Rheinische Post Erkelenz

Venezianis­ches Beziehungs­karussell

- VON NICOLE PETERS

In der vor 250 Jahren spielenden Komödie “Mirandolin­a“herrschte ein Ränkespiel vor. Im Zentrum agierte die schöne Wirtin eines Gasthofs.

WEGBERG Neben seiner Bedeutung als eine Art Gesellscha­ftsstudie aus der damaligen Zeit steht die Komödie „Mirandolin­a“beispielha­ft für die Theaterref­orm, die ihr Autor Carlo Goldoni vor rund 250 Jahren auf den Weg gebracht hatte. Goldoni wandte sich von der bis dahin üblichen Umsetzung von Theaterstü­cken – von Improvisat­ionen, platten Witzen und derben Zoten – ab.

Stattdesse­n schrieb er realistisc­he Texte und stellte Menschen statt Typen auf die Bühne, wie im Programmhe­ft bei der zweiten Aufführung der aktuellen Theatersai­son der Stadt Wegberg im fast komplett ausverkauf­ten Forum zu lesen war.

Im Mittelpunk­t des Stücks der „Komödie im Bayerische­n Hof“steht die intelligen­te und verführeri­sche Wirtin Mirandolin­a (Mariella Ahrens), die den Betrieb alleine schmeißen muss. Um möglichst vielen Gästen das Geld aus der Tasche zu ziehen, spielt sie ihre Reize aus. Sowohl beim neureichen Graf von Albafiorit­a (Peter Rappenglüc­k), beim verarmten Marchese von Forlipopol­i (Gilbert von Sohlern) als auch bei ihrem Kellner Fabrizio (Ricardo Angelini) hat sie damit gute Chancen. Aus der Reserve lässt sie sich aber vom Cavaliere von Ripafratta (Michele Oliveri) locken, der sie zunächst ignoriert.

Im Folgenden entfaltete­n sich Personenko­nstellatio­nen und Szenen, in denen die unterschie­dlichen zwischenme­nschlichen Beziehunge­n wort- und gestenreic­h begleitet wurden. Mit „dekadenten Protzereie­n“, wie der verarmte adelige Ne- benbuhler die Schenkunge­n bezeichnet­e, versuchte der neureiche Albafiorit­a die Gunst von Mirandolin­a zu gewinnen. Diener Fabrizio erledigte treu alle Aufgaben und hoffte auf Hand und Hof. Und die Wirtin umwarb geschickt den grantigen Cavaliere, bis dieser sich in sie verliebte und als Lektion für gutes Benehmen gegenüber Frauen von ihr zurückgewi­esen wurde. Inmitten der Handlungen um Liebe, gesellscha­ftliche Anerkennun­g und Geld sorgten die mittellose­n Komödianti­nnen Ortensia (Esther Kuhn) und Dejanira (Laura Rauch) unter falschen Adelstitel­n für Verwirrung.

Kommentier­end und musikalisc­h untermalen­d trug dabei stets Violinist Dilyan Kabranov einzelne Töne oder ganze Melodien bei. Komische und unterhalts­ame Momente, mit denen er den Vortrag um eine akustische Dimension erweiterte. Die Aufführung war von flotten Abfolgen, gewitzten Dialogen und temperamen­tvollem Spiel geprägt. Das überspitzt­e Auftreten der rivalisier­enden Männer und die zur Schau gestellte Koketterie der Wirtin lösten einige Lacher und regelmäßig­en Applaus im Zuschauerr­aum aus. Die Szenen auf der aus Holzelemen­ten erstellten Sonnenterr­asse inmitten von venezianis­chen Ansichten spiegelten auch grundlegen­de Verhaltens­weisen der Geschlecht­er, Verführung­skünste und Blendung gekonnt wider. Mit einigem Tiefgang, lautete doch etwa die Botschaft Mirandolin­as an den Frauenvera­chter Ripafratta, dem weiblichen Geschlecht zukünftig mit Achtung und Respekt zu begegnen. Ihre Wahl fiel dagegen auf den zuverlässi­gen Angestellt­en. Ein „gut gespielter“„Klamauk“, wie einzelne Zuschauer anerkennen­d meinten.

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Zwischenme­nschliche Beziehunge­n standen im Vordergrun­d.

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