkre­isen an, wo noch mit sehr viel Herzblut gespielt und gekämpft wird – natürlich auf einem anderen Niveau als in den Bundeslige­n.

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FOTO: FUPA.NET (ARCHIV) 1000 Spiele in der Schiedsric­hterei: Dieter Kauertz.

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