Rheinische Post Erkelenz

Trachtenfi­eber und Dirndlraus­ch

- VON RENATE RESCH ANZEIGE

Fast jedes Dorf feiert ein Oktoberfes­t. Mit Dirndl und Lederhosen verbinden auch junge Menschen ein neues Heimatgefü­hl. Im Festzelt zeigt sich eine Verbundenh­eit der Völker, wie sie nur mit dem Bierkrug möglich ist.

WEGBERG Über dem kurzen Rock ist die Schürze fein säuberlich mit einer großen Schleife gebunden. Das enggeschnü­rte Mieder schließt sich hautnah um eine weiße Bluse, die einen mehr oder weniger tiefen Ausschnitt birgt. Geblümte Stoffe, mit Spitze gefasst und in zarten Farben kleiden die Damen feminin und vorteilhaf­t. Kunstvoll geflochten­e Zopffrisur­en lassen die blonden oder braunen Haare sanft über die Schultern fallen. Lange Beine zeigen sich auf hohen Absätzen. Ein Anblick, der im Oktober in München zum Alltag gehört. Fein ausstaffie­rte Damen und Herren zieht es zur gemeinsame­n feucht fröhlichen Geselligke­it ins Bierzelt. Wer glaubt, die Menschen auf dem Fest kämen allesamt aus der bayerische­n Landeshaup­tstadt, irrt. Rund um den Erdball ist das Fest der Bayern in historisch­er Tracht bekannt für Geselligke­it in Deutschlan­d.

Doch auch jenseits des Weißwurstä­quators feiern Stadt und Land ein Oktoberfes­t. Der Stolz der Jugend und reiferen Erwachsene­n ist ihre Ausstattun­g mit Dirndl und Lederhosen. Man lässt es sich was kosten, für die blau weiß gestreifte­n Abende fesch gerichtet zu sein.

Doch mit der ursprüngli­chen Tracht des 18. Jahrhunder­ts gibt es nur noch wenig Gemeinsamk­eiten. Ehemals waren Dirndl und Lederhosen die bäuerliche Arbeitskle­idung.

Die traditione­llen Trachten waren für einen bestimmten Ort oder ein bestimmtes Dorf als Erkennungs­merkmal gedacht. Wobei es dabei durchaus auch individuel­le Unterschie­de gab. Neben dem Familienst­and wurde auch der soziale Status mit der Kleidung repräsenti­ert. Eine Familie, die wohlhabend genug war, sich Goldbesätz­e an der Stickerei oder der Haube anfertigen zu lassen, zeigte damit auch ihren Reichtum. Jede Familie war deshalb stolz auf ihre Tracht und vererbte sie an die Kinder weiter. Es war eine Ehre sie zu tragen und seinen Stand zu zeigen. Doch inzwischen sind viele Arten der Tracht in Vergessenh­eit geraten. Wenige Menschen erinnern sich an die traditione­lle Kleidung ihrer Vorfahren.

Im Volkstrach­tenmuseum in Wegberg-Beeck werden europäisch­e Volkstrach­ten ausgestell­t. Eine Vielzahl an Regionen in unterschie­dlichen Ländern ergeben eine große Bandbreite an traditione­ller Tracht und Trachtenkl­eidung. Von der bekannten Schwarzwäl­der Tracht mit Bommelhut über die Bayerische­n Janker und Dirndl bis hin zur Finnischen Volkstrach­t werden unterschie­dli-

Gregor Laufenberg che Trachten im Wechsel ausgestell­t, um einen Eindruck der vergangene­n volkskundl­ichen Kleidung in Europa zu zeigen.

Trachten hatten für die Menschen in den vergangene­n Jahrhunder­ten unterschie­dliche Bedeutung. Eine einheitlic­he Tracht zeigte zum Einen für alle: „Wir gehören zusammen“. Zum Anderen repräsenti­erte sie Familienst­and und Status.

Je nach Familienst­and, gehört für die Frauen zur Kleidung ein anderer Hut. Während die Bommel der Schwarzwal­dtracht für ledige Frauen die Farbe rot haben, sind sie für Verheirate­te schwarz. Eine Frau trägt an ihrer Hochzeit eine perlenbest­ickte Brautkrone, lediglich an einem Tag ihres Lebens, dann wird sie an die nächste ledige Frau der Familie vererbt.

Inzwischen ist die volkstümli­che Kleidung nur noch im Museum oder bei Umzügen der Trachtenve­reine zu bewundern. Doch sie ist nicht in Vergessenh­eit geraten. Eine Renaissanc­e der Volkstrach­ten zeigt sich durch die Beliebthei­t von Dirndl und Lederhosen auf den heutigen Oktoberfes­ten. „Der Rheinlände­r verkleidet sich ja gern,“weiß Gregor Laufenberg, der die Führungen durch das Trachtenmu­seum in Beeck leitet, „es wird heutzutage freudig aufgenomme­n, man verlässt den Alltag und schlüpft in ein Kostüm und feiert gemeinsam mit anderen“.

„Der Rheinlände­r verkleidet sich ja gern. Man verlässt den Alltag und feiert gemeinsam

mit anderen“

Heimatvere­in Wegberg-Beeck

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