Abriss begonnen
Aktivisten erzwingen, dass der Abriss des Immerather Doms durch RWE Power um fünf Stunden verschoben wird.
FRÜHMORGENS Nachdem am Sonntag noch einmal mehr als 300 Menschen mit einer Mahnwache und einem politischen Gebet ein Zeichen gegen den Abriss des Immerather Doms gesetzt hatten, war es am frühen Montagmorgen zu einem weiteren Protest gekommen, was den Beginn des Abrisses um fünf Stunden hinauszögerte. Drei Greenpeace-Aktivisten hatten sich Zugang zur einstigen St.-Lambertus-Pfarrkirche verschafft, um zwischen beiden Türmen ein Banner zu entrollen. Zwei weitere Aktivisten hatten sich an der Schaufel des Baggers festgekettet, der für den Abriss vorgesehen war. 8 UHR Ein kleines Banner mit der Aufschrift „Wer Kultur zerstört, zerstört auch Menschen“haben die Aktivisten bereits entrollt. Nun versuchen sie, ein weitaus größeres zu entrollen. „So lange wir hier sind, wird RWE Power nicht mit dem Abriss beginnen“, erklärt Anike Peters, Energieexpertin von Greenpeace und fügt an: „Mit unseren Aktionen fordern wir, mit dem Abriss mindestens so lange zu warten, bis die künftige Bundesregierung über ihre Energiepolitik entschieden hat – hier sollen unwiederbringliche Fakten geschaffen werden.“ 8.45 UHR Aus Protest gegen den Abriss der im 19. Jahrhundert von der Bevölkerung erbauten neoromanischen Kirche hängen Gegner des Vorhabens ein rotes Spruchband an den Bauzaun, mit dem das Areal umgeben ist: „Tagebau stoppen! Rote Linie A 61“. Zeitgleich bestätigt Jürgen Heitzer, Pressesprecher der Polizei, dass es zu Beginn der Protestaktion zwischen 5 und 6 Uhr zu leichteren Verletzungen gekommen sein soll. Er beschreibt die aktuelle Lage als statisch, was bedeuten könnte, dass sich der für 9 Uhr geplante Beginn der Abrissarbeiten verzögern könnte. Jürgen Heitzer: „Wir versuchen mit den Umweltaktivisten zu sprechen und eine friedliche Lösung herbeizuführen.“ 9.05 UHR Ein Polizeihubschrauber nähert sich Immerath (alt) und umrundet die beiden Kirchtürme, die viele Menschen in der Region auch als Landmarken ihrer Heimat ansehen. Das Gelände ist so weitläufig, dass sich die Polizei aus der Luft einen Überblick verschaffen will. Zugleich hat sie am Boden ihre Einsatzkräfte um eine Hundertschaft aus Wuppertal verstärkt. Der Abriss der einstigen Kirche hat noch nicht begonnen. 9.30 UHR „Zwei Mitarbeiter von RWE und zwei Demonstranten haben sich heute Morgen leicht verletzt“, hat Polizeisprecher Heitzer inzwischen Details. Alle vier Personen seien vor Ort versorgt und nach der ärztlichen Behandlung wieder entlassen worden. Bestätigen kann Heitzer mittlerweile auch, dass einer der verletzten Aktivisten von einem Polizeihund gebissen worden war. 9.40 UHR Pastor Werner Rombach, zu dessen Pfarrei der Immerather Dom bis zur Entwidmung im Jahr 2013 gehört hatte, ist gekommen, um seiner Gemeinde in der Stunde des Kirchenabrisses Beistand zu leisten: „Die entscheidenden Emotionen waren beim Endwidmungsgottesdienst, in dem die Kirche profaniert worden ist. Damals, das war dramatisch, hart auch für mich, die trauernden Menschen zu sehen – heute muss man sehen, dass die Emotionen nicht mehr so stark sind.“Von vielen Gemeindemitgliedern habe er in den vergangenen Tagen gehört, dass sie sich den Abriss von ehemals St. Lambertus nicht ansehen wollten: „Für viele war der eindrückliche Gottesdienst zur Entwidmung am 13. Oktober 2013 ein Schlussstrich.“
Retten will die katholische Kirche bei dem Abriss noch weitere Erinnerungsstücke, erklärt Rombach. Gedacht sei daran, das Relief über dem Portal und beispielsweise eine Blausteinsäule aus dem Innenraum noch nach Immerath (neu) zu holen. Johannes Klomp, dessen Architekturbüro das dort neu entstandene sakrale Gebäude entworfen hatte, kann sich vorstellen, „diese Fragmente der alten Kirche noch in das Gebäudeensemble, zum Beispiel in die Außenanlage, zu integrieren.
Aufgrund des Energiewandels kann Pastor Rombach nicht verstehen, sagte er im Gespräch mit Gemeindemitgliedern, dass es weitergeht: „Es gibt bei uns noch andere Orte, die vor der Umsiedlung stehen. Ich hätte mir gewünscht, wenn gesagt worden wäre: Mit Immerath ist Schluss.“ 10 UHR Vor einer Stunde hätte der Abriss des Immerather Doms beginnen sollen, stattdessen haben die Greenpeace-Aktivisten über dem Portal inzwischen ihr großes Banner entrollt. Und gegenüber sind vier weitere Umweltschützer auf das Dach eines Hauses an der Rurstraße geklettert, wo sie ebenfalls ein Spruchband entrollen und auf dem Kamin sitzend einige Feuerwerksraketen zünden.