„Ich vermisse meine Kinder“
Zwei Syrer mit eingeschränktem Schutzstatus wollen ihre Familien nachholen. Nach der neuen Regelung müssen sie weiterhin warten.
DÜSSELDORF Rajaa Kabtoul weint. Seit mehr als zwei Jahren hat sie ihre beiden Kinder nicht mehr gesehen. Ihr größter Wunsch ist es, sie nach Deutschland zu sich zu holen, sie in Sicherheit zu wissen. Den gleichen Wunsch hat auch Ahmad Kurdi. Seine Frau und seine beiden Söhne harren in der Türkei aus, ohne Geld, Pässe, Schutz. Kabtoul und Kurdi sind geflohen, aus Syrien, einem Land, in dem Bürgerkrieg herrscht.
Ihre Heimatorte, so sagen sie, wurden bombardiert, das Haus von Kurdi zerstört. Jetzt haben Kurdi und Kabtoul nach einer langen, gefährlichen Flucht lediglich subsidiären Schutz erhalten. Ihre Asylanträ- ge wurden abgelehnt. Beide haben somit laut Regelung kein Recht auf Familiennachzug.
Kabtoul hat vor einem halben Jahr einen Härtefallantrag gestellt. Eine Antwort hat sie noch nicht. Erfolg könnte dieser aber durchaus haben. Momentan leben ihre neunjährige Tochter und ihr zehnjähriger Sohn bei Verwandten in einem Vorort von Damaskus, erzählt sie. „Immer wieder gibt es dort Bombenanschläge. Die Lage ist total unsicher“, sagt die 32-Jährige.
Ende Dezember 2015 machte sich Kabtoul auf den Weg nach Deutschland. Ihr Mann blieb mit den Kindern zurück. „Ich konnte diesen Weg nicht mit meinen Kindern gehen. Ich wusste, dass ihr Leben in Gefahr gewesen wäre“, sagt Kabtoul. „Wir hatten auch nur die finanziellen Mittel für die Flucht einer Person.“Ihr Mann konnte nicht fliehen, weil er vom Regime verfolgt wird. Wäre er aufgegriffen worden, hätte es das Ende der Flucht bedeutet. Schon im Januar 2016 kam Kabtoul in Deutschland an und beantragte Asyl. Im August 2016 wurde ihr Antrag abgelehnt. Begründung: Sie sei nicht aufgrund politischer Verfolgung gegen sie persönlich geflüchtet. Kabtoul klagte gegen den Bescheid. Doch sie scheiterte.
Der 41-jährige Kurdi erzählt eine ähnliche Geschichte. Auch sein Asylantrag wurde abgelehnt, aus dem gleichen Grund. Als das Haus in Aleppo, in dem seine Familie wohnte, bei einem Bombenangriff zerstört wurde, flüchteten seine Frau und seine beiden sechs und sieben Jahre alten Söhne in die Türkei. Dort leben sie nun seit vier Monaten ohne offiziellen Aufenthaltsstatus bei Kurdis Bruder. „Ich fühle mich im Stich gelassen“, sagt Kurdi. Mit dem Asylpaket II hat sich im März 2016 die Regelung für den Familiennachzug von subsidiär Geschützten geändert. Nur noch im Härtefall sollten die Familien nach Deutschland kommen.
Im Oktober 2016 traf die Kabtouls ein weiterer Schicksalsschlag: Ihr Mann starb bei einem Granatenangriff. Ihre Tochter wurde am rechten Bein verletzt. Noch heute leidet sie an den Folgen der Brandverletzungen. „Ich vermisse meine Kinder“, sagt Kabtoul.
Am 17. März 2018 sollte die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte eigentlich wieder aufgehoben werden. Gestern beschloss der Bundestag eine Verlängerung bis Ende Juli. Das Auswärtige Amt, das für den Familiennachzug zuständig ist, konnte gestern zu den beiden Fällen, insbesondere zu dem Härtefallantrag Kabtouls, auf Nachfrage unserer Redaktion keine Angaben machen.