Bewährungsstrafe wegen Zinswetten
Wegen riskanter Geschäfte für die Stadt Pforzheim hat ein Gericht die damalige Oberbürgermeisterin und die Kämmerin zu Haftstrafen verurteilt. Auch in NRW haben Kämmerer sich auf riskante Wetten eingelassen.
MANNHEIM Wegen riskanter Zinswetten mit Verlusten von zeitweise 57,5 Millionen Euro hat das Landgericht Mannheim die frühere Oberbürgermeisterin von Pforzheim, Christel Augenstein (FDP), zu einem Jahr und acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Die damalige Kämmerin der Stadt, Susanne Weishaar, erhielt eine Strafe von zwei Jahren auf Bewährung.
Dem anonym angezeigten Duo war vorgeworfen worden, Gelder der Stadt veruntreut zu haben, indem es zwischen 2004 und 2008 Wetten auf den Unterschied zwischen kurz- und langfristigen Zinsen einging („Spread-Ladder-
„Sie wussten, dass Sie Handgranaten kaufen und keine Ostereier“
Andreas Lindenthal
Richter
Swaps“). Dabei sollte der Käufer gewinnen, wenn der Zinssatz für langlaufende Papiere sich stark vom Zinssatz bei kurzlaufenden Papieren abhebt. Dummerweise lagen die Zinsen für kurzfristige Papiere zeitweise sogar höher als für langfristige Anlagen – und die Stadt musste Millionenbeträge zahlen.
Die Staatsanwaltschaft hatte noch höhere Strafen gefordert. Die Verteidigung hatte Freispruch verlangt – Verteidiger von Augenstein ist FDPVize Wolfgang Kubicki Er kündigte an, in Berufung zu gehen. Der Düsseldorfer Anwalt Julius Reiter sieht dafür gute Chancen: „Da haben sich Staatsanwaltschaft und Gericht weit aus dem Fenster gelehnt. Banken haben diese Kommunalpolitiker nachweislich falsch beraten, also kann man sie nicht so hart bestrafen.“
Anders sieht dies in seiner Urteilsbegründung Andreas Lindenthal als Vorsitzender der Großen Wirtschaftsstrafkammer. „Wer böse ist, würde sagen, Sie haben sich verzockt“, warf er den Verurteilten vor. Das Risiko sei bekannt gewesen. „Sie haben gewusst, dass Sie Handgranaten kaufen und keine Ostereier“, sagte Lindenthal.
Die Angeklagten stritten den Sachverhalt nicht grundsätzlich ab – was die Kammer ihnen zugutehielt. Allerdings meinten beide Angeklagten, sie hätten die Komplexität der von der Deutschen Bank und der US-Großbank JP Morgan vermittelten Zinswetten nicht überschaut – eine Behauptung, die der Richter nicht gelten ließ: „Wir müssen mit der Mär aufräumen, dass sie von der Deutschen Bank betrogen wurden“, sagte er, „ein solches Risiko mit dem Vertrauen der Bürger einzugehen, ist nicht vertretbar.“
Wohl entscheidend für das hohe Strafmaß war die Überzeugung des Gerichts, dass ein Teil der Spekulationen nur gewagt wurde, um die ersten Verluste auszugleichen. Dafür spreche, dass die Geschäfte meist umgeschichtet wurden, kurz bevor Zahlungen an die Banken fällig waren. Die ehemalige Kämmerin behauptete dagegen, sie habe nur das Ziel gehabt, die Zinsausgaben der Stadt zu verringern. Sie sei keine Spielerin. FDP-Politikerin Augenstein, eine Diplom-Finanzwirtin, verwies in ihrem Schlusswort darauf, sie sei die einzige von hunderten Kommunalvertretern, die wegen schiefgelaufenen Zinsgeschäften vor Gericht stehe. Sie sei „Opfer intransparenter Geschäfte von vertrauenswürdigen Banken“gewesen. Zu spät habe sie gemerkt, wie schlecht sie beraten worden war.
Interessant an dem Urteil ist, dass Bewährungsstrafen verhängt wurden, obwohl die beteiligten Banken in Zivilverfahren wegen Falschberatung überführt worden waren und den Großteil der 57,5 Millionen Euro Verlust ausgleichen mussten. Auf Kosten von 14,3 Millionen Euro blieb Pforzheim aber sitzen.
Auch in NRW haben Kommunen massiv bei Zinswetten verloren. So nahmen 27 Kommunen einen Teil