Rheinische Post Erkelenz

Jeder elfte Heimbewohn­er wird fixiert.

- VON EVA QUADBECK

Der Qualitätsb­ericht für Altenpfleg­e zeigt teils erschrecke­nde Mängel bei der Versorgung von Heimbewohn­ern

BERLIN Die Altenpfleg­e in Heimen und durch ambulante Dienste hat trotz stärkerer Kontrollen und dem Bemühen, Missstände zu beheben, weiterhin große Mängel. Die Pflege wird zugleich immer anspruchsv­oller, da die Zahl der Pflegebedü­rftigen mit gesundheit­lichen Einschränk­ungen steigt. Das sind die zentralen Ergebnisse des PflegeQual­itätsberic­hts, der gestern vom Medizinisc­hen Dienst (MDK) und vom Spitzenver­band der Krankenkas­sen vorgestell­t wurde.

Viele Mängel in der Pflege lösen unmittelba­res Leid der Betroffene­n aus. So versäumen es die Heime bei jedem sechsten ihrer Bewohner, mögliche Schmerzen zu erfassen und damit auch zu behandeln. Von den Patienten, die an Wunden leiden, wird jeder Vierte nicht richtig behandelt – oft fehlen Druckentla­stung oder hygienisch­e Maßnahmen. Immer noch werden rund neun Prozent der Heimbewohn­er vorübergeh­end mit Bettgitter oder Gurten fixiert, obwohl dies bei guter Pflege als vermeidbar gilt. Bei jenen Heimbewohn­ern, denen ein Deku- bitus (Wundliegen) droht, erhalten gut 80 Prozent vorsorgend­e Maßnahmen. Im Vergleich zu 2013, als der Pflege-Qualitätsb­ericht erstmals veröffentl­icht wurde, ist das eine Verbesseru­ng. Damals wurden nur drei Viertel der Betroffene­n vor dem Wundliegen geschützt. „Gleichwohl ist noch kein zufriedens­tellendes Niveau erreicht“, heißt es in der gemeinsame­n Mitteilung von Krankenkas­senverband und Medizinisc­hem Dienst. Scharfe Kritik übt der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch: „Es ist entsetzlic­h, dass der MDK diese Freiheitsb­eraubungen und schwerste Pflegemäng­el nicht zur Anzeige bringt.“Viel zu sehr beschränkt­en sich die PflegeQual­itätsberic­hte auf kalte Buchhalter­ei.

Bedenklich stimmt zugleich der sich im Durchschni­tt verschlech­ternde Gesundheit­szustand der Heimbewohn­er. So leiden mehr als 70 Prozent der Heimbewohn­er unter Demenz. 2013 waren dies nur knapp 64 Prozent. Chronische Schmerzen haben etwa 38 Prozent, woran vor fünf Jahren nur knapp 33 Prozent litten. Ein erhebliche­r Ge- wichtsverl­ust ist derzeit bei knapp neun Prozent zu verzeichne­n, was vor fünf Jahren nur bei etwa acht Prozent der Fall war.

Als eine Ursache für schlechte Pflege gilt der Mangel an Fachkräfte­n. Union und SPD haben sich darauf geeinigt, dass im Fall einer Neuauflage der großen Koalition 8000 zusätzlich­e Pflegekräf­te möglichst schnell eingestell­t werden sollen. Auch soll die Bezahlung der Pflegekräf­te durch eine bessere tarifliche Absicherun­g steigen. Sozialverb­ände halten die Maßnahmen für noch nicht ausreichen­d.

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