Paradies in Azurblau
Nirgendwo duftet es türkiser: Der Swimmingpool ist der beste Ort, an dem man sein kann. Und er ist ein
wiederkehrendes Motiv in der Kulturgeschichte. Vor allem im Kino wurde er zum Symbol.
Silence“. Stillstand und Trägheit, Verlorensein und Zuspätkommen. Die Poolszene ist reiner Transit zwischen Jugend und Erwachsensein, und sehr schön ist dieser Dialog: „Benjamin, was tust du da?“– „Nun, ich würde sagen, ich lasse mich treiben.“– „Warum?“– „Es ist sehr angenehm, sich treiben zu lassen.“
Die ersten Schwimmbecken wurden um 2500 v. Chr. in der Induskultur auf dem Gebiet des heutigen Pakistan gebaut. Die Pools, die Archäologen dort entdeckten, waren sieben mal zwölf Meter groß und zweieinhalb Meter tief, und wegen der Maße sind sich die Fachleute einig, dass sie nicht bloß zur Körperreinigung, sondern auch dem Vergnügen dienten. In Ägypten und Rom gehörte das Schwimmen später ohnehin zum guten Ton, und bei den alten Griechen galt man gar als ungebildet, wenn man nicht schwimmen konnte.
Wobei das Prinzip des Swimmingpools ja inzwischen beinhaltet, dass es weniger ums Schwimmen geht, als vielmehr ums Baden. Die insofern schönste Erzählung über das Badengehen schrieb der US-Autor David Foster Wallace. In „Für immer da oben“steht ein kleiner Junge auf einem Sprungbrett, und was er dort spürt, ist glitzernde Wahrhaftigkeit: „Außerhalb von dir vergeht keine Zeit. Es ist unglaublich. Das Wasserballett unten vollzieht sich in Zeitlupe und mit den überbreiten Mimen in blauem, halb flüssigem Wackelpudding. Wenn du wolltest, könntest du ewig hier oben bleiben, innerlich vibrierst du so schnell, dass du scheinbar reglos über der Zeit schwebst, wie eine Biene über etwas Süßem.“
In der Mythologie ist das Wasser der Ort, in dem Umwandlungen stattfinden. Man denke an Sirenen und Meerjungfrauen, an die Taufe und die Geburt der Venus. „Badende Venus“heißt nicht ohne Grund einer der bekanntesten Filme der früheren Wettkampfschwimmerin Esther Williams. Im Swimmingpool ist das Element zwar domestiziert – manchmal bis zur Karikatur: Frank Sinatra etwa ließ sich in Palm Springs einen Pool in der Form eines Pianos bauen, und Kirk Douglas hatte ein Becken in K-Form in seinem Garten. Aber ein Hauch von Ursprünglichkeit ist noch zu spüren. Solange man drin ist, gilt man als geborgen und beschützt. Juliette Binoche lässt sich in dem Film „Drei Farben: Blau“im Wasser treiben, nur dort fühlt sie sich sicher. Die Konturen des Körpers verlaufen im Element, aus dem man stammt. Sie verschwimmen buchstäblich.
Am Beckenrand kommt das Leben dann schon näher, mitunter zu nah. Romy Schneider und Alain Delon haben es in „Der Swimmingpool“1966 gezeigt. Viel Körper, enorme Spannung. Die intensive und aufgeladene Atmosphäre ergab sich auch daraus, dass da zwei Weltstars Anziehung und Abstoßung erprobten, die wenige Jahre zuvor wirklich ein Paar gewesen waren. Das Begehren, die Hitze, das Lauernde und die Abgründigkeit, die dieser Film feiert, wurden stilbildend. „Swimmingpool“(2003) von François Ozon und „A Bigger Splash“(2016) von Luca Guadagnino wirken wie Zitate des Originals.
Der Pool ist im Kino eine Metapher für Gefühlszustände. Der große Gatsby wird erschossen, als er versonnen träumend auf seiner Luftmatratze liegt. Und die allerbeste Produktion ist in dieser Hinsicht „Der Schwimmer“(1968) nach einer Kurzgeschichte von John Cheever: Burt Lancaster durchschwimmt in Connecticut die Pools seiner Freunde, er benutzt keine Straße für seinen Heimweg, sondern eine Reihe von Schwimmbecken. Die Aktion wird zu einer Biografie in Azurblau. Mit jedem Pool-Besitzer verbindet ihn eine Geschichte, und der Zuschauer merkt allmählich, dass Lan-