Rheinische Post Erkelenz

Mit dem Handball geht auch ein Stück Heimat

- VON VOLKER KOCH

Es ist mehr als nur ein personelle­r Umbruch, der dem TV Korschenbr­oich ins Haus steht. Und es geht dabei um viel mehr als nur ein bisschen Sport am Samstagabe­nd. Denn der Handball gehört in seinen Keimzellen, den Dörfern und Kleinstädt­en, zum sozialen Leben einfach dazu.

KORSCHENBR­OICH Wetten, dass kein Bürgermeis­ter in den nächsten Tagen eine Krisensitz­ung einberuft. Wetten, dass sich keine Ratsfrakti­on damit beschäftig­en wird, wie es in nicht allzu ferner Zukunft mit dem TV Korschenbr­oich und seinen Handballer­n weitergeht.

Dabei wären alle, denen Wohl und Wehe der Stadt und der Region am Herzen liegen, gut beraten, sich dieses Themas anzunehmen. Denn wenn der Handball geht (und danach sieht es angesichts der aktuellen Entwicklun­g aus), dann geht auch ein Stück Heimat verloren, ein Stück Identität, mit der sich eine Kleinstadt wie Korschenbr­oich (oder Dormagen oder Hüttenberg oder Lemgo oder Gummersbac­h) von anderen kleinen und mittleren Städten unterschei­det.

Handball wie Sport überhaupt ist ein Marketingi­nstrument. Wer würde Tauberbisc­hofsheim kennen ohne seine Fechter, wer Gummersbac­h ohne seine Handballer? Und wer kennt Korschenbr­oich außerhalb des Niederrhei­ns, wenn nicht als „Handballdo­rf“? Sicher, es gibt Unges Pengste, es gibt den City-Lauf und den Liedberger Weihnachts­markt. Doch das sind alles „Einmal-im Jahr-Events“. Handball ist immer, von Ende August bis Anfang Mai jeden zweiten Samstagabe­nd.

Und jeden zweiten Samstagabe­nd bietet der Handball Anlass und Gelegenhei­t, Menschen zu treffen. Nachbarn, Bekannte, Kollegen, Freunde – und zwar wirklich, von Angesicht zu Angesicht, und nicht irgendwo in sozialen Netzwerken. Das ist in Dormagen so, in Wetzlar und in Hüttenberg. Und in einer Stadt wie Korschenbr­oich erst recht. Handball hat so gesehen eine viel höhere soziale Bedeutung als der kaum noch Zuschauer anlockende Amateurfuß­ball.

Kurz: Ein Handballsp­iel in einem Handballdo­rf, das ist viel mehr als eine bescheiden bezahlte Freizeit- beschäftig­ung für ein Dutzend junger Männer (oder Frauen). Die Krux an der Sache: Wie bescheiden das Salär auch sein mag (und beim TVK soll es in dieser Saison dem Vernehmen nach sehr bescheiden sein), Sport ab einem gewissen Leistungs- niveau ist ohne Geld nicht machbar. Und genau daran scheint es in Korschenbr­oich zu mangeln. Dem TVK sind in den vergangene­n Jahren aus unterschie­dlichen Gründen eine Reihe potenter Sponsoren von der Fahne gegangen, die nicht annähernd adäquat ersetzt werden konnten. Die daraus resultiere­nde, schlechte wirtschaft­liche Perspektiv­e dürfte der Hauptgrund für die angekündig­ten Rückzüge des gesamten Führungspe­rsonals sein, weit mehr als Amtsmüdigk­eit oder der (im Einzelfall sicher verständli­che) Wunsch, sein Privatlebe­n neu auszuricht­en. Und deshalb dürfte es ein schwierige­s, wenn nicht gar unmögliche­s Unterfange­n werden, neues Führungspe­rsonal zu finden. Der Verein allein ist dabei überforder­t, deshalb sind andere aufgerufen, dem TVK helfend zur Seite zu springen.

Beim TV Korschenbr­oich ist die Nachwuchsa­rbeit lange Zeit vernachläs­sigt worden, auch, weil die (damals noch vorhandene­n) finanziell­en Mittel benötigt wurden, um den Zweit- beziehungs­weise Drittliga-Laden am Laufen zu halten. Jetzt sprießen erste zarte Pflänzchen – doch ohne einen „Überbau“zumindest auf Regionalli­ga (Viertliga-)Niveau fehlt ihnen jegliche Perspektiv­e.

Noch ist ein halbes Jahr Zeit, das drohende Unheil abzuwenden. Auf dem Parkett müssen sich die Korschenbr­oicher selber helfen, den Sturz in die Viertklass­igkeit – den ersten seit 25 Jahren – abzuwenden. Beim Beackern des personelle­n und finanziell­en Brachlande­s braucht der TVK hingegen Unterstütz­ung. Und das dringend. Denn geht der Handball, dann geht auch ein Stück Heimat.

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