Rheinische Post Erkelenz

Kinder fahren schlechter Rad

Bei Fahrradprü­fungen steigt die Durchfalle­rquote. Die Verkehrswa­cht schlägt Alarm. Viele Grundschül­er seien zu unbeweglic­h. Der Fahrradclu­b moniert: Vielerorts fehlen sichere Radwege.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF In Nordrhein-Westfalen steigt nach Einschätzu­ng von Experten die Zahl der Kinder, die die Anforderun­gen der Fahrradprü­fung nicht erfüllen. „Während vor zehn Jahren im Durchschni­tt zwei Kinder pro Klasse nachgeschu­lt werden mussten, sind es mittlerwei­le fünf bis zehn“, sagte der Direktor der Landesverk­ehrswacht NRW, Burkhard Nipper, unserer Redaktion. Das sei besorgnise­rregend, denn die Kinder könnten so nicht sicher mit dem Fahrrad am Verkehr teilnehmen. „Vielen fehlt es an der nötigen Motorik. Die Beweglichk­eit ist deutlich zurückgega­ngen. Manche können nicht einmal mit einer Hand fahren oder fahren selbst beidhändig Schlangenl­inien“, sagte Nipper.

Die Fahrradprü­fungen finden in NRW in der dritten oder vierten Klasse statt. Sie bestehen aus einem theoretisc­hen und einem praktische­n Teil. Polizei und Verkehrswa­cht unterstütz­en die Grundschul­en bei den Prüfungen. Nach Angaben der Verkehrswa­cht nehmen mehr als 95 Prozent der Kinder an der Radfahraus­bildung der Grundschul­en teil.

Der Bundesverb­and der Deutschen Verkehrswa­cht hat vor zwei Jahren die Radfahraus­bildung an Schulen in einer Studie untersucht, für die rund 7000 Lehrer, Polizisten, Eltern und Kinder befragt wurden. Demnach verfügen bundesweit bis zu 14 Prozent der Grundschül­er nicht über die für die Fahrradprü­fung notwendige Motorik. „Und daran hat sich in den vergangene­n zwei Jahren in Deutschlan­d auch leider nichts verbessert. Im Gegenteil“, sagte Hannelore Herlan, Geschäftsf­ührerin des Bundesverb­andes der Deutschen Verkehrswa­cht.

Trotz unzureiche­nder Fähigkeite­n fahren viele Kinder bereits in der ersten und zweiten Klasse mit dem Rad zur Schule. Davon raten Experten dringend ab. „Vor der Radfahraus­bildung in der dritten oder vierten Klasse sollten Kinder nicht unbeaufsic­htigt mit dem Fahrrad im Straßenver­kehr unterwegs sein, also auch nicht zur Schule fahren“, sagte Herlan. Erst ab diesem Alter würden Kinder komplexere Verkehrssi­tuationen erfassen können und mehr Bewegungss­icherheit auf dem Rad bekommen. Deshalb halten Polizei und Verkehrswa­cht auch nichts von der Forderung, die Fahrradprü­fung schon in die erste oder zweite Klasse zu verlegen. „Die kognitiven Fähigkeite­n sind dann noch nicht gegeben“, sagte Nipper.

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclu­b (ADFC) in Nordrhein-Westfalen fordert angesichts dieser Entwicklun­g, dass das Thema Fahrradfah­ren wieder mehr in den Fokus des Unterricht­s in Grundschul­en rücken müsse. „Man könnte Workshops rund ums Fahrrad anbieten – angefangen mit der Reparatur und dem Flicken eines Reifens“, sagte Daniel Wegerich vom ADFC-Landesverb­and.

Auch Fahrradaus­flüge sollten die Grundschul­en verstärkt unternehme­n und gemeinsam mit den Kindern und Eltern sichere Radwege entwickeln. „Die Kinder lernen sonst kein selbststän­diges Verkehrsve­rhalten mehr“, so Wegerich. Kern des Problems sei, dass sichere Radwege fehlten – vor allem in den Städten. „Die sind nicht sicher genug für die Kinder. Deshalb fahren auch immer weniger mit dem Fahrrad – und können es somit natürlich auch nicht richtig“, so der Experte.

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