Weihnachtsmänner in DHL-Uniform
Das Weihnachtsgeschäft verlagert sich immer stärker ins Internet. Jeder achte Euro könnte dort in diesem Jahr umgesetzt werden. Das hat Folgen: Die Zahl der Pakete nimmt weiter zu und könnte neue Rekordstände erreichen.
RHEINBERG Der Wahnsinn ist bei Amazon in Rheinberg bereits ausgebrochen: Sechs zusätzliche Buslinien werden in den kommenden Wochen das Logistikzentrum ansteuern und schichtweise Arbeitskräfte absetzen – aus Kleve, Emmerich, Moers, Duisburg oder Essen. Der Parkplatz vor dem Logistikzentrum würde diesem Ansturm kaum standhalten, denn pünktlich zum Weihnachtsfest verdoppelt Amazon Jahr für Jahr nahezu seine Kapazitäten. Zu den mehr als 1900 Festangestellten wurden diesmal etwa 1500 bis 1600 Saisonkräfte eingestellt.
Das Weihnachtsgeschäft, das sieht man nicht nur in dem knapp 15 Fußballfelder großen Lager, findet immer stärker im Internet statt. Jeder achte Euro könnte diesmal im Weihnachtsgeschäft an Online-Anbieter gehen, prophezeite der Handelsverband Deutschland zuletzt.
Durchbrach der Branchenprimus Deutsche Post DHL 2016 erstmals an einem Tag die Marke von 8,4 Millionen Paketen pro Tag, wird diese diesmal Alltag sein. „Wir gehen von einem neuen Paketrekord von etwa 8,5 Millionen Paketen pro Tag aus“, heißt es bei dem Bonner Konzern. Auch er fängt den erhöhten Aufwand in der Adventszeit sowohl durch mehr Autos als auch mehr Personal auf. „Im Bereich der Zustellung haben wir für das Weihnachtsgeschäft 10.000 Leute zusätzlich eingestellt“, sagte ein Sprecher.
Der Bundesverband Paket & Expresslogistik rechnet damit, dass bis zu 30 Millionen Pakete mehr an der Haustür abgegeben werden als 2016. 15 Millionen Sendungen sollen es an einem Spitzentag werden.
Auf einem gut laufenden Arbeitsmarkt wird es gleichzeitig immer schwieriger, ausreichend Arbeitskräfte zu finden – und dann nutzen die Gewerkschaften das wichtige Weihnachtsgeschäft auch noch, um für ihre Forderungen zu werben.
Amazon wird sich daher in den kommenden Wochen nicht nur mit Millionen Bestellungen, sondern wie in den Vorjahren auch mit streikenden Mitarbeitern auseinandersetzen müssen, die einen Tarifvertrag zu den Konditionen des Einzelund Versandhandels fordern. „Wir planen Streiks, darüber hinaus An- sprachen oder Flugblatt-Aktionen. Wichtig ist, dass wir eine nicht ausrechenbare Strategie haben, damit unsere Aktionen auch Auswirkungen auf die Arbeitsabläufe haben und die Kunden damit das Gefühl bekommen, mit Amazon keine Planungssicherheit vor Weihnachten zu haben“, sagt Thomas Schneider, Verdi-Streikleiter am Standort in Leipzig. Das Ziel sei, wieder Gespräche zu einem Tarifvertrag aufzunehmen und zu einem Kompromiss zu kommen. Doch Amazon blockt solche Versuche seit Jahren ab. Trotzdem sagt Schneider: „Unser Kampfgeist ist ungebrochen.“
In Rheinberg spricht man lieber über die schöneren Aspekte von Weihnachten – zum Beispiel die großen Geschenketrends. Neben dem Bereich Smart Home, also etwa der intelligenten Zahnbürste, ist dies der Bereich Nachhaltigkeit. Bei Amazon verschicken sie daher momentan zum Beispiel auch Bambusfahrräder und Insektenhäuser.
Das Weihnachtsgeschäft verläuft dabei nach festen Zyklen, hat Standortleiter Karsten Frost beobachtet: „Derzeit befinden wir uns in der ersten Phase, in der große Waren wie Spielgeräte oder Elektroartikel bestellt werden.“Es folgen Phase zwei und drei, die kleinen hochwertigen Sachen sowie die Last-Minute-Geschenke und Kleinigkeiten.