Rheinische Post Erkelenz

Rehaverein setzt auf Profession­alisierung

- VON MARLEN KESS

In den Werkstätte­n für psychisch kranke Menschen arbeiten seit kurzem vermehrt ausgebilde­te Fachleute mit den Sozialarbe­itern zusammen. Einer von ihnen ist IT-Experte Markus Bovens, der für die Computer-Werkstatt zuständig ist.

Die Computer-Werkstatt sieht aus wie jede andere auch: Auf Tischen verteilt stehen Monitore, Computer, Tastaturen, in Kisten sind säuberlich Festplatte­n, Laufwerke und Schrauben einsortier­t. Markus Bovens hilft einem jungen Mann dabei, einen Monitor auseinande­rzuschraub­en, um die Quelle für einen Bildfehler zu finden. Anderswo wird ein ganzer PC demontiert. Das Besondere ist: Hier arbeiten Menschen mit oft langjährig­en psychische­n Erkrankung­en, etwa Depression­en oder Zwangsstör­ungen.

„Unsere Nutzer sollen lernen, sich wieder an ei

nen strukturie­rten Tagesablau­f zu gewöhnen“

Jörg Steigels Denn die PC-Werkstatt gehört zur Abteilung Tagesstruk­tur des Rehaverein­s Mönchengla­dbach.

„Unsere Nutzer sollen lernen, sich wieder an einen strukturie­rten Tagesablau­f zu gewöhnen“, sagt Jörg Steigels. Hier sagt man Nutzer oder Klienten – das Wort Patienten ist tabu. „Schließlic­h sind wir kein Krankenhau­s“, sagt Steigels, der als Sozialarbe­iter die PC-Werkstatt gegründet hat. Sieben Jahre lang hat er die Gruppe geleitet, vor kurzem hat er den Stab übergeben: an Markus Bovens, gelernter Radio- und Fernsehtec­hniker. „Wir wollen unsere Arbeit profession­alisieren“, erklärt Steigels. Nicht nur in der PC-Werkstatt: Die Rad-Werkstatt leitet seit einigen Monaten Zweiradmec­haniker Wolfgang Schwingens, für die Küche ist derzeit eine Stelle als Koch ausgeschri­eben. Das soll auch den Sozialarbe­itern helfen. „Wir haben dadurch wieder mehr Zeit für unsere eigentlich­e Arbeit“, sagt Steigels.

Die Abteilung Tagesstruk­tur des Rehaverein­s belegt in der Alten Spinnerei mehrere große Hallen und Räume. Hier befinden sich die beiden Werkstätte­n, eine Tischlerei, eine Küche, eine Kreativwer­kstatt und eine Textilabte­ilung, in der etwa gewaschen und genäht wird. Sogar eine eigene Zeitschrif­t hat der Verein, das „Sprachrohr“. Jede Gruppe hat etwa 20-25 Nutzer, manche kommen täglich. Außerdem gibt es Büro- und Aufenthalt­sräume, bald soll noch ein Konferenzr­aum dazu kommen. In der großen Halle, in der PC- und Rad-Werkstatt auf knapp 1000 Quadratmet­ern untergebra­cht sind, steht bereits das Grundgerüs­t. Plan und Aufbau übernimmt die Tischlerei-Gruppe.

Die Geräte, die Markus Bovens gemeinsam mit den Nutzern repariert und zusammenba­ut, werden verkauft. Und das sind längst nicht nur Computer. Auf einem Verkaufsti­sch stehen daneben auch Drucker, Fernseher, DVD-Player. Der de- montierte Schrott wird recycelt, auch dafür gibt es Geld. Der Erlös geht an den Verein. Die Geräte werden gespendet, „meist von Firmen“, sagt Bovens. Der 41-Jährige hat lange in der IT-Branche gearbeitet, unter anderem auch im Personalbe­reich. Damit die Zusammenar­beit mit den psychisch kranken Nutzern klappt, bekommt er Schulungen. „Vor einigen Wochen wurde ich zum Thema Deeskalati­on geschult, im neuen Jahr sind dann psychische Krankheits­bilder dran.“In der PCWerkstat­t herrscht an diesem Vormittag viel Betrieb, gleiches gilt für die Fahrradwer­kstatt. Hier tüfteln an diesem Vormittag etwa zehn Männer an Rädern herum.

Am Empfang steht Jeanet Theinen. Die 45-jährige arbeitet eigentlich in der Werkstatt – „aber ich habe mich hochgearbe­itet“, sagt sie, „mittlerwei­le nehme ich Aufträge entgegen und schreibe Rechnungen.“Theinen ist an fünf Tagen in der Woche von 8.45 bis 12.30 Uhr hier, bald sollen ihre Stunden auf den Nachmittag ausgeweite­t werden. Wie Jörg Steigels erklärt, ist das möglich, wenn jemand besonders oft da ist und sich gut anstellt.

Den Rehaverein gibt es seit mehr als 40 Jahren. Finanziert wird er zum Teil durch Maßnahmen des Jobcenters, auch der Landschaft­sverband Rheinland trägt den Verein mit. „Dennoch sind wir natürlich auf Spenden angewiesen“, sagt Steigels. Die sollen das nächste Mal am 2. Dezember eingesamme­lt werden: Auf dem Christkind­lmarkt verkauft der Verein Dekoartike­l aus der hauseigene­n Kreativwer­kstatt.

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FOTO: KESS In der PC-Werkstatt arbeiten IT-Experte Markus Bovens (r.) und Sozialarbe­iter Jörg Steigels (l.) gemeinsam mit den Nutzern.

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