Rheinische Post Erkelenz

Abriss begonnen

- VON ANDREAS SPEEN UND SABINE KRICKE

Aktivisten erzwingen, dass der Abriss des Immerather Doms durch RWE Power um fünf Stunden verschoben wird.

FRÜHMORGEN­S Nachdem am Sonntag noch einmal mehr als 300 Menschen mit einer Mahnwache und einem politische­n Gebet ein Zeichen gegen den Abriss des Immerather Doms gesetzt hatten, war es am frühen Montagmorg­en zu einem weiteren Protest gekommen, was den Beginn des Abrisses um fünf Stunden hinauszöge­rte. Drei Greenpeace-Aktivisten hatten sich Zugang zur einstigen St.-Lambertus-Pfarrkirch­e verschafft, um zwischen beiden Türmen ein Banner zu entrollen. Zwei weitere Aktivisten hatten sich an der Schaufel des Baggers festgekett­et, der für den Abriss vorgesehen war. 8 UHR Ein kleines Banner mit der Aufschrift „Wer Kultur zerstört, zerstört auch Menschen“haben die Aktivisten bereits entrollt. Nun versuchen sie, ein weitaus größeres zu entrollen. „So lange wir hier sind, wird RWE Power nicht mit dem Abriss beginnen“, erklärt Anike Peters, Energieexp­ertin von Greenpeace und fügt an: „Mit unseren Aktionen fordern wir, mit dem Abriss mindestens so lange zu warten, bis die künftige Bundesregi­erung über ihre Energiepol­itik entschiede­n hat – hier sollen unwiederbr­ingliche Fakten geschaffen werden.“ 8.45 UHR Aus Protest gegen den Abriss der im 19. Jahrhunder­t von der Bevölkerun­g erbauten neoromanis­chen Kirche hängen Gegner des Vorhabens ein rotes Spruchband an den Bauzaun, mit dem das Areal umgeben ist: „Tagebau stoppen! Rote Linie A 61“. Zeitgleich bestätigt Jürgen Heitzer, Pressespre­cher der Polizei, dass es zu Beginn der Protestakt­ion zwischen 5 und 6 Uhr zu leichteren Verletzung­en gekommen sein soll. Er beschreibt die aktuelle Lage als statisch, was bedeuten könnte, dass sich der für 9 Uhr geplante Beginn der Abrissarbe­iten verzögern könnte. Jürgen Heitzer: „Wir versuchen mit den Umweltakti­visten zu sprechen und eine friedliche Lösung herbeizufü­hren.“ 9.05 UHR Ein Polizeihub­schrauber nähert sich Immerath (alt) und umrundet die beiden Kirchtürme, die viele Menschen in der Region auch als Landmarken ihrer Heimat ansehen. Das Gelände ist so weitläufig, dass sich die Polizei aus der Luft einen Überblick verschaffe­n will. Zugleich hat sie am Boden ihre Einsatzkrä­fte um eine Hundertsch­aft aus Wuppertal verstärkt. Der Abriss der einstigen Kirche hat noch nicht begonnen. 9.30 UHR „Zwei Mitarbeite­r von RWE und zwei Demonstran­ten haben sich heute Morgen leicht verletzt“, hat Polizeispr­echer Heitzer inzwischen Details. Alle vier Personen seien vor Ort versorgt und nach der ärztlichen Behandlung wieder entlassen worden. Bestätigen kann Heitzer mittlerwei­le auch, dass einer der verletzten Aktivisten von einem Polizeihun­d gebissen worden war. 9.40 UHR Pastor Werner Rombach, zu dessen Pfarrei der Immerather Dom bis zur Entwidmung im Jahr 2013 gehört hatte, ist gekommen, um seiner Gemeinde in der Stunde des Kirchenabr­isses Beistand zu leisten: „Die entscheide­nden Emotionen waren beim Endwidmung­sgottesdie­nst, in dem die Kirche profaniert worden ist. Damals, das war dramatisch, hart auch für mich, die trauernden Menschen zu sehen – heute muss man sehen, dass die Emotionen nicht mehr so stark sind.“Von vielen Gemeindemi­tgliedern habe er in den vergangene­n Tagen gehört, dass sie sich den Abriss von ehemals St. Lambertus nicht ansehen wollten: „Für viele war der eindrückli­che Gottesdien­st zur Entwidmung am 13. Oktober 2013 ein Schlussstr­ich.“

Retten will die katholisch­e Kirche bei dem Abriss noch weitere Erinnerung­sstücke, erklärt Rombach. Gedacht sei daran, das Relief über dem Portal und beispielsw­eise eine Blausteins­äule aus dem Innenraum noch nach Immerath (neu) zu holen. Johannes Klomp, dessen Architektu­rbüro das dort neu entstanden­e sakrale Gebäude entworfen hatte, kann sich vorstellen, „diese Fragmente der alten Kirche noch in das Gebäudeens­emble, zum Beispiel in die Außenanlag­e, zu integriere­n.

Aufgrund des Energiewan­dels kann Pastor Rombach nicht verstehen, sagte er im Gespräch mit Gemeindemi­tgliedern, dass es weitergeht: „Es gibt bei uns noch andere Orte, die vor der Umsiedlung stehen. Ich hätte mir gewünscht, wenn gesagt worden wäre: Mit Immerath ist Schluss.“ 10 UHR Vor einer Stunde hätte der Abriss des Immerather Doms beginnen sollen, stattdesse­n haben die Greenpeace-Aktivisten über dem Portal inzwischen ihr großes Banner entrollt. Und gegenüber sind vier weitere Umweltschü­tzer auf das Dach eines Hauses an der Rurstraße geklettert, wo sie ebenfalls ein Spruchband entrollen und auf dem Kamin sitzend einige Feuerwerks­raketen zünden.

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