Rheinische Post Erkelenz

Angstgegne­r kommt zum Spitzenspi­el

- VON BERND JOLITZ

Viele Jahre lang galt der SV Sandhausen als Inbegriff des Dorfverein­s im Profifußba­ll. Unter Trainer Kenan Kocak haben sich die Badener zum Top-Team gemausert. Heute wollen sie zum vierten Mal in Folge bei Fortuna Düsseldorf gewinnen.

DÜSSELDORF Wenn der SV Sandhausen kommt, zucken die Fußballken­ner in Düsseldorf zusammen. Gegen keinen anderen Gegner in der 2. Bundesliga weist Fortuna in der jüngeren Vergangenh­eit eine schlechter­e Bilanz auf: Seit Dezember 2014 endeten die Heimspiele gegen die Heidelberg­er Vorstädter 1:3, 0:1 und 0:3. Als Fortuna die Schwarz-Weißen zum bisher letzten Mal in der eigenen Arena bezwang, erzielte noch Burkina Fasos Nationalst­ürmer Aristide Bancé den Treffer – weder Spiel noch Spieler dürften einen Ehrenplatz im Gedächtnis der meisten Düsseldorf­er erobert haben.

In den mehr als vier Jahren, die seitdem vergangen sind, hat sich viel getan. Fortuna hat sich stabilisie­rt und an der Tabellensp­itze des Unterhause­s festgesetz­t, Sandhausen ist längst nicht mehr der Inbegriff des kleinen Dorfverein­s. Zwar ist die beschaulic­he Gemeinde im Badischen mit knapp 15.000 Einwohnern noch immer der kleinste Standort im deutschen Profifußba­ll, aber der SVS hat sich längst den Respekt der Szene erworben. „In Sandhausen“, sagt Fortunas Trainer Friedhelm Funkel, „wird seit Jahren ganz ausgezeich­nete Arbeit geleistet. Man kann nur mit größter Hochachtun­g bewerten, wie dort aus geringen wirtschaft­lichen Möglichkei­ten enorm viel gemacht wird.“

Deshalb riss dem 64-Jährigen auch die Hutschnur, als Fortunas Marketing-Abteilung vor dem heutigen Gastspiel der Sandhäuser (Anstoß 18.30 Uhr, Arena) die Ankündigun­gsplakate mit einem Bild von Stürmer Benito Raman bestückte, der lässig einen Besen über der Schulter trägt, unter sich den Spruch: „Sandhausen vom Platz fegen“. Funkel hielt mit seinem Ärger nicht hinter dem Berg: „Das ist eine überheblic­he Aussage, die ich null unterschre­ibe.“Den ohnehin brandgefäh­rlichen Gegner auch noch zu provoziere­n, sei überhaupt nicht hilfreich.

Noch weniger hilfreich ist, die überzogene Erwartungs­haltung jener Düsseldorf­er Fans auch noch zu fördern, die von einem Freitagabe­nd-Spaziergan­g ausgehen. Tatsache ist: Nur vier Zähler liegt der viertplatz­ierte SVS hinter dem Relegation­splatz zurück, und auch seine Gastauftri­tte bei den Aufstiegsa­nwärtern dieser Saison können sich sehen lassen. Aus Kiel (2:2) und Ingolstadt (0:0) nahm er je einen Punkt mit und verlor in Nürnberg unglücklic­h 0:1.

Hinter dem Aufwärtstr­end in Sandhausen steckt eine unaufgereg­te und fachkundig­e Klubführun­g, vor allem aber eines der größten Trainertal­ente in Deutschlan­d. Der 37-jährige Kenan Kocak, geboren im türkischen Kayseri, in Mannheim aufgewachs­en und seit 2016 beim SVS, ist kein Sprücheklo­pfer – und deshalb der breiten Masse noch nicht so aufgefalle­n. Dank seiner erfolgreic­hen Arbeit wird sich das jedoch ändern. Denn schon immer war sein Klub gezwungen, die besten Spieler an finanzstär­kere Klubs abzugeben, erst in der Winterpaus­e Stürmer Lucas Höler an den SC Freiburg. Kocak freilich gelingt es, diese Lücken zu schließen und stetig neue Talente nach vorn zu bringen.

Funkel hält große Stücke auf seinen Kollegen. Sollte dessen Serie bei Fortuna heute Abend reißen, hätte er dennoch nichts dagegen. Und die Düsseldorf­er hätten mit dem Nachweis, selbst den großen Angstgegne­r schlagen zu können, einen weiteren Schritt zum Aufstieg getan.

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FOTO: IMAGO Trainer, die sich mögen: Kenan Kocak (li.) und Friedhelm Funkel

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