Die Folgen der Warenhaus AG
Amazon macht viele Warenhäuser überflüssig. Nach vielen Anläufen lassen sie sich nun auf eine Hochzeit ein. Für die Metropolen kann das eine Chance sein.
ESSEN/KÖLN In den 60er und 70er Jahren erlebten die Warenhäuser ihre besten Zeiten: Gleich fünf große Ketten buhlten um die Gunst der Konsumenten im Wirtschaftswunder-Land. Karstadt, Kaufhof, Hertie, Horten und Wertheim. „Der Kaufhof bietet tausendfach alles unter einem Dach“, lautete der Slogan. Alles Geschichte. Klangvolle Namen verschwanden, Karstadt ging in die Insolvenz, Kunden wanderten in Outlet-Center und ins Internet ab. Die Funktion des Alles-Anbieters übernehmen Online-Händler, allen voran Amazon.
„Warenhäuser werden immer unbedeutender“, sagt Gerrit Heinemann, Handelsexperte der Hochschule Niederrhein. „Der Umsatz von Amazon wächst pro Jahr um den Betrag, den Karstadt und Kaufhof insgesamt in einem Jahr umsetzen.“Heute ständen Karstadt und Kaufhof mit ihren 4,8 Milliarden Euro nicht einmal für ein Prozent des deutschen Einzelhandelsumsatzes von 512 Milliarden. In den 1970er Jahren kamen sie auf 15 Prozent.
Heinemanns Prognose: Auf Dauer dürften Warenhäuser nur in Metropolen wie Berlin, München, Düsseldorf und Köln überleben, wo es genug Frequenz, also Laufkundschaft, gibt. „In Mittelstädten haben sie dagegen kaum eine Chance.“Zugleich werden sich Warenhäuser noch stärker vom Händler zum Vermieter wandeln, der einen großen Teil seiner Flächen an andere Shops untervermietet, meint der Experte. „Das Kaufhaus hat nur als Shopping Mall eine Chance.“
Das dürfte auch den österreichischen Immobilien-Unternehmer René Benko treiben. Seit Jahren versucht er, das deutsche Warenhausgeschäft zu übernehmen. Kritiker sagen, er sei nur hinter den Immobilien in den attraktiven Innenstadt-Lagen her. Wohlmeinende betonen dagegen, dass der Innsbrucker Selfmade-Mann es ernst meine mit dem Handel. Sie verweisen darauf, dass er viele Handelsexperten an sich bindet.
So wie Dieter Berninghaus: Dem Kurzzeit-Rewe-Chef (2004), der wegen dubioser Geschäfte unrühmlich abtrat und Rewe eine Millionen-Kompensation zahlen musste, übertrug Benko schon früh den Vorsitz der Signa-Gruppe. Auch soll Benko auf den Rat von Lovro Mandac, den langjährigen Kaufhof-Chef , hören, wie es in der Branche heißt. „Mandac wäre auch der richtige Mann, um die schweren Verhandlungen mit Verdi zu führen“, meint Heinemann.
Zugleich hat Benko mit Stephan Fanderl einen Mann an der Spitze des 2014 übernommenen Karstadt-Konzerns, der den Untergang zumindest aufgehalten hat: Karstadt stieg aus dem Tarifvertrag aus, straffte das Sortiment, schloss Häuser und kehrte nach zwölf Jahren in die Gewinnzone zurück.
Benko hat mehrfach versucht, den Kaufhof zu übernehmen. Die verschiedenen Eigentümer – erst Metro, nun die kanadische Hudson’s Bay Company (HBC) – zierten sich. Doch die Kanadier verzockten sich: Sie bekamen den Kaufhof nicht flott.
Stattdessen wurde der hohe Kaufpreis zum Problem. HBC bürdete dem Kaufhof in Heuschrecken-Manier satte Mietsteigerungen auf. Zuletzt standen dort Verluste von 100 Millionen Euro zu Buche. Nun sind die Kanadier so angeschlagen, dass sie Benkos Werben nachgaben
Karstadt soll 51 Prozent an dem geplanten Joint Venture bekommen, HBC 49 Prozent. „Für HBC ist das ein gesichtswahrendes Konstrukt“, sagt Heinemann. „Da die Kanadier eine Minderheitsbeteiligung halten wollen, müssen sie keine Abschreibungen auf ihre Beteiligung vornehmen.“Diese hätten sie durch Wertzuschreibungen bei den Immobilien in der Vergangenheit hochgejazzt. „Große Abschreibungen hätten HBC mit seiner angespannten Bilanz vermutlich das Genick gebrochen“, meint Heinemann. Seine Prognose für den Deal: „Kaufhof und Karstadt greifen nach dem letzten Strohhalm.“