Der Kampf gegen das Kalifat geht weiter
Im Kampf gegen den IS beteiligt sich die Bundeswehr mit Luftbetankung und Aufklärung. Diese Mission geht ihrem Ende entgegen, aber die Verteidigungsministerin baut die deutsche Präsenz im Nahen Osten aus.
AMMAN Es ist eine Drei-SterneNahostpolitik, die Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am vergangenen Wochenende in der jordanischen Hauptstadt Amman in Szene setzt. Drei PS-strotzende Lkw stehen auf dem Militärflughafen, alle geziert mit dem Mercedes-Stern. Der weiße Sprinter in der Mitte soll die Grenzsicherung schneller, die zwei Zerdos-Kraftprotze mit zwei und drei Achsen sollen selbst unwegsame Gegenden für sie erreichbar machen. 80 Prozent Steigung schaffen die Fahrzeuge. Sie und zwei kleine Schulflugzeuge sollen signalisieren, dass sich Deutschland stärker als je zuvor bei der Stabilisierung des Nahen Ostens engagiert. Und zwar „auf Dauer“, betont von der Leyen.
Die symbolische Schlüsselübergabe für insgesamt 166 Fahrzeuge steht für Hilfen im Umfang von mehr als einer Milliarde Euro, mit denen Berlin seit 2016 in Amman Flagge zeigt. Jordanien sei die „Stimme der Vernunft und des Ausgleichs“in einer instabilen Region, sagt die Ministerin. Und sie lobt, wie vorbildlich Jordanien mit der Aufnahme von Millionen Flüchtlingen handle. Was sie nicht sagt: So lange die Menschen Perspektiven in der Region haben, machen sie sich nicht auf den Weg nach Deutschland. „Wir wissen, dass die Region über lange Zeit nicht zur Ruhe kommt“, sagt von der Leyen, umso wichtiger sei es, dass man verlässliche Beziehungen aufbaut.
Wie ernst es der Bundeswehr unter von der Leyens Führung damit ist, hat am Vortag im funkelnagelneuen „Camp Sonic“mitten in der jordanischen Wüste für Irritationen gesorgt. Im Briefing spricht die örtliche Militärführung zwar davon, dass das Kalifat des Terrornetzwerks Islamischer Staat inzwischen auch mit deutscher Hilfe „zerschlagen“sei. Doch das deutsche Lager wird mit Millionenaufwand aufgebaut, als gehe die Mission gerade erst los. Vor allem die mitreisenden Abgeordneten von der Linken und der AfD sehen das kritisch.
Denn auch der Hauptbeitrag der Deutschen ist erkennbar an seine Grenzen gekommen: Sechs Mal in der Woche starten zwei TornadoAufklärungsjets, um die Stellungen des IS in Syrien und im Irak auszukundschaften. Die Aufträge der Allianz gegen den IS gehen weiter bei den Deutschen ein. Aber die Ziele sind nun andere geworden, wie es Staffelkapitän Dominique G. aus der Sicht eines Tornado-Piloten schildert. Anfangs habe das Interesse vor allem festen Strukturen gegolten. Heute gleiche der Einsatz eher der „Suche nach der Nadel im Heuhaufen“. Die Nadel im Heuhaufen, das sind nach seinem Beispiel Terroristen in der Wüste. Und zwar solche, die sich als Beduinen tarnen. Die Profi-Auswerter der Luftwaffe bekommen die bis zu 2500 Bilder pro Einsatz bereits während des Flugs zugesandt. Und dann gehen sie die Lage am Boden Millimeter für Millimeter durch. Gibt es auffällige Verteidigungsstellungen? Sind das Kamele oder Pick-ups? Verraten Waffen die wahre Identität? Die Ergebnisse gehen an das militärische Hauptquartier, wo ein Bundeswehroffizier darüber entscheidet, welche Aufklärungsmission die Deutschen überhaupt übernehmen und was dann mit den Bildern geschieht. Er hat eine rote Karte, die er zieht, wenn die Vorgaben des Bundestags nicht eingehalten werden.
Ein amerikanisches F-15-Kampfflugzeug unterbricht mit ohrenbetäubendem Lärm das Gespräch der Ministerin mit der Crew des zum Tankflugzeug umgebauten Luftwaffen-Airbus. 17 Millionen Liter Kraftstoff haben die Deutschen in der Luft mit Hochdruck in eigene und fremde Jets gepumpt, um deren Reichweite im Kampf gegen den IS zu erhöhen. Zunächst von der Türkei aus, seit letzten Herbst von Jordanien aus. Der Luftwaffenstützpunk Incirlik in der Türkei war auf dem Höhepunkt der deutsch-türkischen Krise für Bundestagsabgeordnete nicht zugänglich. Daraufhin zog die Regierung die Konsequenzen und ließ die Truppe mit über 200 Containern umziehen. Der Stützpunkt Al Azraq nahe Amman steht für ein neues Kapitel des deutschen Nahost-Engagements. Binnen Wochen wurden hier Operations-, Unterkunfts-, Sanitär-, Verpflegungs- und Freizeitgebäude hochgezogen. Die Billardplatten sind aufgebaut, das W-Lan für die Verbindung nach Hause steht. Auf den Schotterpisten staubt es zwar noch ein bisschen, aber die Paletten mit den roten Pflastersteinen sind schon da, auch der Rollrasen. Von den Arealen anderer Nationen unterscheiden sich die Deutschen auch durch die Straßenlaternen, die mit Solarstrom betrieben werden.
Das Kalifat fast geschlagen, das Ende der Mission naht – und Deutschland baut auf? Neben von der Leyens VIP-Flieger landet eine amerikanische Kampfdrohne, rollt zu einer beeindruckenden Anzahl weiterer Exemplare. Ist das längst auch das bessere Mittel zur Aufklärung, statt jedes Mal zwei Jets in den syrischen und irakischen Luftraum zu schicken, wenn es gilt, „Beduinen“als Terroristen zu entlarven?
Noch sei die internationale Allianz regelmäßig beeindruckt von den Leistungen der deutschen Auswerter. Diese Fähigkeit ist nach wie vor sehr gefragt, vielleicht sogar mit zunehmenden Zweifeln an der Identität der Ziele noch mehr. Aber das Ende der Tornado-Mission rückt erkennbar näher. Das gilt nicht für das Bemühen Deutschlands, in einer Region Einfluss zu bekommen, die für die Entwicklung von Frieden und Flucht von herausragender Bedeutung ist.