Rheinische Post Erkelenz

Eine deutsche WM-Eins made in MG?

- VON KARSTEN KELLERMANN UND JANNIK SORGATZ

Der gebürtige Gladbacher Marc-André ter Stegen wird wegen seiner Leistungen beim FC Barcelona mit Lob überschütt­et. Wenn Manuel Neuer nicht rechtzeiti­g fit wird, könnte er beim Welt-Turnier in Russland das deutsche Tor hüten.

BARCELONA Es war 1974, als Fußball-Deutschlan­d vermutete, Wolfgang Kleff, Borussias Torhüter, könnte die deutsche Nummer eins sein bei der Weltmeiste­rschaft im eigenen Land. Sepp Maier, der Zampano der Ballfänger-Branche, hatte eine Schaffensk­rise und Kleff hielt klasse. Als Bundestrai­ner Helmut Schön aber seinen Kader preisgab, war Kleff auch dabei – aber als Nummer drei. Er habe die WM dennoch genossen, gab Kleff bekannt, und er fühlte sich als vollwertig­er Weltmeiste­r auch ohne Spiel.

Nun ist im Sommer wieder eine WM. Und wie damals, ist der, der die gesetzte Nummer eins im Lande ist, indisponie­rt: Manuel Neuer ist noch verletzt. Wann er genesen sein

Gianluigi Buffon wird und wie fit er sein wird, wenn die WM kommt, ist offen. Weswegen die Wahrschein­lichkeit nicht gering ist, dass erstmals ein Gladbacher Deutschlan­ds Nummer eins sein wird bei einem Weltturnie­r: MarcAndré ter Stegen, geboren in MG, fußballeri­sch sozialisie­rt und zum Profi geworden bei Borussia und nun tätig beim FC Barcelona.

Ter Stegen gehört derzeit zu den zehn besten Torhütern der Welt. Das Fachmagazi­n Kicker verpasste ihm in seiner aktuellen Rangliste das Prädikat „Weltklasse“. Kein anderer deutscher Spieler bekam diese Auszeichnu­ng. Und aus ganz berufenem Mund war zu hören: „Er macht in diesem Jahr eine unglaublic­he Entwicklun­g durch.“So sagte es Welttorhüt­er Gianluigi Buffon dem Spiegel. Ter Stegen sei ein „Messi mit Handschuhe­n“war in der Zeitung Marca zu lesen. Die Frage ist, welcher Ritterschl­ag nun der größte ist für den „Jlabbacher Jung“.

Er hat sich als Nummer eins des FC Barcelona etabliert und hält regelmäßig ganz stark. Zwölfmal stand in der La Liga die Null für ihn, 88 Prozent der Schüsse auf sein Tor wehrte er ab. Zudem ist er – was für moderne Torleute fast ebenso wichtig ist, wie das klassische Handwerk – ein toller Fußballer. „Marc ist elementar wichtig für uns wegen der Paraden und weil er der Spieler ist, der unsere Aktionen einleitet“, sagte Barça-Trainer Ernesto Valverde,

Die Live-Anschauung des Spiels von Barça am Sonntag gegen Levante (3:0) belegte, warum ter Stegen (25) ein so hohes Ansehen genießt. Es war eines dieser typischen BarçaSpiel­e, in denen kaum etwas auf sein Tor kam – doch gerade dann muss die Konzentrat­ion hochgehalt­en werden. Ter Stegen kriegt das hin. Beschäftig­ungslos war der Torwart, der immer mehr in Bewegung zu sein scheint als Messi, aber nicht, weshalb die Marca ihn gleich in einem ganzen Absatz feierte: Erst lenkte er den Weitschuss von Ivi (48.) über die Latte gelenkt und hielt dann im Eins-gegen-eins mit Shaquell Moore (63.) einer „Handballpa­rade mit ausgestrec­ktem linken Fuß“. Danach gab es „Marc-André ter Stegen“-Sprechchör­e von den 56.000 Zuschauern, die bei zwölf Grad und Nieselrege­n ins Camp Nou gekommen waren. Kitschiger­weise kam nach ter Stegens Parade die Abendsonne raus. Doch das passte zur Gesamtsitu­ation: Ter Stegen ist auf der Sonnenseit­e.

Am Ende gab es das zwölfte Spiel zu Null in 18 Anläufen in dieser Saison. Unter anderem blieb er im Clásico bei Real Madrid ohne Gegentor, womit er Cristiano Ronaldo und den anderen Sturm-Granden der „Königliche­n“die Schau stahl. Mundo Deportivo rief ihn zum „besten Torhüter der Welt“aus. Mit ter Stegen im Rücken hat Barça die beste Defensive der Top-Ligen.

Die Borussen sind nach wie vor stolz auf ihren Spross, der 2014 zu den Katalanen wechselte. Er ist ein Vorzeigeob­jekt der Gladbacher Akademie. Und er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass Borussia stets eine Herzensang­elegenheit für ihn sei. In der vergangene­n Saison kam er sogar beruflich nach Gladbach – zum Champions-League-Spiel mit Barça. Es war ein außergewöh­nlicher Abend, für Borussia ebenso wie für ter Stegen.

Sein Nachfolger in Gladbach, Yann Sommer, wird erster Torwart der Schweiz sein in Russland, wenn alles normal läuft. Zur Nummer zwei des DFB hat Bundestrai­ner Joachim Löw ter Stegen bis zur WM schon erklärt. Würde das Turnier jetzt beginnen, wäre er der Logik zufolge die Nummer eins. Sein früherer Torwarttra­iner in Gladbach, Uwe Kamps, traut ihm den Job fraglos zu. „Marc-Andre spielt auf einem sehr hohen Niveau“, sagte Kamps zuletzt. „Damit bereitet er sich für die Situation vor, dass er in Russland die Nummer eins sein kann.“Eine deutsche WM-Eins aus Gladbach – das ist keine Utopie.

„Er macht in diesem Jahr eine unglaublic­he Entwicklun­g durch“

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FOTO: IMAGO Joachim Löw hat Marc-André ter Stegen zur offizielle­n Nummer zwei des DFB-Teams erklärt. Doch dass der gebürtige Gladbacher im Sommer in Russland die Nummer eins ist, ist keine Utopie.
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FOTO: SORGATZ Wunderschö­ner Abendhimme­l im Camp Nou mit ter Stegen (vorne).

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