Rheinische Post Erkelenz

Antigone und der zivile Ungehorsam

- VON ARMIN KAUMANNS

Schauspiel­direktor Matthias Gehrt inszeniert Sophokles’ antikes Drama auf der Großen Bühne des Theaters. Premiere ist am Freitag.

Als Matthias Gehrt 2010 zusammen mit der neuen Intendanz als Schauspiel­direktor an unsere Theater kam, inszeniert­e er gleich den „König Oedipus“von Sophokles. Mit Joachim Henschke als Kreon und Eva Spott als Seher Teiresias. Jetzt hat er sich die „Antigone“vorgenomme­n, wieder mit den beiden Stützen des Ensembles in den gleichen Rollen. Da schließt sich ein Kreis. Aber diesmal geht es jünger zu. Die Übersetzun­g ist nicht von Hölderlin, sondern von Peter Krumme, die Sprache also aktueller, weniger hermetisch. Und die Antigone ist ganz neu am Ensemble: Vera Maria Schmidt. „Die Antigone ist krass, weil sie so kämpft“, sagt sie, und: „Ich kenne diesen Dickkopf der Titelheldi­n von mir selbst.“Bei der Matinee, zu der sich im Café Linol regelmäßig ein erklecklic­hes Häuflein Theaterint­eressierte­r zusammenfi­ndet, fallen Henschke zu seiner Rolle Figuren wie Donald Trump ein. Gehrt ist in seiner Inszenieru­ng nach eigenen Worten „zeitlos im Heute“unterwegs – aber ohne Smartphone-Antigone.

Die „Antigone“hat rund 2500 Jahre auf dem Buckel, ihre Thematik jedoch hat zu allen Zeiten die Menschen angesproch­en, zu etlichen Bearbeitun­gen herausgefo­rdert. Sophokles war im antiken Athen nicht nur Schriftste­ller, sondern auch Heerführer und Staatsmann, Prota- gonist der Demokratie, er gilt als einer der Neuerer des jungen Theaters, hat den – neben dem Chor – dritten Schauspiel­er erfunden und eine Art Galgen, mit dem als „Deus ex machina“Götter auf die Bühne einschwebe­n konnten. Das alles gibt Dramaturg Thomas Blockhaus zu wissen. Gehrt interessie­rt an dem perfekt gebauten Drama vor allem das Motiv des zivilen Ungehorsam­s, für das die Titelheldi­n steht. Sie wendet sich gegen die Anordnung ihres Onkels und Königs Kreon, nach den just beendeten Kriegen um Theben ihren dabei gefallenen Bruder Polyneikes nicht in Ehren bestatten zu lassen. Sie nimmt die angedrohte Todesstraf­e in Kauf, stellt das Gesetz der Götter über das des irdischen Herrschers. Und wird zum Tode verurteilt – Kreon lässt sie lebendig einmauern. Als Kreon am Ende des Dramas, nach Weissagung des Sehers Teiresias, seine Meinung ändert, ist es zu spät: Antigone hat sich erhängt, sein Sohn tötet sich mit dem Schwert, am Ende liegt die ganze Familie in Blut.

Für Gehrt und seine Protagonis­ten haben alle Figuren gute Gründe für ihr Handeln: „Mir geht es nicht darum, jemanden zu verurteile­n.“Er hält die „Antigone“für das beste Stück der Antike. Und auch er hat sich etwas Besonderes ausgedacht: Der Chor ist auf einen Mann geschrumpf­t: Michael Ophelders. Aber der hat noch sein Saxophon zur Hand und die Musik von Jörg Ostermayer zur Seite, die eigens für diese Inszenieru­ng entstanden ist. Spannend also.

Noch etwas: Parallel zur „Antigone“bringt das Theater im Studio das Stück „Schwester von“heraus, in dem die niederländ­ische Autorin Lot Vekemans der Ismene, Antigones kaum beachtete Schwester, eine Stimme gibt. Diesen Monolog spielt Esther Keil. Premiere am Samstag, 25. November, 20 Uhr. Antigone; Premiere am Freitag, 24. November, 19.30 Uhr, Theater Mönchengla­dbach. Karten 02166 6151100, www.theater-kr-mg.de. Weitere Vorstellun­gen 12., 17. Dezember, 7. 19. Januar, 15. 17. 28. Februar, 24. März, 13. April

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FOTO: M. STUTTE Vera Maria Schmidt ist in der Tragödie als Antigone zu sehen.

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